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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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gewiß sehr groß: und die alte Wissenschaft, wenn sie nicht
schon ganz wie für die Späteren erloschen war, lebte nur
noch in ihren Resultaten bey Etruskischen Priestern, wie
die Braminen Formeln mechanisch gebrauchen deren wis-
senschaftliche Begründung ihnen ganz unbekannt ist, und
unbegreiflich seyn würde.

Aus der wissenschaftlichen Genauigkeit folgt nun die
Brauchbarkeit dieses Jahrs als einer nicht leeren Form
neben dem schon genau geordneten bürgerlichen Jahr. Es
ist klar daß in der letzten Periode statt eines Schaltmonats
von 23 Tagen, den die Ordnung erforderte, einer von
nur 22 Tagen, intercalirt geworden seyn muß um die
Harmonie beyder Systeme zu erhalten. Die Correction
ergab sich sobald nur vom Anfang des Säculums bis zu
seinem Schluß richtig fortgezählt ward: und um diese
Harmonie frey von Verwirrung zu erhalten, war eine
äußere Form, geheiligt durch den Ort wo sie aufgestellt
war, erwählt, die, als Normirung der Zeit, vollkommen
in demselben Geist ist welcher die Limitation der Fel-
der eingab.

In Rom war es noch am Anfang des fünften Jahr-
hunderts gesetzlich herkömmliche Sitte, daß der oberste
Feldherr an den Iden des Septembers einen Nagel im
Tempel der Minerva einschlug, wozu mehrmals ein Dicta-
tor ernannt ward. Der Sinn dieser Feyerlichkeit welche
den unwissenden Späteren lächerlich schien, war schon um
die Mitte des folgenden dunkel geworden, daher Cin-
cius bemerkte, er habe ähnliche Zeichen zu Volsinii im
Tempel der Nortia gefunden: es wären Bezeichnun-

gewiß ſehr groß: und die alte Wiſſenſchaft, wenn ſie nicht
ſchon ganz wie fuͤr die Spaͤteren erloſchen war, lebte nur
noch in ihren Reſultaten bey Etruskiſchen Prieſtern, wie
die Braminen Formeln mechaniſch gebrauchen deren wiſ-
ſenſchaftliche Begruͤndung ihnen ganz unbekannt iſt, und
unbegreiflich ſeyn wuͤrde.

Aus der wiſſenſchaftlichen Genauigkeit folgt nun die
Brauchbarkeit dieſes Jahrs als einer nicht leeren Form
neben dem ſchon genau geordneten buͤrgerlichen Jahr. Es
iſt klar daß in der letzten Periode ſtatt eines Schaltmonats
von 23 Tagen, den die Ordnung erforderte, einer von
nur 22 Tagen, intercalirt geworden ſeyn muß um die
Harmonie beyder Syſteme zu erhalten. Die Correction
ergab ſich ſobald nur vom Anfang des Saͤculums bis zu
ſeinem Schluß richtig fortgezaͤhlt ward: und um dieſe
Harmonie frey von Verwirrung zu erhalten, war eine
aͤußere Form, geheiligt durch den Ort wo ſie aufgeſtellt
war, erwaͤhlt, die, als Normirung der Zeit, vollkommen
in demſelben Geiſt iſt welcher die Limitation der Fel-
der eingab.

In Rom war es noch am Anfang des fuͤnften Jahr-
hunderts geſetzlich herkoͤmmliche Sitte, daß der oberſte
Feldherr an den Iden des Septembers einen Nagel im
Tempel der Minerva einſchlug, wozu mehrmals ein Dicta-
tor ernannt ward. Der Sinn dieſer Feyerlichkeit welche
den unwiſſenden Spaͤteren laͤcherlich ſchien, war ſchon um
die Mitte des folgenden dunkel geworden, daher Cin-
cius bemerkte, er habe aͤhnliche Zeichen zu Volſinii im
Tempel der Nortia gefunden: es waͤren Bezeichnun-

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[198/0220] gewiß ſehr groß: und die alte Wiſſenſchaft, wenn ſie nicht ſchon ganz wie fuͤr die Spaͤteren erloſchen war, lebte nur noch in ihren Reſultaten bey Etruskiſchen Prieſtern, wie die Braminen Formeln mechaniſch gebrauchen deren wiſ- ſenſchaftliche Begruͤndung ihnen ganz unbekannt iſt, und unbegreiflich ſeyn wuͤrde. Aus der wiſſenſchaftlichen Genauigkeit folgt nun die Brauchbarkeit dieſes Jahrs als einer nicht leeren Form neben dem ſchon genau geordneten buͤrgerlichen Jahr. Es iſt klar daß in der letzten Periode ſtatt eines Schaltmonats von 23 Tagen, den die Ordnung erforderte, einer von nur 22 Tagen, intercalirt geworden ſeyn muß um die Harmonie beyder Syſteme zu erhalten. Die Correction ergab ſich ſobald nur vom Anfang des Saͤculums bis zu ſeinem Schluß richtig fortgezaͤhlt ward: und um dieſe Harmonie frey von Verwirrung zu erhalten, war eine aͤußere Form, geheiligt durch den Ort wo ſie aufgeſtellt war, erwaͤhlt, die, als Normirung der Zeit, vollkommen in demſelben Geiſt iſt welcher die Limitation der Fel- der eingab. In Rom war es noch am Anfang des fuͤnften Jahr- hunderts geſetzlich herkoͤmmliche Sitte, daß der oberſte Feldherr an den Iden des Septembers einen Nagel im Tempel der Minerva einſchlug, wozu mehrmals ein Dicta- tor ernannt ward. Der Sinn dieſer Feyerlichkeit welche den unwiſſenden Spaͤteren laͤcherlich ſchien, war ſchon um die Mitte des folgenden dunkel geworden, daher Cin- cius bemerkte, er habe aͤhnliche Zeichen zu Volſinii im Tempel der Nortia gefunden: es waͤren Bezeichnun-

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/220>, abgerufen am 24.11.2024.