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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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bey dieser Form gedacht werden kann. Es ist aber ein ge-
wöhnlicher Trugschluß, weil die Oligarchie wenn sie im
Kampfe mit dem Volke die Oberhand gewinnt, fortschrei-
tend usurpirt, und, weil sich bey einigen Nationen die
ihre Unabhängigkeit behauptet haben Gleichheit zu finden
scheint, so sey die ursprüngliche Verfassung allenthalben
democratisch gewesen. Allerdings ist es bey wenigen frey
und rein erhaltnen Urvölkern in sofern wahr, daß unter
ihnen die Knechtschaft stets fremd geblieben ist, und daß
ihre Edlen nur die erste Klasse der Freyen waren. Adel
aber galt auch da, wo die Nation vielleicht nie in Casten
eingetheilt gewesen ist. Wo Völkerwandrung und Erobe-
rung die Stämme gemischt haben, besteht auch von dem
Augenblick der Eroberung ein unterthäniger Stand. Die
Leibeigenschaft hat, zum Verderben der Nation, auch die
freyen Bauern durch die schnödeste Usurpation ergriffen,
weil sie gemischt unter den Besiegten wohnten: aber durch
Eroberung hat sie in ganz Deutschland, allein mit Aus-
nahme der friesischen Völker, seit anderthalbtausend Jah-
ren bestanden.

In den freyen Staaten des Alterthums wurden die
Stände der Bürger, als der Castenunterschied anfing ver-
gessen zu werden, anfänglich nach den Waffen eingetheilt
mit denen sie sich zum Krieg ausrüsteten; diese Einthei-
lung entsprach den Klassen ihres Vermögens. Der Reiche
konnte ein Pferd stellen; der Wohlhabende eine vollstän-
dige schwere Rüstung anschaffen; die Waffen und die Rü-
stung leichter Truppen waren auch für den sehr wenig be-
mittelten freyen Bürger nicht zu kostbar. Den Tagelöh-

bey dieſer Form gedacht werden kann. Es iſt aber ein ge-
woͤhnlicher Trugſchluß, weil die Oligarchie wenn ſie im
Kampfe mit dem Volke die Oberhand gewinnt, fortſchrei-
tend uſurpirt, und, weil ſich bey einigen Nationen die
ihre Unabhaͤngigkeit behauptet haben Gleichheit zu finden
ſcheint, ſo ſey die urſpruͤngliche Verfaſſung allenthalben
democratiſch geweſen. Allerdings iſt es bey wenigen frey
und rein erhaltnen Urvoͤlkern in ſofern wahr, daß unter
ihnen die Knechtſchaft ſtets fremd geblieben iſt, und daß
ihre Edlen nur die erſte Klaſſe der Freyen waren. Adel
aber galt auch da, wo die Nation vielleicht nie in Caſten
eingetheilt geweſen iſt. Wo Voͤlkerwandrung und Erobe-
rung die Staͤmme gemiſcht haben, beſteht auch von dem
Augenblick der Eroberung ein unterthaͤniger Stand. Die
Leibeigenſchaft hat, zum Verderben der Nation, auch die
freyen Bauern durch die ſchnoͤdeſte Uſurpation ergriffen,
weil ſie gemiſcht unter den Beſiegten wohnten: aber durch
Eroberung hat ſie in ganz Deutſchland, allein mit Aus-
nahme der frieſiſchen Voͤlker, ſeit anderthalbtauſend Jah-
ren beſtanden.

In den freyen Staaten des Alterthums wurden die
Staͤnde der Buͤrger, als der Caſtenunterſchied anfing ver-
geſſen zu werden, anfaͤnglich nach den Waffen eingetheilt
mit denen ſie ſich zum Krieg ausruͤſteten; dieſe Einthei-
lung entſprach den Klaſſen ihres Vermoͤgens. Der Reiche
konnte ein Pferd ſtellen; der Wohlhabende eine vollſtaͤn-
dige ſchwere Ruͤſtung anſchaffen; die Waffen und die Ruͤ-
ſtung leichter Truppen waren auch fuͤr den ſehr wenig be-
mittelten freyen Buͤrger nicht zu koſtbar. Den Tageloͤh-

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[221/0243] bey dieſer Form gedacht werden kann. Es iſt aber ein ge- woͤhnlicher Trugſchluß, weil die Oligarchie wenn ſie im Kampfe mit dem Volke die Oberhand gewinnt, fortſchrei- tend uſurpirt, und, weil ſich bey einigen Nationen die ihre Unabhaͤngigkeit behauptet haben Gleichheit zu finden ſcheint, ſo ſey die urſpruͤngliche Verfaſſung allenthalben democratiſch geweſen. Allerdings iſt es bey wenigen frey und rein erhaltnen Urvoͤlkern in ſofern wahr, daß unter ihnen die Knechtſchaft ſtets fremd geblieben iſt, und daß ihre Edlen nur die erſte Klaſſe der Freyen waren. Adel aber galt auch da, wo die Nation vielleicht nie in Caſten eingetheilt geweſen iſt. Wo Voͤlkerwandrung und Erobe- rung die Staͤmme gemiſcht haben, beſteht auch von dem Augenblick der Eroberung ein unterthaͤniger Stand. Die Leibeigenſchaft hat, zum Verderben der Nation, auch die freyen Bauern durch die ſchnoͤdeſte Uſurpation ergriffen, weil ſie gemiſcht unter den Beſiegten wohnten: aber durch Eroberung hat ſie in ganz Deutſchland, allein mit Aus- nahme der frieſiſchen Voͤlker, ſeit anderthalbtauſend Jah- ren beſtanden. In den freyen Staaten des Alterthums wurden die Staͤnde der Buͤrger, als der Caſtenunterſchied anfing ver- geſſen zu werden, anfaͤnglich nach den Waffen eingetheilt mit denen ſie ſich zum Krieg ausruͤſteten; dieſe Einthei- lung entſprach den Klaſſen ihres Vermoͤgens. Der Reiche konnte ein Pferd ſtellen; der Wohlhabende eine vollſtaͤn- dige ſchwere Ruͤſtung anſchaffen; die Waffen und die Ruͤ- ſtung leichter Truppen waren auch fuͤr den ſehr wenig be- mittelten freyen Buͤrger nicht zu koſtbar. Den Tageloͤh-

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/243>, abgerufen am 21.11.2024.