Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



erlöset hatte, in das Haus seines Freundes, mit dem
er vorher spazieren gegangen war. Es war ein men-
nonistischer Lehrer, ein Mann von Verstande und
Redlichkeit, mit den Kollegianten wohl bekannt,
der den Sebaldus von der Verfassung dieser friedsa-
men Gesellschaft noch näher unterrichtete, und mir
ihm und dem lutherischen Prediger in derselben got-
tesdienstliche Versammlung gieng; wo sie alle, der
Verschiedenheit ihres Lehrbegriffs und aller strei-
tigen Fragen vergessend, in gemeinsamer Andacht
das Lob Gottes anstimmten, und gemeinsam er-
kannte Wahrheit zu ihrer Erbauung anwendeten.
Eine Art des Gottesdienstes, die Sebaldus Wünsche
ganz befriedigte.

Nach der Versammlung giengen sie mit dem Se-
baldus,
um das Empfehlungsschreiben aus Rotter-
dam an den Kollegianten, abzugeben, weil er Un-
päßlichkeitshalber nicht zugegen gewesen war. Er
nahm den Sebaldus, als ein Vater und als ein
Freund in sein Haus auf, so daß derselbe, bey dieser
liebreichen Begegnung, in kurzem seine vorigen Wi-
derwärtigkeiten vergaß.

Der Kollegiant war ein wohlhabender Mann,
aber auch ein Mann von ausgebreiteter Gelehrsam-
keit, und von edlen Gesinnungen, der seine Muße

zum



erloͤſet hatte, in das Haus ſeines Freundes, mit dem
er vorher ſpazieren gegangen war. Es war ein men-
noniſtiſcher Lehrer, ein Mann von Verſtande und
Redlichkeit, mit den Kollegianten wohl bekannt,
der den Sebaldus von der Verfaſſung dieſer friedſa-
men Geſellſchaft noch naͤher unterrichtete, und mir
ihm und dem lutheriſchen Prediger in derſelben got-
tesdienſtliche Verſammlung gieng; wo ſie alle, der
Verſchiedenheit ihres Lehrbegriffs und aller ſtrei-
tigen Fragen vergeſſend, in gemeinſamer Andacht
das Lob Gottes anſtimmten, und gemeinſam er-
kannte Wahrheit zu ihrer Erbauung anwendeten.
Eine Art des Gottesdienſtes, die Sebaldus Wuͤnſche
ganz befriedigte.

Nach der Verſammlung giengen ſie mit dem Se-
baldus,
um das Empfehlungsſchreiben aus Rotter-
dam an den Kollegianten, abzugeben, weil er Un-
paͤßlichkeitshalber nicht zugegen geweſen war. Er
nahm den Sebaldus, als ein Vater und als ein
Freund in ſein Haus auf, ſo daß derſelbe, bey dieſer
liebreichen Begegnung, in kurzem ſeine vorigen Wi-
derwaͤrtigkeiten vergaß.

Der Kollegiant war ein wohlhabender Mann,
aber auch ein Mann von ausgebreiteter Gelehrſam-
keit, und von edlen Geſinnungen, der ſeine Muße

zum
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0060" n="52[51]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
erlo&#x0364;&#x017F;et hatte, in das Haus &#x017F;eines Freundes, mit dem<lb/>
er vorher &#x017F;pazieren gegangen war. Es war ein men-<lb/>
noni&#x017F;ti&#x017F;cher Lehrer, ein Mann von Ver&#x017F;tande und<lb/>
Redlichkeit, mit den <hi rendition="#fr">Kollegianten</hi> wohl bekannt,<lb/>
der den <hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> von der Verfa&#x017F;&#x017F;ung die&#x017F;er fried&#x017F;a-<lb/>
men Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft noch na&#x0364;her unterrichtete, und mir<lb/>
ihm und dem lutheri&#x017F;chen Prediger in der&#x017F;elben got-<lb/>
tesdien&#x017F;tliche Ver&#x017F;ammlung gieng; wo &#x017F;ie alle, der<lb/>
Ver&#x017F;chiedenheit ihres Lehrbegriffs und aller &#x017F;trei-<lb/>
tigen Fragen verge&#x017F;&#x017F;end, in gemein&#x017F;amer Andacht<lb/>
das Lob Gottes an&#x017F;timmten, und gemein&#x017F;am er-<lb/>
kannte Wahrheit zu ihrer Erbauung anwendeten.<lb/>
Eine Art des Gottesdien&#x017F;tes, die <hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> Wu&#x0364;n&#x017F;che<lb/>
ganz befriedigte.</p><lb/>
          <p>Nach der Ver&#x017F;ammlung giengen &#x017F;ie mit dem <hi rendition="#fr">Se-<lb/>
baldus,</hi> um das Empfehlungs&#x017F;chreiben aus Rotter-<lb/>
dam an den <hi rendition="#fr">Kollegianten,</hi> abzugeben, weil er Un-<lb/>
pa&#x0364;ßlichkeitshalber nicht zugegen gewe&#x017F;en war. Er<lb/>
nahm den <hi rendition="#fr">Sebaldus,</hi> als ein Vater und als ein<lb/>
Freund in &#x017F;ein Haus auf, &#x017F;o daß der&#x017F;elbe, bey die&#x017F;er<lb/>
liebreichen Begegnung, in kurzem &#x017F;eine vorigen Wi-<lb/>
derwa&#x0364;rtigkeiten vergaß.</p><lb/>
          <p>Der Kollegiant war ein wohlhabender Mann,<lb/>
aber auch ein Mann von ausgebreiteter Gelehr&#x017F;am-<lb/>
keit, und von edlen Ge&#x017F;innungen, der &#x017F;eine Muße<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zum</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52[51]/0060] erloͤſet hatte, in das Haus ſeines Freundes, mit dem er vorher ſpazieren gegangen war. Es war ein men- noniſtiſcher Lehrer, ein Mann von Verſtande und Redlichkeit, mit den Kollegianten wohl bekannt, der den Sebaldus von der Verfaſſung dieſer friedſa- men Geſellſchaft noch naͤher unterrichtete, und mir ihm und dem lutheriſchen Prediger in derſelben got- tesdienſtliche Verſammlung gieng; wo ſie alle, der Verſchiedenheit ihres Lehrbegriffs und aller ſtrei- tigen Fragen vergeſſend, in gemeinſamer Andacht das Lob Gottes anſtimmten, und gemeinſam er- kannte Wahrheit zu ihrer Erbauung anwendeten. Eine Art des Gottesdienſtes, die Sebaldus Wuͤnſche ganz befriedigte. Nach der Verſammlung giengen ſie mit dem Se- baldus, um das Empfehlungsſchreiben aus Rotter- dam an den Kollegianten, abzugeben, weil er Un- paͤßlichkeitshalber nicht zugegen geweſen war. Er nahm den Sebaldus, als ein Vater und als ein Freund in ſein Haus auf, ſo daß derſelbe, bey dieſer liebreichen Begegnung, in kurzem ſeine vorigen Wi- derwaͤrtigkeiten vergaß. Der Kollegiant war ein wohlhabender Mann, aber auch ein Mann von ausgebreiteter Gelehrſam- keit, und von edlen Geſinnungen, der ſeine Muße zum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/60
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 52[51]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/60>, abgerufen am 16.05.2024.