Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



übersah, durch einen eingebildeten Rechtshandel in
solche Verlegenheit zu bringen, daß derselbe sich ganz
in seine Arme werfen müßte, wodurch er denn sei-
nen Zweck wegen des Tagebuchs und der unterzu-
schiebenden Mitarbeiter, desto leichter zu erlangen
dachte. Da ihm aber Sebaldus, aus übertriebe-
ner Aengstlichkeit, noch ein sichereres Mittel an die
Hand gab, so faßte er, als ein weltkluger Mann,
gleich dessen Gedanken auf, und sagte mit treuher-
zig scheinender Mine:

,Er glaube, in der That, es sey für ihn kein Heil,
"als in einer schnellen Flucht zu finden.'

,Freylich!, rief Sebaldus, herzlich beklemmt,
"ich muß weg! Aber wohin? Wie soll ich so schnell
"und auch unerkannt aus dem Lande kommen. Jch
"weiß weder Weg noch Steg, habe auch kein Geld!
"Nach Ostindien zu gehen, habe ich allen Muth ver-
"loren. Nach Deutschland? Wie soll ich dahin zu-
"rückkommen? Großer Gott! was wird aus mir
"werden!'

Diesen Zeitpunkt nahm van der Kuit wahr, ihn
mit vielen schönen Worten zu versichern, daß ein je-
der ehrlicher Mann, dem andern beystehen müsse.
Er setzte hinzu, er wolle, mit eben der Ehrlichkeit
und Freundschaft, mit der er ihn vor dem Unglücke

gewarnt
F 2



uͤberſah, durch einen eingebildeten Rechtshandel in
ſolche Verlegenheit zu bringen, daß derſelbe ſich ganz
in ſeine Arme werfen muͤßte, wodurch er denn ſei-
nen Zweck wegen des Tagebuchs und der unterzu-
ſchiebenden Mitarbeiter, deſto leichter zu erlangen
dachte. Da ihm aber Sebaldus, aus uͤbertriebe-
ner Aengſtlichkeit, noch ein ſichereres Mittel an die
Hand gab, ſo faßte er, als ein weltkluger Mann,
gleich deſſen Gedanken auf, und ſagte mit treuher-
zig ſcheinender Mine:

‚Er glaube, in der That, es ſey fuͤr ihn kein Heil,
„als in einer ſchnellen Flucht zu finden.‛

‚Freylich!, rief Sebaldus, herzlich beklemmt,
„ich muß weg! Aber wohin? Wie ſoll ich ſo ſchnell
„und auch unerkannt aus dem Lande kommen. Jch
„weiß weder Weg noch Steg, habe auch kein Geld!
„Nach Oſtindien zu gehen, habe ich allen Muth ver-
„loren. Nach Deutſchland? Wie ſoll ich dahin zu-
„ruͤckkommen? Großer Gott! was wird aus mir
„werden!‛

Dieſen Zeitpunkt nahm van der Kuit wahr, ihn
mit vielen ſchoͤnen Worten zu verſichern, daß ein je-
der ehrlicher Mann, dem andern beyſtehen muͤſſe.
Er ſetzte hinzu, er wolle, mit eben der Ehrlichkeit
und Freundſchaft, mit der er ihn vor dem Ungluͤcke

gewarnt
F 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0089" n="81[80]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;ah, durch einen eingebildeten Rechtshandel in<lb/>
&#x017F;olche Verlegenheit zu bringen, daß der&#x017F;elbe &#x017F;ich ganz<lb/>
in &#x017F;eine Arme werfen mu&#x0364;ßte, wodurch er denn &#x017F;ei-<lb/>
nen Zweck wegen des Tagebuchs und der unterzu-<lb/>
&#x017F;chiebenden Mitarbeiter, de&#x017F;to leichter zu erlangen<lb/>
dachte. Da ihm aber <hi rendition="#fr">Sebaldus,</hi> aus u&#x0364;bertriebe-<lb/>
ner Aeng&#x017F;tlichkeit, noch ein &#x017F;ichereres Mittel an die<lb/>
Hand gab, &#x017F;o faßte er, als ein weltkluger Mann,<lb/>
gleich de&#x017F;&#x017F;en Gedanken auf, und &#x017F;agte mit treuher-<lb/>
zig &#x017F;cheinender Mine:</p><lb/>
          <p>&#x201A;Er glaube, in der That, es &#x017F;ey fu&#x0364;r ihn kein Heil,<lb/>
&#x201E;als in einer &#x017F;chnellen Flucht zu finden.&#x201B;</p><lb/>
          <p>&#x201A;Freylich!, rief <hi rendition="#fr">Sebaldus,</hi> herzlich beklemmt,<lb/>
&#x201E;ich muß weg! Aber wohin? Wie &#x017F;oll ich &#x017F;o &#x017F;chnell<lb/>
&#x201E;und auch unerkannt aus dem Lande kommen. Jch<lb/>
&#x201E;weiß weder Weg noch Steg, habe auch kein Geld!<lb/>
&#x201E;Nach O&#x017F;tindien zu gehen, habe ich allen Muth ver-<lb/>
&#x201E;loren. Nach Deut&#x017F;chland? Wie &#x017F;oll ich dahin zu-<lb/>
&#x201E;ru&#x0364;ckkommen? Großer Gott! was wird aus mir<lb/>
&#x201E;werden!&#x201B;</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;en Zeitpunkt nahm <hi rendition="#fr">van der Kuit</hi> wahr, ihn<lb/>
mit vielen &#x017F;cho&#x0364;nen Worten zu ver&#x017F;ichern, daß ein je-<lb/>
der ehrlicher Mann, dem andern bey&#x017F;tehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.<lb/>
Er &#x017F;etzte hinzu, er wolle, mit eben der Ehrlichkeit<lb/>
und Freund&#x017F;chaft, mit der er ihn vor dem Unglu&#x0364;cke<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 2</fw><fw place="bottom" type="catch">gewarnt</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81[80]/0089] uͤberſah, durch einen eingebildeten Rechtshandel in ſolche Verlegenheit zu bringen, daß derſelbe ſich ganz in ſeine Arme werfen muͤßte, wodurch er denn ſei- nen Zweck wegen des Tagebuchs und der unterzu- ſchiebenden Mitarbeiter, deſto leichter zu erlangen dachte. Da ihm aber Sebaldus, aus uͤbertriebe- ner Aengſtlichkeit, noch ein ſichereres Mittel an die Hand gab, ſo faßte er, als ein weltkluger Mann, gleich deſſen Gedanken auf, und ſagte mit treuher- zig ſcheinender Mine: ‚Er glaube, in der That, es ſey fuͤr ihn kein Heil, „als in einer ſchnellen Flucht zu finden.‛ ‚Freylich!, rief Sebaldus, herzlich beklemmt, „ich muß weg! Aber wohin? Wie ſoll ich ſo ſchnell „und auch unerkannt aus dem Lande kommen. Jch „weiß weder Weg noch Steg, habe auch kein Geld! „Nach Oſtindien zu gehen, habe ich allen Muth ver- „loren. Nach Deutſchland? Wie ſoll ich dahin zu- „ruͤckkommen? Großer Gott! was wird aus mir „werden!‛ Dieſen Zeitpunkt nahm van der Kuit wahr, ihn mit vielen ſchoͤnen Worten zu verſichern, daß ein je- der ehrlicher Mann, dem andern beyſtehen muͤſſe. Er ſetzte hinzu, er wolle, mit eben der Ehrlichkeit und Freundſchaft, mit der er ihn vor dem Ungluͤcke gewarnt F 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/89
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 81[80]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/89>, abgerufen am 27.11.2024.