Van der Kurt konnte gar nicht begreifen, wie die Entdeckung eines Ketzers, auf einen rechtsinni- gen Geistlichen so wenig Eindruck machen könnte, denn er hatte gewiß geglaubt, ihn ganz bey seiner Schwäche zu fassen. Da er nun merkte, daß er den Beystand, den er gewiß von dem Domine zu erhal- ten hoffte, verfehlt hatte, und es nicht dienlich fand, demselben die wahre Ursach seines Antrags näher zu erklären, so gieng er, nachdem er sich dienstlich em- pfohlen, ziemlich betroffen, zur Thür hinaus.
Wollte der geneigte Leser etwan aus diesem Vor- falle schließen, daß Domine de Hysel heimlich hete- rodoxe Gesinnungen gehet, so würde er sich irren; denn der Domine, wollte an keinem einzigen Schlusse des Dordrechtschen Synods etwas geändert wissen.
Wollte man etwan vermeinen, der Domine habe die Meinungen des Buchs für unschädlich gehalten, und geglaubt, man könne sie dulden; so würde man noch das rechte Ziel nicht treffen, denn er war gar nicht geneigt sie zu billigen.
Kurzum, alles zu erklären, darf man nur wissen, daß Domine de Hysel, nachdem er den Zweck seiner theo- logischen Universitätsstudien, ein geistliches Amt, erreicht hatte, sich nunmehr, seine nothwendigsten Amtsgeschäfte ausgenommen, um geistliche Angele-
genheiten
Van der Kurt konnte gar nicht begreifen, wie die Entdeckung eines Ketzers, auf einen rechtſinni- gen Geiſtlichen ſo wenig Eindruck machen koͤnnte, denn er hatte gewiß geglaubt, ihn ganz bey ſeiner Schwaͤche zu faſſen. Da er nun merkte, daß er den Beyſtand, den er gewiß von dem Domine zu erhal- ten hoffte, verfehlt hatte, und es nicht dienlich fand, demſelben die wahre Urſach ſeines Antrags naͤher zu erklaͤren, ſo gieng er, nachdem er ſich dienſtlich em- pfohlen, ziemlich betroffen, zur Thuͤr hinaus.
Wollte der geneigte Leſer etwan aus dieſem Vor- falle ſchließen, daß Domine de Hyſel heimlich hete- rodoxe Geſinnungen gehet, ſo wuͤrde er ſich irren; denn der Domine, wollte an keinem einzigen Schluſſe des Dordrechtſchen Synods etwas geaͤndert wiſſen.
Wollte man etwan vermeinen, der Domine habe die Meinungen des Buchs fuͤr unſchaͤdlich gehalten, und geglaubt, man koͤnne ſie dulden; ſo wuͤrde man noch das rechte Ziel nicht treffen, denn er war gar nicht geneigt ſie zu billigen.
Kurzum, alles zu erklaͤren, darf man nur wiſſen, daß Domine de Hyſel, nachdem er den Zweck ſeiner theo- logiſchen Univerſitaͤtsſtudien, ein geiſtliches Amt, erreicht hatte, ſich nunmehr, ſeine nothwendigſten Amtsgeſchaͤfte ausgenommen, um geiſtliche Angele-
genheiten
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[77[76]/0085]
Van der Kurt konnte gar nicht begreifen, wie
die Entdeckung eines Ketzers, auf einen rechtſinni-
gen Geiſtlichen ſo wenig Eindruck machen koͤnnte,
denn er hatte gewiß geglaubt, ihn ganz bey ſeiner
Schwaͤche zu faſſen. Da er nun merkte, daß er den
Beyſtand, den er gewiß von dem Domine zu erhal-
ten hoffte, verfehlt hatte, und es nicht dienlich fand,
demſelben die wahre Urſach ſeines Antrags naͤher zu
erklaͤren, ſo gieng er, nachdem er ſich dienſtlich em-
pfohlen, ziemlich betroffen, zur Thuͤr hinaus.
Wollte der geneigte Leſer etwan aus dieſem Vor-
falle ſchließen, daß Domine de Hyſel heimlich hete-
rodoxe Geſinnungen gehet, ſo wuͤrde er ſich irren;
denn der Domine, wollte an keinem einzigen Schluſſe
des Dordrechtſchen Synods etwas geaͤndert wiſſen.
Wollte man etwan vermeinen, der Domine habe
die Meinungen des Buchs fuͤr unſchaͤdlich gehalten,
und geglaubt, man koͤnne ſie dulden; ſo wuͤrde man
noch das rechte Ziel nicht treffen, denn er war gar
nicht geneigt ſie zu billigen.
Kurzum, alles zu erklaͤren, darf man nur wiſſen, daß
Domine de Hyſel, nachdem er den Zweck ſeiner theo-
logiſchen Univerſitaͤtsſtudien, ein geiſtliches Amt,
erreicht hatte, ſich nunmehr, ſeine nothwendigſten
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 77[76]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/85>, abgerufen am 17.02.2025.
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