Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite
Schluß.

Niemand kann an den Ströhmen der Stämme des
jetzigen Menschengeschlechts bis zu ihren Quellen hinauf-
steigen; noch weniger die Kluft überschauen welche dort
die Ordnung zu der wir und die Geschichte gehören von
einer früheren trennt. Daß ein älteres Menschengeschlecht
untergegangen sey ist ein Glaube aller Volkssagen, den
die griechischen Philosophen theilten und hegten: daß es
sehr verschieden war von dem jetzigen ist schon darum
wahrscheinlich weil dieses alsdann ein andres ist; oder
war es keine neue Schöpfung sondern errettet aus weit
verbreitetem Untergang, die Zerstörung nicht ohne tief
wirkende Ursachen ausbrach, noch ohne gleiche Folgen
blieb: daß jenes Geschlecht Werke hinterließ die auch Na-
turverwüstungen bestehen konnten, ist nicht unmöglich.
Auch ist die Meinung, welche die aus ungeheuern rohen
Felsstücken zusammengefügten Mauern der sogenannten
cyclopischen Städte von Präneste bis Alba im Marser-
lande, wo die Pfosten der Stadtthore aus einzelnen Stei-
nen bestehen, einem Riesengeschlecht zuschreibt, wie die
Erbauung der ganz ähnlichen Mauern von Tiryns, eine
Aeußerung des unbefangenen Verstandes, wie die des
Volks unsrer friesischen Landschaften, welches in den co-
lossalischen Altären die, mehr oder weniger erhalten, so
weit unser Volksstamm ehemals wohnte, angetroffen wer-
den, Riesenwerke zu sehen glaubt. Den Völkern welche
unsre Geschichte in Latium kennt müssen wir auf jeden Fall
diese Werke, welche die Kräfte einer zahlreichen, zum
Frohn für gebotene Unternehmungen geheiligter Herrscher

verpflich-
Schluß.

Niemand kann an den Stroͤhmen der Staͤmme des
jetzigen Menſchengeſchlechts bis zu ihren Quellen hinauf-
ſteigen; noch weniger die Kluft uͤberſchauen welche dort
die Ordnung zu der wir und die Geſchichte gehoͤren von
einer fruͤheren trennt. Daß ein aͤlteres Menſchengeſchlecht
untergegangen ſey iſt ein Glaube aller Volksſagen, den
die griechiſchen Philoſophen theilten und hegten: daß es
ſehr verſchieden war von dem jetzigen iſt ſchon darum
wahrſcheinlich weil dieſes alsdann ein andres iſt; oder
war es keine neue Schoͤpfung ſondern errettet aus weit
verbreitetem Untergang, die Zerſtoͤrung nicht ohne tief
wirkende Urſachen ausbrach, noch ohne gleiche Folgen
blieb: daß jenes Geſchlecht Werke hinterließ die auch Na-
turverwuͤſtungen beſtehen konnten, iſt nicht unmoͤglich.
Auch iſt die Meinung, welche die aus ungeheuern rohen
Felsſtuͤcken zuſammengefuͤgten Mauern der ſogenannten
cyclopiſchen Staͤdte von Praͤneſte bis Alba im Marſer-
lande, wo die Pfoſten der Stadtthore aus einzelnen Stei-
nen beſtehen, einem Rieſengeſchlecht zuſchreibt, wie die
Erbauung der ganz aͤhnlichen Mauern von Tiryns, eine
Aeußerung des unbefangenen Verſtandes, wie die des
Volks unſrer frieſiſchen Landſchaften, welches in den co-
loſſaliſchen Altaͤren die, mehr oder weniger erhalten, ſo
weit unſer Volksſtamm ehemals wohnte, angetroffen wer-
den, Rieſenwerke zu ſehen glaubt. Den Voͤlkern welche
unſre Geſchichte in Latium kennt muͤſſen wir auf jeden Fall
dieſe Werke, welche die Kraͤfte einer zahlreichen, zum
Frohn fuͤr gebotene Unternehmungen geheiligter Herrſcher

verpflich-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0134" n="112"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Schluß</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p>Niemand kann an den Stro&#x0364;hmen der Sta&#x0364;mme des<lb/>
jetzigen Men&#x017F;chenge&#x017F;chlechts bis zu ihren Quellen hinauf-<lb/>
&#x017F;teigen; noch weniger die Kluft u&#x0364;ber&#x017F;chauen welche dort<lb/>
die Ordnung zu der wir und die Ge&#x017F;chichte geho&#x0364;ren von<lb/>
einer fru&#x0364;heren trennt. Daß ein a&#x0364;lteres Men&#x017F;chenge&#x017F;chlecht<lb/>
untergegangen &#x017F;ey i&#x017F;t ein Glaube aller Volks&#x017F;agen, den<lb/>
die griechi&#x017F;chen Philo&#x017F;ophen theilten und hegten: daß es<lb/>
&#x017F;ehr ver&#x017F;chieden war von dem jetzigen i&#x017F;t &#x017F;chon darum<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich weil die&#x017F;es alsdann ein andres i&#x017F;t; oder<lb/>
war es keine neue Scho&#x0364;pfung &#x017F;ondern errettet aus weit<lb/>
verbreitetem Untergang, die Zer&#x017F;to&#x0364;rung nicht ohne tief<lb/>
wirkende Ur&#x017F;achen ausbrach, noch ohne gleiche Folgen<lb/>
blieb: daß jenes Ge&#x017F;chlecht Werke hinterließ die auch Na-<lb/>
turverwu&#x0364;&#x017F;tungen be&#x017F;tehen konnten, i&#x017F;t nicht unmo&#x0364;glich.<lb/>
Auch i&#x017F;t die Meinung, welche die aus ungeheuern rohen<lb/>
Fels&#x017F;tu&#x0364;cken zu&#x017F;ammengefu&#x0364;gten Mauern der &#x017F;ogenannten<lb/>
cyclopi&#x017F;chen Sta&#x0364;dte von Pra&#x0364;ne&#x017F;te bis Alba im Mar&#x017F;er-<lb/>
lande, wo die Pfo&#x017F;ten der Stadtthore aus einzelnen Stei-<lb/>
nen be&#x017F;tehen, einem Rie&#x017F;enge&#x017F;chlecht zu&#x017F;chreibt, wie die<lb/>
Erbauung der ganz a&#x0364;hnlichen Mauern von Tiryns, eine<lb/>
Aeußerung des unbefangenen Ver&#x017F;tandes, wie die des<lb/>
Volks un&#x017F;rer frie&#x017F;i&#x017F;chen Land&#x017F;chaften, welches in den co-<lb/>
lo&#x017F;&#x017F;ali&#x017F;chen Alta&#x0364;ren die, mehr oder weniger erhalten, &#x017F;o<lb/>
weit un&#x017F;er Volks&#x017F;tamm ehemals wohnte, angetroffen wer-<lb/>
den, Rie&#x017F;enwerke zu &#x017F;ehen glaubt. Den Vo&#x0364;lkern welche<lb/>
un&#x017F;re Ge&#x017F;chichte in Latium kennt mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir auf jeden Fall<lb/>
die&#x017F;e Werke, welche die Kra&#x0364;fte einer zahlreichen, zum<lb/>
Frohn fu&#x0364;r gebotene Unternehmungen geheiligter Herr&#x017F;cher<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">verpflich-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0134] Schluß. Niemand kann an den Stroͤhmen der Staͤmme des jetzigen Menſchengeſchlechts bis zu ihren Quellen hinauf- ſteigen; noch weniger die Kluft uͤberſchauen welche dort die Ordnung zu der wir und die Geſchichte gehoͤren von einer fruͤheren trennt. Daß ein aͤlteres Menſchengeſchlecht untergegangen ſey iſt ein Glaube aller Volksſagen, den die griechiſchen Philoſophen theilten und hegten: daß es ſehr verſchieden war von dem jetzigen iſt ſchon darum wahrſcheinlich weil dieſes alsdann ein andres iſt; oder war es keine neue Schoͤpfung ſondern errettet aus weit verbreitetem Untergang, die Zerſtoͤrung nicht ohne tief wirkende Urſachen ausbrach, noch ohne gleiche Folgen blieb: daß jenes Geſchlecht Werke hinterließ die auch Na- turverwuͤſtungen beſtehen konnten, iſt nicht unmoͤglich. Auch iſt die Meinung, welche die aus ungeheuern rohen Felsſtuͤcken zuſammengefuͤgten Mauern der ſogenannten cyclopiſchen Staͤdte von Praͤneſte bis Alba im Marſer- lande, wo die Pfoſten der Stadtthore aus einzelnen Stei- nen beſtehen, einem Rieſengeſchlecht zuſchreibt, wie die Erbauung der ganz aͤhnlichen Mauern von Tiryns, eine Aeußerung des unbefangenen Verſtandes, wie die des Volks unſrer frieſiſchen Landſchaften, welches in den co- loſſaliſchen Altaͤren die, mehr oder weniger erhalten, ſo weit unſer Volksſtamm ehemals wohnte, angetroffen wer- den, Rieſenwerke zu ſehen glaubt. Den Voͤlkern welche unſre Geſchichte in Latium kennt muͤſſen wir auf jeden Fall dieſe Werke, welche die Kraͤfte einer zahlreichen, zum Frohn fuͤr gebotene Unternehmungen geheiligter Herrſcher verpflich-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/134
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/134>, abgerufen am 21.11.2024.