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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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Zahl ist in den Handschriften nicht gesund) zwölf ge-
fangene Etrusker hingerichtet zu haben.

So wie nun jede Tagsangabe aus der Zeit vor der
Reformation des Kalenders nach der wahren Rechnung
einen ganz andern als den genannten Tag andeutet: so ist
es auch mit der Zahl der verfloßnen Jahre wenn ein Staat
eine andre Zeitrechnung annimmt. Die römischen Ar-
chäologen nahmen an, ursprünglich wären die Jahre der
Stadt nach zehnmonatlichen berechnet worden: die mei-
sten schrieben Numa zu, was ihnen die Einführung eines
bessern Kalenders schien. Daher scheint Cincius, wie nach
dieser Voraussetzung allerdings geschehen mußte um die
Epoche der Stiftung Roms in Beziehung auf eine andre
Aera zu bestimmen, die alten Jahre auf bürgerliche reducirt
zu haben. Rumas und Romulus Zeit würde allerdings
nur eine Differenz von 13 Jahren gewähren. Aber Ju-
nius Gracchanus, ein vorzüglicher Alterthumsforscher,
lehrte, jener Kalender sey bis auf Tarquinius (Priscus)
Zeit gebraucht geworden63). Nahm nun Cincius, ohne
sich in der fabelhaften Dunkelheit müde zu tappen an, ein
Säculum von 132 cyclischen Jahren wäre für eine gleiche
Zahl bürgerlicher gerechnet worden, und zog er daher
22 Jahre von einer Aera ab, so ist deren Anfang der Po-
lybischen gleich gewesen.

Anzunehmen Timäus sey durch eben diese cyclischen
Jahre getäuscht geworden: er habe eine Angabe in die-
sem Zeitmaaße, etwa 576 statt 480, für Mondschaltjahre
gehalten, und daher Roms Gründung bedeutend über

63) Censorinus c. 20.

Zahl iſt in den Handſchriften nicht geſund) zwoͤlf ge-
fangene Etrusker hingerichtet zu haben.

So wie nun jede Tagsangabe aus der Zeit vor der
Reformation des Kalenders nach der wahren Rechnung
einen ganz andern als den genannten Tag andeutet: ſo iſt
es auch mit der Zahl der verfloßnen Jahre wenn ein Staat
eine andre Zeitrechnung annimmt. Die roͤmiſchen Ar-
chaͤologen nahmen an, urſpruͤnglich waͤren die Jahre der
Stadt nach zehnmonatlichen berechnet worden: die mei-
ſten ſchrieben Numa zu, was ihnen die Einfuͤhrung eines
beſſern Kalenders ſchien. Daher ſcheint Cincius, wie nach
dieſer Vorausſetzung allerdings geſchehen mußte um die
Epoche der Stiftung Roms in Beziehung auf eine andre
Aera zu beſtimmen, die alten Jahre auf buͤrgerliche reducirt
zu haben. Rumas und Romulus Zeit wuͤrde allerdings
nur eine Differenz von 13 Jahren gewaͤhren. Aber Ju-
nius Gracchanus, ein vorzuͤglicher Alterthumsforſcher,
lehrte, jener Kalender ſey bis auf Tarquinius (Priſcus)
Zeit gebraucht geworden63). Nahm nun Cincius, ohne
ſich in der fabelhaften Dunkelheit muͤde zu tappen an, ein
Saͤculum von 132 cycliſchen Jahren waͤre fuͤr eine gleiche
Zahl buͤrgerlicher gerechnet worden, und zog er daher
22 Jahre von einer Aera ab, ſo iſt deren Anfang der Po-
lybiſchen gleich geweſen.

Anzunehmen Timaͤus ſey durch eben dieſe cycliſchen
Jahre getaͤuſcht geworden: er habe eine Angabe in die-
ſem Zeitmaaße, etwa 576 ſtatt 480, fuͤr Mondſchaltjahre
gehalten, und daher Roms Gruͤndung bedeutend uͤber

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[205/0227] Zahl iſt in den Handſchriften nicht geſund) zwoͤlf ge- fangene Etrusker hingerichtet zu haben. So wie nun jede Tagsangabe aus der Zeit vor der Reformation des Kalenders nach der wahren Rechnung einen ganz andern als den genannten Tag andeutet: ſo iſt es auch mit der Zahl der verfloßnen Jahre wenn ein Staat eine andre Zeitrechnung annimmt. Die roͤmiſchen Ar- chaͤologen nahmen an, urſpruͤnglich waͤren die Jahre der Stadt nach zehnmonatlichen berechnet worden: die mei- ſten ſchrieben Numa zu, was ihnen die Einfuͤhrung eines beſſern Kalenders ſchien. Daher ſcheint Cincius, wie nach dieſer Vorausſetzung allerdings geſchehen mußte um die Epoche der Stiftung Roms in Beziehung auf eine andre Aera zu beſtimmen, die alten Jahre auf buͤrgerliche reducirt zu haben. Rumas und Romulus Zeit wuͤrde allerdings nur eine Differenz von 13 Jahren gewaͤhren. Aber Ju- nius Gracchanus, ein vorzuͤglicher Alterthumsforſcher, lehrte, jener Kalender ſey bis auf Tarquinius (Priſcus) Zeit gebraucht geworden 63). Nahm nun Cincius, ohne ſich in der fabelhaften Dunkelheit muͤde zu tappen an, ein Saͤculum von 132 cycliſchen Jahren waͤre fuͤr eine gleiche Zahl buͤrgerlicher gerechnet worden, und zog er daher 22 Jahre von einer Aera ab, ſo iſt deren Anfang der Po- lybiſchen gleich geweſen. Anzunehmen Timaͤus ſey durch eben dieſe cycliſchen Jahre getaͤuſcht geworden: er habe eine Angabe in die- ſem Zeitmaaße, etwa 576 ſtatt 480, fuͤr Mondſchaltjahre gehalten, und daher Roms Gruͤndung bedeutend uͤber 63) Cenſorinus c. 20.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/227>, abgerufen am 21.11.2024.