Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.ihnen die nützlichsten Stücke der vaterländischen Ge- schichte zu erklären. Dahin gehörte besonders die Geschichte des Synods zu Dordrecht, mit seinen po- litischen und theologischen Veranlaßungen, und wie wohl man gethan, die Remenstranton lieber nicht zu hören, damit man sie desto gemächlicher verdam- men konnte, deßgleichen die Vorfälle mit der soge- nannten Loevesteinschen Parthie, nebst der löbli- chen Hinrichtung des unruhigen Oldenbarne- veld u. s. w. Da er aber einst wahrnahm, daß die Knaben, als er pathetischer Weise beklagte, daß das Schloß Loevestein nicht jetzt noch zum Gefängnisse für die widerspenstigen Unrechtsinnigen gebraucht würde, indessen unter dem Tische mit Keulchen und papiernen Vögeln spielten; so ward er dadurch nicht wenig entrüstet, und erklärte sich, nach dem Bey- spiele erfahrner Pädagogen, welche unartigen Kna- ben die Leckerbissen versagen, ihnen das köstliche Fest dieser Erzählungen so lange zu entziehen, bis sie hungriger darnach würden. Daher bestand zu der Zeit, als Sebaldus ins dabey B 3
ihnen die nuͤtzlichſten Stuͤcke der vaterlaͤndiſchen Ge- ſchichte zu erklaͤren. Dahin gehoͤrte beſonders die Geſchichte des Synods zu Dordrecht, mit ſeinen po- litiſchen und theologiſchen Veranlaßungen, und wie wohl man gethan, die Remenſtranton lieber nicht zu hoͤren, damit man ſie deſto gemaͤchlicher verdam- men konnte, deßgleichen die Vorfaͤlle mit der ſoge- nannten Loeveſteinſchen Parthie, nebſt der loͤbli- chen Hinrichtung des unruhigen Oldenbarne- veld u. ſ. w. Da er aber einſt wahrnahm, daß die Knaben, als er pathetiſcher Weiſe beklagte, daß das Schloß Loeveſtein nicht jetzt noch zum Gefaͤngniſſe fuͤr die widerſpenſtigen Unrechtſinnigen gebraucht wuͤrde, indeſſen unter dem Tiſche mit Keulchen und papiernen Voͤgeln ſpielten; ſo ward er dadurch nicht wenig entruͤſtet, und erklaͤrte ſich, nach dem Bey- ſpiele erfahrner Paͤdagogen, welche unartigen Kna- ben die Leckerbiſſen verſagen, ihnen das koͤſtliche Feſt dieſer Erzaͤhlungen ſo lange zu entziehen, bis ſie hungriger darnach wuͤrden. Daher beſtand zu der Zeit, als Sebaldus ins dabey B 3
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ihnen die nuͤtzlichſten Stuͤcke der vaterlaͤndiſchen Ge-
ſchichte zu erklaͤren. Dahin gehoͤrte beſonders die
Geſchichte des Synods zu Dordrecht, mit ſeinen po-
litiſchen und theologiſchen Veranlaßungen, und wie
wohl man gethan, die Remenſtranton lieber nicht
zu hoͤren, damit man ſie deſto gemaͤchlicher verdam-
men konnte, deßgleichen die Vorfaͤlle mit der ſoge-
nannten Loeveſteinſchen Parthie, nebſt der loͤbli-
chen Hinrichtung des unruhigen Oldenbarne-
veld u. ſ. w. Da er aber einſt wahrnahm, daß die
Knaben, als er pathetiſcher Weiſe beklagte, daß das
Schloß Loeveſtein nicht jetzt noch zum Gefaͤngniſſe
fuͤr die widerſpenſtigen Unrechtſinnigen gebraucht
wuͤrde, indeſſen unter dem Tiſche mit Keulchen und
papiernen Voͤgeln ſpielten; ſo ward er dadurch nicht
wenig entruͤſtet, und erklaͤrte ſich, nach dem Bey-
ſpiele erfahrner Paͤdagogen, welche unartigen Kna-
ben die Leckerbiſſen verſagen, ihnen das koͤſtliche Feſt
dieſer Erzaͤhlungen ſo lange zu entziehen, bis ſie
hungriger darnach wuͤrden.
Daher beſtand zu der Zeit, als Sebaldus ins
Haus kam, der Unterricht der beiden Knaben, bloß
darinn, daß ſie taͤglich aus dem Heidelbergiſchen Ka-
techiſmus, ein Penſum der Abtheilung von des
Menſchen Elende, auswendig lernen und herſagen,
dabey
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