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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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dieser Wüste in fruchtbare Gegenden ziehen, und eine
glänzende Stadt gründen 73).

Die Aboriginer rüsteten sich um den Fremden die
Niederlassung zu wehren. Aber ihr König Latinus wagte
es nicht mit einem Haufen nur allein mit Stöcken und
Steinen bewaffneter und mit Fellen geschirmter, ein gerü-
stetes Heer anzugreifen; er bot den Trojanern Friede und
Aufnahme. Die Feldmark welche er ihnen einräumte,
zwischen Laurentum und ihrem Lager, maaß nur sieben-
hundert Jugern; ein Bezirk der in den Zeiten der reinsten
Sitte nur hundert römischen Familien genügt haben
würde. Aeneas vermählte sich mit Lavinia, des Königs
Tochter. Von Launa, Euanders Tochter, Herakles ver-
mählt, ist schon geredet: die Mythographen nannten auch
eine Delierin, Aeneas Gattin, welche an diesem Ufer gestor-
ben sey, und Lavinium ihren Nahmen hinterlassen habe.

Der Fürstin Amata Haß erregte den Troern einen
Krieg mit den Rutulern; aus diesem entstand ein weit
gefährlicherer mit ihrem Oberherrn dem Etrusker Mezen-
tius. Latinus fand den Tod in einer Schlacht; ihm folgte
Aeneas als Erbe in der Herrschaft über das unter dem
Nahmen der Latiner vereinigte Volk der Aboriginer und
Trojaner. Auch Aeneas fiel in diesem Kriege, er verließ
die Erde um als Jupiter Indiges verehrt zu werden.

73) Nach andern Römern bezeichnete die Zahl der geworfenen
Jungen die Zahl der Städte welche in Latium von der er-
sten Colonie ausgehen sollten, und diese Gestalt der Sage
bildet Lykophron aus (v. 1253 -- 60.). Eine Wölfin und
ein Specht kommen auch in dem Mythus von Laviniums
Gründung vor, wie in dem von Romulus.

dieſer Wuͤſte in fruchtbare Gegenden ziehen, und eine
glaͤnzende Stadt gruͤnden 73).

Die Aboriginer ruͤſteten ſich um den Fremden die
Niederlaſſung zu wehren. Aber ihr Koͤnig Latinus wagte
es nicht mit einem Haufen nur allein mit Stoͤcken und
Steinen bewaffneter und mit Fellen geſchirmter, ein geruͤ-
ſtetes Heer anzugreifen; er bot den Trojanern Friede und
Aufnahme. Die Feldmark welche er ihnen einraͤumte,
zwiſchen Laurentum und ihrem Lager, maaß nur ſieben-
hundert Jugern; ein Bezirk der in den Zeiten der reinſten
Sitte nur hundert roͤmiſchen Familien genuͤgt haben
wuͤrde. Aeneas vermaͤhlte ſich mit Lavinia, des Koͤnigs
Tochter. Von Launa, Euanders Tochter, Herakles ver-
maͤhlt, iſt ſchon geredet: die Mythographen nannten auch
eine Delierin, Aeneas Gattin, welche an dieſem Ufer geſtor-
ben ſey, und Lavinium ihren Nahmen hinterlaſſen habe.

Der Fuͤrſtin Amata Haß erregte den Troern einen
Krieg mit den Rutulern; aus dieſem entſtand ein weit
gefaͤhrlicherer mit ihrem Oberherrn dem Etrusker Mezen-
tius. Latinus fand den Tod in einer Schlacht; ihm folgte
Aeneas als Erbe in der Herrſchaft uͤber das unter dem
Nahmen der Latiner vereinigte Volk der Aboriginer und
Trojaner. Auch Aeneas fiel in dieſem Kriege, er verließ
die Erde um als Jupiter Indiges verehrt zu werden.

73) Nach andern Roͤmern bezeichnete die Zahl der geworfenen
Jungen die Zahl der Staͤdte welche in Latium von der er-
ſten Colonie ausgehen ſollten, und dieſe Geſtalt der Sage
bildet Lykophron aus (v. 1253 — 60.). Eine Woͤlfin und
ein Specht kommen auch in dem Mythus von Laviniums
Gruͤndung vor, wie in dem von Romulus.
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[137/0159] dieſer Wuͤſte in fruchtbare Gegenden ziehen, und eine glaͤnzende Stadt gruͤnden 73). Die Aboriginer ruͤſteten ſich um den Fremden die Niederlaſſung zu wehren. Aber ihr Koͤnig Latinus wagte es nicht mit einem Haufen nur allein mit Stoͤcken und Steinen bewaffneter und mit Fellen geſchirmter, ein geruͤ- ſtetes Heer anzugreifen; er bot den Trojanern Friede und Aufnahme. Die Feldmark welche er ihnen einraͤumte, zwiſchen Laurentum und ihrem Lager, maaß nur ſieben- hundert Jugern; ein Bezirk der in den Zeiten der reinſten Sitte nur hundert roͤmiſchen Familien genuͤgt haben wuͤrde. Aeneas vermaͤhlte ſich mit Lavinia, des Koͤnigs Tochter. Von Launa, Euanders Tochter, Herakles ver- maͤhlt, iſt ſchon geredet: die Mythographen nannten auch eine Delierin, Aeneas Gattin, welche an dieſem Ufer geſtor- ben ſey, und Lavinium ihren Nahmen hinterlaſſen habe. Der Fuͤrſtin Amata Haß erregte den Troern einen Krieg mit den Rutulern; aus dieſem entſtand ein weit gefaͤhrlicherer mit ihrem Oberherrn dem Etrusker Mezen- tius. Latinus fand den Tod in einer Schlacht; ihm folgte Aeneas als Erbe in der Herrſchaft uͤber das unter dem Nahmen der Latiner vereinigte Volk der Aboriginer und Trojaner. Auch Aeneas fiel in dieſem Kriege, er verließ die Erde um als Jupiter Indiges verehrt zu werden. 73) Nach andern Roͤmern bezeichnete die Zahl der geworfenen Jungen die Zahl der Staͤdte welche in Latium von der er- ſten Colonie ausgehen ſollten, und dieſe Geſtalt der Sage bildet Lykophron aus (v. 1253 — 60.). Eine Woͤlfin und ein Specht kommen auch in dem Mythus von Laviniums Gruͤndung vor, wie in dem von Romulus.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/159>, abgerufen am 24.11.2024.