Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776."zänk noch nicht Menschen gegeneinander aufgehetzt "hat, wird wohl die Liebe nicht an Konfessionen ge- "bunden seyn. Vielleicht fände sich da eine Gesell- "schafft, die, streitige Lehrmeinungen bey Seite se- "tzend, nur gemeinsam erkannte Wahrheiten nu- "tzen wollte, die, ohne nach Lehrformeln zu fra- "gen, sich versammelte, um sich gemeinschaftlich "zum Lobe Gottes zu ermuntern, sich gemein- "schaftlich an gemeinnützige Pflichten zu erinnern. "Welches Glück für mich, solche Gesellschafft zu fin- "den! Welches Vergnügen, sie zu errichten! Oder "ists nur ein schöner Traum? Mags doch! Dort ist "wenigstens möglich, was in Europa durch Konfes- "sionen und Synoden unmöglich gemacht wird.' ,Unmöglich? doch wohl nicht ganz;' versetzte der ,Wie? wo?' fiel ihm Sebaldus hastig ins Wort. ,Jn den vereinigten Provinzen, und selbst auch hier "sterdam
„zaͤnk noch nicht Menſchen gegeneinander aufgehetzt „hat, wird wohl die Liebe nicht an Konfeſſionen ge- „bunden ſeyn. Vielleicht faͤnde ſich da eine Geſell- „ſchafft, die, ſtreitige Lehrmeinungen bey Seite ſe- „tzend, nur gemeinſam erkannte Wahrheiten nu- „tzen wollte, die, ohne nach Lehrformeln zu fra- „gen, ſich verſammelte, um ſich gemeinſchaftlich „zum Lobe Gottes zu ermuntern, ſich gemein- „ſchaftlich an gemeinnuͤtzige Pflichten zu erinnern. „Welches Gluͤck fuͤr mich, ſolche Geſellſchafft zu fin- „den! Welches Vergnuͤgen, ſie zu errichten! Oder „iſts nur ein ſchoͤner Traum? Mags doch! Dort iſt „wenigſtens moͤglich, was in Europa durch Konfeſ- „ſionen und Synoden unmoͤglich gemacht wird.‛ ‚Unmoͤglich? doch wohl nicht ganz;‛ verſetzte der ‚Wie? wo?‛ fiel ihm Sebaldus haſtig ins Wort. ‚Jn den vereinigten Provinzen, und ſelbſt auch hier „ſterdam
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„zaͤnk noch nicht Menſchen gegeneinander aufgehetzt
„hat, wird wohl die Liebe nicht an Konfeſſionen ge-
„bunden ſeyn. Vielleicht faͤnde ſich da eine Geſell-
„ſchafft, die, ſtreitige Lehrmeinungen bey Seite ſe-
„tzend, nur gemeinſam erkannte Wahrheiten nu-
„tzen wollte, die, ohne nach Lehrformeln zu fra-
„gen, ſich verſammelte, um ſich gemeinſchaftlich
„zum Lobe Gottes zu ermuntern, ſich gemein-
„ſchaftlich an gemeinnuͤtzige Pflichten zu erinnern.
„Welches Gluͤck fuͤr mich, ſolche Geſellſchafft zu fin-
„den! Welches Vergnuͤgen, ſie zu errichten! Oder
„iſts nur ein ſchoͤner Traum? Mags doch! Dort iſt
„wenigſtens moͤglich, was in Europa durch Konfeſ-
„ſionen und Synoden unmoͤglich gemacht wird.‛
‚Unmoͤglich? doch wohl nicht ganz;‛ verſetzte der
Kaufmann. ‚Wenn Jhr, lieber Freund, ſonſt kei-
„ue Urſachen habt nach Oſtindien zu gehen, als
„eine ſolche Geſellſchafft zu ſuchen, ſo koͤnnt Jhr ſie
„viel naͤher, bey uns, finden. —‛
‚Wie? wo?‛ fiel ihm Sebaldus haſtig ins Wort.
‚Jn den vereinigten Provinzen, und ſelbſt auch hier
„in Rotterdam. Sie heiſſen Kollegianten, oder
„Reinsburger, von einem Dorfe bey Leiden, wo ſie
„jaͤhrlich zweymahl zuſammen kommen, um das Abend-
„mahl zu halten. Man findet ſie beſonders in Am-
„ſterdam
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