versäumt zu haben. Hätte ich aber auch, ohne daß dieser Verdruß zu bekämpfen gewesen wäre, mit voll- ständigen Vorarbeiten, die Ausführung des Werks vom Anfang beginnen können, so würde ich dennoch geglaubt haben den Plan vorziehen zu müssen, wel- cher sich jetzt fast unwillkührlich gebildet und erhalten hat. Die entscheidenden Gründe sind an einer Stelle dieses Werks selbst angedeutet: vielleicht ist es hier noch eigentlicher der gebührende Ort sie vorzutragen.
Die Geschichte der vier ersten Jahrhunderte Roms ist anerkannt ungewiß und verfälscht. Es wäre sehr thöricht deswegen Livius zu tadeln daß er sie dennoch, wenige Zweifel ausgenommen, als rein- historisch dargestellt hat: die Vortrefflichkeit seiner Erzählung macht seine Rechtfertigung, und auch in dieser Hinsicht war es sehr richtig ihn mit Herodot zu vergleichen. Wir aber haben eine andre Ansicht der Historie, andre Forderungen: und wir müssen es entweder nicht unternehmen die älteste Geschichte Roms zu schreiben, oder eine ganz andre Arbeit un- ternehmen als eine, nothwendig mißlingende, Nach- erzählung dessen, was der römische Historiker zum Glauben der Geschichte erhob. Wir müssen uns be- mühen Gedicht und Verfälschung zu scheiden, und den Blick anstrengen um die Züge der Wahrheit, be- freyt von jenen Uebertünchungen, zu erkennen. Je-
verſaͤumt zu haben. Haͤtte ich aber auch, ohne daß dieſer Verdruß zu bekaͤmpfen geweſen waͤre, mit voll- ſtaͤndigen Vorarbeiten, die Ausfuͤhrung des Werks vom Anfang beginnen koͤnnen, ſo wuͤrde ich dennoch geglaubt haben den Plan vorziehen zu muͤſſen, wel- cher ſich jetzt faſt unwillkuͤhrlich gebildet und erhalten hat. Die entſcheidenden Gruͤnde ſind an einer Stelle dieſes Werks ſelbſt angedeutet: vielleicht iſt es hier noch eigentlicher der gebuͤhrende Ort ſie vorzutragen.
Die Geſchichte der vier erſten Jahrhunderte Roms iſt anerkannt ungewiß und verfaͤlſcht. Es waͤre ſehr thoͤricht deswegen Livius zu tadeln daß er ſie dennoch, wenige Zweifel ausgenommen, als rein- hiſtoriſch dargeſtellt hat: die Vortrefflichkeit ſeiner Erzaͤhlung macht ſeine Rechtfertigung, und auch in dieſer Hinſicht war es ſehr richtig ihn mit Herodot zu vergleichen. Wir aber haben eine andre Anſicht der Hiſtorie, andre Forderungen: und wir muͤſſen es entweder nicht unternehmen die aͤlteſte Geſchichte Roms zu ſchreiben, oder eine ganz andre Arbeit un- ternehmen als eine, nothwendig mißlingende, Nach- erzaͤhlung deſſen, was der roͤmiſche Hiſtoriker zum Glauben der Geſchichte erhob. Wir muͤſſen uns be- muͤhen Gedicht und Verfaͤlſchung zu ſcheiden, und den Blick anſtrengen um die Zuͤge der Wahrheit, be- freyt von jenen Uebertuͤnchungen, zu erkennen. Je-
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[IX/0015]
verſaͤumt zu haben. Haͤtte ich aber auch, ohne daß
dieſer Verdruß zu bekaͤmpfen geweſen waͤre, mit voll-
ſtaͤndigen Vorarbeiten, die Ausfuͤhrung des Werks
vom Anfang beginnen koͤnnen, ſo wuͤrde ich dennoch
geglaubt haben den Plan vorziehen zu muͤſſen, wel-
cher ſich jetzt faſt unwillkuͤhrlich gebildet und erhalten
hat. Die entſcheidenden Gruͤnde ſind an einer Stelle
dieſes Werks ſelbſt angedeutet: vielleicht iſt es hier
noch eigentlicher der gebuͤhrende Ort ſie vorzutragen.
Die Geſchichte der vier erſten Jahrhunderte
Roms iſt anerkannt ungewiß und verfaͤlſcht. Es
waͤre ſehr thoͤricht deswegen Livius zu tadeln daß er
ſie dennoch, wenige Zweifel ausgenommen, als rein-
hiſtoriſch dargeſtellt hat: die Vortrefflichkeit ſeiner
Erzaͤhlung macht ſeine Rechtfertigung, und auch in
dieſer Hinſicht war es ſehr richtig ihn mit Herodot zu
vergleichen. Wir aber haben eine andre Anſicht der
Hiſtorie, andre Forderungen: und wir muͤſſen es
entweder nicht unternehmen die aͤlteſte Geſchichte
Roms zu ſchreiben, oder eine ganz andre Arbeit un-
ternehmen als eine, nothwendig mißlingende, Nach-
erzaͤhlung deſſen, was der roͤmiſche Hiſtoriker zum
Glauben der Geſchichte erhob. Wir muͤſſen uns be-
muͤhen Gedicht und Verfaͤlſchung zu ſcheiden, und
den Blick anſtrengen um die Zuͤge der Wahrheit, be-
freyt von jenen Uebertuͤnchungen, zu erkennen. Je-
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/15>, abgerufen am 21.11.2024.
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