Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

die Sabiner zu erwarten welche zögerten bis alle drey,
eine nach der andern, gefallen waren 3).

Endlich führte Titus Tatius, der Sabiner König, ein
mächtiges Heer gegen Rom. Romulus, unfähig im
Felde zu widerstehen, obgleich seine Macht durch einen
etruskischen Lucumo, der auch unter dem Nahmen Cälius
Vibennus verdoppelt wird, welcher sich mit den seinigen
zu Rom niedergelassen hatte, vermehrt war, wich in die
Stadt zurück, der gegenüber der Saturnische Berg,
nachmals der Capitolinische, um Heerden und Flüchtlinge
zu bergen, befestigt und besetzt war. Ein Thal, theils von
Sumpf und See bedeckt, das Forum der Stadt, trennte
beyde Berge. Liebe für den feindlichen Heerführer, wie
sie die Tochter des Nisus verlockte, oder Geiz nach dem
Golde womit die Sabiner an Armgeschmeide und Halsket-
ten geschmückt waren, verführte Tarpeja den Feinden ein
Thor der Festung zu öffnen, welche dem Befehl ihres Va-
ters anvertraut war: ein Frevel den diese selbst mit ihrem
Tode straften 4). Jetzt ward das Forum der Kampfplatz

3) Akron, des Cäninischen Königs Nahme, ist so reingriechisch
daß er sich sogar mit einer sehr alten Dichtung nicht ver-
einigen läßt.
4) L. Piso, der um die Zeit des Tribunen Tib. Gracchus
schrieb, ein sehr achtungswerther Mann, der aber vielleicht
zuerst die alten Dichtungen durch eine verfehlte historische
Behandlung entstellte, ein Unternehmen welches um so mehr
mißlang mit je geringerer Fähigkeit er es ausführte; machte
die feile Verrätherinn zu einer, freylich unfinnigen, und auch
unglücklichen Heldinn für das Vaterland. Denn nach ihm rech-
nete sie auf Tatius Eid, sie solle empfangen was seine Sabi-
Erster Theil. L

die Sabiner zu erwarten welche zoͤgerten bis alle drey,
eine nach der andern, gefallen waren 3).

Endlich fuͤhrte Titus Tatius, der Sabiner Koͤnig, ein
maͤchtiges Heer gegen Rom. Romulus, unfaͤhig im
Felde zu widerſtehen, obgleich ſeine Macht durch einen
etruskiſchen Lucumo, der auch unter dem Nahmen Caͤlius
Vibennus verdoppelt wird, welcher ſich mit den ſeinigen
zu Rom niedergelaſſen hatte, vermehrt war, wich in die
Stadt zuruͤck, der gegenuͤber der Saturniſche Berg,
nachmals der Capitoliniſche, um Heerden und Fluͤchtlinge
zu bergen, befeſtigt und beſetzt war. Ein Thal, theils von
Sumpf und See bedeckt, das Forum der Stadt, trennte
beyde Berge. Liebe fuͤr den feindlichen Heerfuͤhrer, wie
ſie die Tochter des Niſus verlockte, oder Geiz nach dem
Golde womit die Sabiner an Armgeſchmeide und Halsket-
ten geſchmuͤckt waren, verfuͤhrte Tarpeja den Feinden ein
Thor der Feſtung zu oͤffnen, welche dem Befehl ihres Va-
ters anvertraut war: ein Frevel den dieſe ſelbſt mit ihrem
Tode ſtraften 4). Jetzt ward das Forum der Kampfplatz

3) Akron, des Caͤniniſchen Koͤnigs Nahme, iſt ſo reingriechiſch
daß er ſich ſogar mit einer ſehr alten Dichtung nicht ver-
einigen laͤßt.
4) L. Piſo, der um die Zeit des Tribunen Tib. Gracchus
ſchrieb, ein ſehr achtungswerther Mann, der aber vielleicht
zuerſt die alten Dichtungen durch eine verfehlte hiſtoriſche
Behandlung entſtellte, ein Unternehmen welches um ſo mehr
mißlang mit je geringerer Faͤhigkeit er es ausfuͤhrte; machte
die feile Verraͤtherinn zu einer, freylich unfinnigen, und auch
ungluͤcklichen Heldinn fuͤr das Vaterland. Denn nach ihm rech-
nete ſie auf Tatius Eid, ſie ſolle empfangen was ſeine Sabi-
Erſter Theil. L
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0183" n="161"/>
die Sabiner zu erwarten welche zo&#x0364;gerten bis alle drey,<lb/>
eine nach der andern, gefallen waren <note place="foot" n="3)">Akron, des Ca&#x0364;nini&#x017F;chen Ko&#x0364;nigs Nahme, i&#x017F;t &#x017F;o reingriechi&#x017F;ch<lb/>
daß er &#x017F;ich &#x017F;ogar mit einer &#x017F;ehr alten Dichtung nicht ver-<lb/>
einigen la&#x0364;ßt.</note>.</p><lb/>
          <p>Endlich fu&#x0364;hrte Titus Tatius, der Sabiner Ko&#x0364;nig, ein<lb/>
ma&#x0364;chtiges Heer gegen Rom. Romulus, unfa&#x0364;hig im<lb/>
Felde zu wider&#x017F;tehen, obgleich &#x017F;eine Macht durch einen<lb/>
etruski&#x017F;chen Lucumo, der auch unter dem Nahmen Ca&#x0364;lius<lb/>
Vibennus verdoppelt wird, welcher &#x017F;ich mit den &#x017F;einigen<lb/>
zu Rom niedergela&#x017F;&#x017F;en hatte, vermehrt war, wich in die<lb/>
Stadt zuru&#x0364;ck, der gegenu&#x0364;ber der Saturni&#x017F;che Berg,<lb/>
nachmals der Capitolini&#x017F;che, um Heerden und Flu&#x0364;chtlinge<lb/>
zu bergen, befe&#x017F;tigt und be&#x017F;etzt war. Ein Thal, theils von<lb/>
Sumpf und See bedeckt, das Forum der Stadt, trennte<lb/>
beyde Berge. Liebe fu&#x0364;r den feindlichen Heerfu&#x0364;hrer, wie<lb/>
&#x017F;ie die Tochter des Ni&#x017F;us verlockte, oder Geiz nach dem<lb/>
Golde womit die Sabiner an Armge&#x017F;chmeide und Halsket-<lb/>
ten ge&#x017F;chmu&#x0364;ckt waren, verfu&#x0364;hrte Tarpeja den Feinden ein<lb/>
Thor der Fe&#x017F;tung zu o&#x0364;ffnen, welche dem Befehl ihres Va-<lb/>
ters anvertraut war: ein Frevel den die&#x017F;e &#x017F;elb&#x017F;t mit ihrem<lb/>
Tode &#x017F;traften <note xml:id="note-0183" next="#note-0184" place="foot" n="4)">L. Pi&#x017F;o, der um die Zeit des Tribunen Tib. Gracchus<lb/>
&#x017F;chrieb, ein &#x017F;ehr achtungswerther Mann, der aber vielleicht<lb/>
zuer&#x017F;t die alten Dichtungen durch eine verfehlte hi&#x017F;tori&#x017F;che<lb/>
Behandlung ent&#x017F;tellte, ein Unternehmen welches um &#x017F;o mehr<lb/>
mißlang mit je geringerer Fa&#x0364;higkeit er es ausfu&#x0364;hrte; machte<lb/>
die feile Verra&#x0364;therinn zu einer, freylich unfinnigen, und auch<lb/>
unglu&#x0364;cklichen Heldinn fu&#x0364;r das Vaterland. Denn nach ihm rech-<lb/>
nete &#x017F;ie auf Tatius Eid, &#x017F;ie &#x017F;olle empfangen was &#x017F;eine Sabi-</note>. Jetzt ward das Forum der Kampfplatz<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Er&#x017F;ter Theil. L</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0183] die Sabiner zu erwarten welche zoͤgerten bis alle drey, eine nach der andern, gefallen waren 3). Endlich fuͤhrte Titus Tatius, der Sabiner Koͤnig, ein maͤchtiges Heer gegen Rom. Romulus, unfaͤhig im Felde zu widerſtehen, obgleich ſeine Macht durch einen etruskiſchen Lucumo, der auch unter dem Nahmen Caͤlius Vibennus verdoppelt wird, welcher ſich mit den ſeinigen zu Rom niedergelaſſen hatte, vermehrt war, wich in die Stadt zuruͤck, der gegenuͤber der Saturniſche Berg, nachmals der Capitoliniſche, um Heerden und Fluͤchtlinge zu bergen, befeſtigt und beſetzt war. Ein Thal, theils von Sumpf und See bedeckt, das Forum der Stadt, trennte beyde Berge. Liebe fuͤr den feindlichen Heerfuͤhrer, wie ſie die Tochter des Niſus verlockte, oder Geiz nach dem Golde womit die Sabiner an Armgeſchmeide und Halsket- ten geſchmuͤckt waren, verfuͤhrte Tarpeja den Feinden ein Thor der Feſtung zu oͤffnen, welche dem Befehl ihres Va- ters anvertraut war: ein Frevel den dieſe ſelbſt mit ihrem Tode ſtraften 4). Jetzt ward das Forum der Kampfplatz 3) Akron, des Caͤniniſchen Koͤnigs Nahme, iſt ſo reingriechiſch daß er ſich ſogar mit einer ſehr alten Dichtung nicht ver- einigen laͤßt. 4) L. Piſo, der um die Zeit des Tribunen Tib. Gracchus ſchrieb, ein ſehr achtungswerther Mann, der aber vielleicht zuerſt die alten Dichtungen durch eine verfehlte hiſtoriſche Behandlung entſtellte, ein Unternehmen welches um ſo mehr mißlang mit je geringerer Faͤhigkeit er es ausfuͤhrte; machte die feile Verraͤtherinn zu einer, freylich unfinnigen, und auch ungluͤcklichen Heldinn fuͤr das Vaterland. Denn nach ihm rech- nete ſie auf Tatius Eid, ſie ſolle empfangen was ſeine Sabi- Erſter Theil. L

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/183
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/183>, abgerufen am 21.11.2024.