Ohne dieses Spiel der Worterklärung zu beachten, ist es gewiß daß die Umbrer vor den Etruskern, im Zeitalter der Oenotrer, groß waren, und mit Recht das älteste Volk Italiens genannt werden. Ihre Stadt Ameria war nach Cato 964 Jahre vor dem perseischen Kriege, oder 381 Jahre vor Rom, erbaut 1). Gewiß ist es auch daß sie vor Alters ein sehr weites Land bewohnten: außer dem welches Umbrien blieb wahrscheinlich, wie schon gesagt ist, das südliche Etrurien; und, nach bestimmten römi- schen Sagen, die Landschaft welche die Sabiner zwischen dem Apenninus und der Tiber einnahmen. Auf dem nord- östlichen Abhang des Gebirgs gegen das obere Meer und den Padus sollen sie sich als Eroberer ausgebreitet, und die Liburner von der Küste vertrieben haben: von diesem illyrischen Volk hatte sich in Catos Zeitalter (denn Pli- nius, der ihm im Allgemeinen folgt, redet hier wohl mit einem Ausdruck der, nach der großen Völkerzerrüttung, in seinen Tagen nicht mehr passend war) die Bürgerschaft von Truentum erhalten 2); so daß diese Illyrier einst die ganze Küste vom Padus bis an die Gränze Apuliens be- wohnt zu haben scheinen; auf deren größter Ausdehnung sie von Sabinischen Völkern überwältigt oder ausgerot- tet sind.
Unsre Geschichte findet die Umbrer eingeschränkt auf das linke Ufer der Tiber: am Meer wenige Orte, theils wie Ravenna durch seine Lagunen, theils durch Zins- zahlung an die Gallier, ihnen erhalten. Der Grie-
1) Plinius, Hist. Nat. III. c. 19.
2) Derselbe, c. 18.
Erster Theil. G
Ohne dieſes Spiel der Worterklaͤrung zu beachten, iſt es gewiß daß die Umbrer vor den Etruskern, im Zeitalter der Oenotrer, groß waren, und mit Recht das aͤlteſte Volk Italiens genannt werden. Ihre Stadt Ameria war nach Cato 964 Jahre vor dem perſeiſchen Kriege, oder 381 Jahre vor Rom, erbaut 1). Gewiß iſt es auch daß ſie vor Alters ein ſehr weites Land bewohnten: außer dem welches Umbrien blieb wahrſcheinlich, wie ſchon geſagt iſt, das ſuͤdliche Etrurien; und, nach beſtimmten roͤmi- ſchen Sagen, die Landſchaft welche die Sabiner zwiſchen dem Apenninus und der Tiber einnahmen. Auf dem nord- oͤſtlichen Abhang des Gebirgs gegen das obere Meer und den Padus ſollen ſie ſich als Eroberer ausgebreitet, und die Liburner von der Kuͤſte vertrieben haben: von dieſem illyriſchen Volk hatte ſich in Catos Zeitalter (denn Pli- nius, der ihm im Allgemeinen folgt, redet hier wohl mit einem Ausdruck der, nach der großen Voͤlkerzerruͤttung, in ſeinen Tagen nicht mehr paſſend war) die Buͤrgerſchaft von Truentum erhalten 2); ſo daß dieſe Illyrier einſt die ganze Kuͤſte vom Padus bis an die Graͤnze Apuliens be- wohnt zu haben ſcheinen; auf deren groͤßter Ausdehnung ſie von Sabiniſchen Voͤlkern uͤberwaͤltigt oder ausgerot- tet ſind.
Unſre Geſchichte findet die Umbrer eingeſchraͤnkt auf das linke Ufer der Tiber: am Meer wenige Orte, theils wie Ravenna durch ſeine Lagunen, theils durch Zins- zahlung an die Gallier, ihnen erhalten. Der Grie-
1) Plinius, Hist. Nat. III. c. 19.
2) Derſelbe, c. 18.
Erſter Theil. G
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Ohne dieſes Spiel der Worterklaͤrung zu beachten, iſt es
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der Oenotrer, groß waren, und mit Recht das aͤlteſte
Volk Italiens genannt werden. Ihre Stadt Ameria war
nach Cato 964 Jahre vor dem perſeiſchen Kriege, oder
381 Jahre vor Rom, erbaut 1). Gewiß iſt es auch daß
ſie vor Alters ein ſehr weites Land bewohnten: außer dem
welches Umbrien blieb wahrſcheinlich, wie ſchon geſagt
iſt, das ſuͤdliche Etrurien; und, nach beſtimmten roͤmi-
ſchen Sagen, die Landſchaft welche die Sabiner zwiſchen
dem Apenninus und der Tiber einnahmen. Auf dem nord-
oͤſtlichen Abhang des Gebirgs gegen das obere Meer und
den Padus ſollen ſie ſich als Eroberer ausgebreitet, und
die Liburner von der Kuͤſte vertrieben haben: von dieſem
illyriſchen Volk hatte ſich in Catos Zeitalter (denn Pli-
nius, der ihm im Allgemeinen folgt, redet hier wohl mit
einem Ausdruck der, nach der großen Voͤlkerzerruͤttung,
in ſeinen Tagen nicht mehr paſſend war) die Buͤrgerſchaft
von Truentum erhalten 2); ſo daß dieſe Illyrier einſt die
ganze Kuͤſte vom Padus bis an die Graͤnze Apuliens be-
wohnt zu haben ſcheinen; auf deren groͤßter Ausdehnung
ſie von Sabiniſchen Voͤlkern uͤberwaͤltigt oder ausgerot-
tet ſind.
Unſre Geſchichte findet die Umbrer eingeſchraͤnkt auf
das linke Ufer der Tiber: am Meer wenige Orte, theils
wie Ravenna durch ſeine Lagunen, theils durch Zins-
zahlung an die Gallier, ihnen erhalten. Der Grie-
1) Plinius, Hist. Nat. III. c. 19.
2) Derſelbe, c. 18.
Erſter Theil. G
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/119>, abgerufen am 24.11.2024.
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