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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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lar, auf den Assembleen einige Kränkungen be-
gegneten, und ihr Mann, der, in Ansehung sei-
nes alten Adels, und seiner zärtlichen Liebe gegen
die schöne Wittwe, sich in den Ehepakten so-
gleich völlige Gewalt über ihr Vermögen hatte
verschreiben lassen, mit einer durchreisenden Tän-
zerinn nach Paris gieng; so kehrte sie unverrichte-
ter Sachen, nach ihres Gemahls Herrschaft zurück.
Sie bringt daselbst, weil ihre Nachdarn, aus Eti-
kette, mir ihr nicht umgehen mögen, einsam und un-
muthig ihre Tage damit zu; daß sie alle Sonntage
und Festtage in die Kirche gehet, um für den
Kaiser, für alle Könige, und für die gnädige Guths-
herrschaft bitten zu hören, und daß sie in der einen
Hälfte der Werkeltage ihre Kammermädchen aus-
schilt, und in der andern, mit einem armen Fräu-
lein, von guter Familie, Pikett spielt.

Die Gräfinn von ***, nachdem sie die
wahren Umstände von Marianens Entführung
erfahren hatte, ließ derselben Charakter die voll-
kommenste Gerechtigkeit wiederfahren, und ward
wieder ihre wahre Freundinn. Beide haben sich

einige-



lar, auf den Aſſembleen einige Kraͤnkungen be-
gegneten, und ihr Mann, der, in Anſehung ſei-
nes alten Adels, und ſeiner zaͤrtlichen Liebe gegen
die ſchoͤne Wittwe, ſich in den Ehepakten ſo-
gleich voͤllige Gewalt uͤber ihr Vermoͤgen hatte
verſchreiben laſſen, mit einer durchreiſenden Taͤn-
zerinn nach Paris gieng; ſo kehrte ſie unverrichte-
ter Sachen, nach ihres Gemahls Herrſchaft zuruͤck.
Sie bringt daſelbſt, weil ihre Nachdarn, aus Eti-
kette, mir ihr nicht umgehen moͤgen, einſam und un-
muthig ihre Tage damit zu; daß ſie alle Sonntage
und Feſttage in die Kirche gehet, um fuͤr den
Kaiſer, fuͤr alle Koͤnige, und fuͤr die gnaͤdige Guths-
herrſchaft bitten zu hoͤren, und daß ſie in der einen
Haͤlfte der Werkeltage ihre Kammermaͤdchen aus-
ſchilt, und in der andern, mit einem armen Fraͤu-
lein, von guter Familie, Pikett ſpielt.

Die Graͤfinn von ***, nachdem ſie die
wahren Umſtaͤnde von Marianens Entfuͤhrung
erfahren hatte, ließ derſelben Charakter die voll-
kommenſte Gerechtigkeit wiederfahren, und ward
wieder ihre wahre Freundinn. Beide haben ſich

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[162[161]/0176] lar, auf den Aſſembleen einige Kraͤnkungen be- gegneten, und ihr Mann, der, in Anſehung ſei- nes alten Adels, und ſeiner zaͤrtlichen Liebe gegen die ſchoͤne Wittwe, ſich in den Ehepakten ſo- gleich voͤllige Gewalt uͤber ihr Vermoͤgen hatte verſchreiben laſſen, mit einer durchreiſenden Taͤn- zerinn nach Paris gieng; ſo kehrte ſie unverrichte- ter Sachen, nach ihres Gemahls Herrſchaft zuruͤck. Sie bringt daſelbſt, weil ihre Nachdarn, aus Eti- kette, mir ihr nicht umgehen moͤgen, einſam und un- muthig ihre Tage damit zu; daß ſie alle Sonntage und Feſttage in die Kirche gehet, um fuͤr den Kaiſer, fuͤr alle Koͤnige, und fuͤr die gnaͤdige Guths- herrſchaft bitten zu hoͤren, und daß ſie in der einen Haͤlfte der Werkeltage ihre Kammermaͤdchen aus- ſchilt, und in der andern, mit einem armen Fraͤu- lein, von guter Familie, Pikett ſpielt. Die Graͤfinn von ***, nachdem ſie die wahren Umſtaͤnde von Marianens Entfuͤhrung erfahren hatte, ließ derſelben Charakter die voll- kommenſte Gerechtigkeit wiederfahren, und ward wieder ihre wahre Freundinn. Beide haben ſich einige-

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 162[161]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/176>, abgerufen am 21.11.2024.