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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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rief, und sich durch angezündete Strohfeuer reinigte; wie
unsre Vorfahren Mayfeuer anzündeten.

Romulus, nun schon König, zog eine Furche, den
Umkreis der Mauern zu bezeichnen, mit einem Pfluge be-
spannt mit einem Stier und einer Kuh: die Stadt begriff
nur den Palatinischen Berg; ihre Form war, soweit es
der Boden zuließ, ein Viereck. Diese Gestalt gaben auch
die späten Römer neuerbauten Städten, wenn die Lage
es zuließ, immer ihren Feldlägern und den Abtheilungen
der Feldmarken. Im Mittelpunkt der Stadt ward, wie
da wo die Gränzsteine eingesenkt werden sollten, eine
Grube gegraben und mit Korn und Früchten gefüllt:
dieser Ort ward Mundus genannt, und war an drey ver-
schiedenen Tagen des Jahrs das geöffnete Thor der Unter-
welt für die abgeschiedenen Geister 96).

Remus ertrug das erlittene Unrecht murrend. Als
er spottend über den schmalen Graben oder den niedrigen
Wall sprang, erschlug ihn Celer, ohne in Romulus Zorn
oder Kummer zu erwecken. Zu der späteren Ausbildung
der Fabel, welche die alte bescheidene Sage zu großen
Vorfällen und Zahlen ausdehnte, gehört die Erzählung,
er sey in einer sehr blutigen Bürgerschlacht gegen Romu-
lus gefallen, weil er und die seinigen bey der Gültigkeit
seines Auguriums beharrten.

Eine solche sehr junge Verfälschung sind die Zahlen
der Römer welche nach dieser Schlacht Romulus von einer
weit größeren Menge übriggeblieben seyn sollen, und die
des Heers welches er den Sabinern entgegenstellte. Man

96) Plutarch, in Romulo, p. 23. D. Festus s. v. mundus.

rief, und ſich durch angezuͤndete Strohfeuer reinigte; wie
unſre Vorfahren Mayfeuer anzuͤndeten.

Romulus, nun ſchon Koͤnig, zog eine Furche, den
Umkreis der Mauern zu bezeichnen, mit einem Pfluge be-
ſpannt mit einem Stier und einer Kuh: die Stadt begriff
nur den Palatiniſchen Berg; ihre Form war, ſoweit es
der Boden zuließ, ein Viereck. Dieſe Geſtalt gaben auch
die ſpaͤten Roͤmer neuerbauten Staͤdten, wenn die Lage
es zuließ, immer ihren Feldlaͤgern und den Abtheilungen
der Feldmarken. Im Mittelpunkt der Stadt ward, wie
da wo die Graͤnzſteine eingeſenkt werden ſollten, eine
Grube gegraben und mit Korn und Fruͤchten gefuͤllt:
dieſer Ort ward Mundus genannt, und war an drey ver-
ſchiedenen Tagen des Jahrs das geoͤffnete Thor der Unter-
welt fuͤr die abgeſchiedenen Geiſter 96).

Remus ertrug das erlittene Unrecht murrend. Als
er ſpottend uͤber den ſchmalen Graben oder den niedrigen
Wall ſprang, erſchlug ihn Celer, ohne in Romulus Zorn
oder Kummer zu erwecken. Zu der ſpaͤteren Ausbildung
der Fabel, welche die alte beſcheidene Sage zu großen
Vorfaͤllen und Zahlen ausdehnte, gehoͤrt die Erzaͤhlung,
er ſey in einer ſehr blutigen Buͤrgerſchlacht gegen Romu-
lus gefallen, weil er und die ſeinigen bey der Guͤltigkeit
ſeines Auguriums beharrten.

Eine ſolche ſehr junge Verfaͤlſchung ſind die Zahlen
der Roͤmer welche nach dieſer Schlacht Romulus von einer
weit groͤßeren Menge uͤbriggeblieben ſeyn ſollen, und die
des Heers welches er den Sabinern entgegenſtellte. Man

96) Plutarch, in Romulo, p. 23. D. Feſtus s. v. mundus.
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[157/0179] rief, und ſich durch angezuͤndete Strohfeuer reinigte; wie unſre Vorfahren Mayfeuer anzuͤndeten. Romulus, nun ſchon Koͤnig, zog eine Furche, den Umkreis der Mauern zu bezeichnen, mit einem Pfluge be- ſpannt mit einem Stier und einer Kuh: die Stadt begriff nur den Palatiniſchen Berg; ihre Form war, ſoweit es der Boden zuließ, ein Viereck. Dieſe Geſtalt gaben auch die ſpaͤten Roͤmer neuerbauten Staͤdten, wenn die Lage es zuließ, immer ihren Feldlaͤgern und den Abtheilungen der Feldmarken. Im Mittelpunkt der Stadt ward, wie da wo die Graͤnzſteine eingeſenkt werden ſollten, eine Grube gegraben und mit Korn und Fruͤchten gefuͤllt: dieſer Ort ward Mundus genannt, und war an drey ver- ſchiedenen Tagen des Jahrs das geoͤffnete Thor der Unter- welt fuͤr die abgeſchiedenen Geiſter 96). Remus ertrug das erlittene Unrecht murrend. Als er ſpottend uͤber den ſchmalen Graben oder den niedrigen Wall ſprang, erſchlug ihn Celer, ohne in Romulus Zorn oder Kummer zu erwecken. Zu der ſpaͤteren Ausbildung der Fabel, welche die alte beſcheidene Sage zu großen Vorfaͤllen und Zahlen ausdehnte, gehoͤrt die Erzaͤhlung, er ſey in einer ſehr blutigen Buͤrgerſchlacht gegen Romu- lus gefallen, weil er und die ſeinigen bey der Guͤltigkeit ſeines Auguriums beharrten. Eine ſolche ſehr junge Verfaͤlſchung ſind die Zahlen der Roͤmer welche nach dieſer Schlacht Romulus von einer weit groͤßeren Menge uͤbriggeblieben ſeyn ſollen, und die des Heers welches er den Sabinern entgegenſtellte. Man 96) Plutarch, in Romulo, p. 23. D. Feſtus s. v. mundus.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/179>, abgerufen am 21.11.2024.