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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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der herrlichste ist worin die ursprüngliche und scharf abge-
sonderte Verschiedenheit, nach ihren vielfachen Arten in
Mittelpunkten des Lebens neben einander vereinigt, ein
Ganzes bildet. Nie hat Rom aus Lust nach scheinbarer
Symmetrie das Gebäude seiner Verfassung eingerissen
wenn es zu eng war, und sich in der Hoffnung sie wieder
zu erbauen, und wohl den Versuch zu machen ob sich der
Bau vom Dache her anfangen lasse, während alles in
Schutt zertrümmert ward, auf dem Felde gebettet: nie
hat es Pflanzungen voll Blüthen und Obst ausgerissen,
weil einzelne Bäume abgestorben waren, und der Platz
wo sie gediehen beschränkt, daß für die Erweiterung ein
entfernter gesucht werden mußte.

Servius nahm für die Verfassung der Plebejer das
Vorbild in der Verfassung der Curien: bis auf ihre Zahl:
es war keine Willkühr, sondern Anwendung einer schon
herkömmlichen Form auf eine neu entstandene Sache. Es
ist nicht Beeinträchtigung des früher Lebenden daß neben
ihm ein neues Leben erwacht: es war keine Beeinträchti-
gung der Patricier daß Servius die Freyen als Stand aus-
bildete, so wenig als im späteren Mittelalter der Barone
daß sich die Städte als Gemeinden erhoben: hier und dort
entstand eben dadurch gesicherte und gleichförmige Frey-
heit. Der Bildung des plebejischen Standes, der Ver-
einigung beyder Stände in den Centurien verdankte Rom
seine Größe, welche dadurch verzögert ward daß der Se-
nat mit kleinlichem Sinn Servius Gesetzgebung zu tilgen,
oder doch ihre Entwickelung zu hemmen strebte. Ohne
sie hätte es sich nie aus der Kindheit erheben können, oder

der herrlichſte iſt worin die urſpruͤngliche und ſcharf abge-
ſonderte Verſchiedenheit, nach ihren vielfachen Arten in
Mittelpunkten des Lebens neben einander vereinigt, ein
Ganzes bildet. Nie hat Rom aus Luſt nach ſcheinbarer
Symmetrie das Gebaͤude ſeiner Verfaſſung eingeriſſen
wenn es zu eng war, und ſich in der Hoffnung ſie wieder
zu erbauen, und wohl den Verſuch zu machen ob ſich der
Bau vom Dache her anfangen laſſe, waͤhrend alles in
Schutt zertruͤmmert ward, auf dem Felde gebettet: nie
hat es Pflanzungen voll Bluͤthen und Obſt ausgeriſſen,
weil einzelne Baͤume abgeſtorben waren, und der Platz
wo ſie gediehen beſchraͤnkt, daß fuͤr die Erweiterung ein
entfernter geſucht werden mußte.

Servius nahm fuͤr die Verfaſſung der Plebejer das
Vorbild in der Verfaſſung der Curien: bis auf ihre Zahl:
es war keine Willkuͤhr, ſondern Anwendung einer ſchon
herkoͤmmlichen Form auf eine neu entſtandene Sache. Es
iſt nicht Beeintraͤchtigung des fruͤher Lebenden daß neben
ihm ein neues Leben erwacht: es war keine Beeintraͤchti-
gung der Patricier daß Servius die Freyen als Stand aus-
bildete, ſo wenig als im ſpaͤteren Mittelalter der Barone
daß ſich die Staͤdte als Gemeinden erhoben: hier und dort
entſtand eben dadurch geſicherte und gleichfoͤrmige Frey-
heit. Der Bildung des plebejiſchen Standes, der Ver-
einigung beyder Staͤnde in den Centurien verdankte Rom
ſeine Groͤße, welche dadurch verzoͤgert ward daß der Se-
nat mit kleinlichem Sinn Servius Geſetzgebung zu tilgen,
oder doch ihre Entwickelung zu hemmen ſtrebte. Ohne
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[252/0274] der herrlichſte iſt worin die urſpruͤngliche und ſcharf abge- ſonderte Verſchiedenheit, nach ihren vielfachen Arten in Mittelpunkten des Lebens neben einander vereinigt, ein Ganzes bildet. Nie hat Rom aus Luſt nach ſcheinbarer Symmetrie das Gebaͤude ſeiner Verfaſſung eingeriſſen wenn es zu eng war, und ſich in der Hoffnung ſie wieder zu erbauen, und wohl den Verſuch zu machen ob ſich der Bau vom Dache her anfangen laſſe, waͤhrend alles in Schutt zertruͤmmert ward, auf dem Felde gebettet: nie hat es Pflanzungen voll Bluͤthen und Obſt ausgeriſſen, weil einzelne Baͤume abgeſtorben waren, und der Platz wo ſie gediehen beſchraͤnkt, daß fuͤr die Erweiterung ein entfernter geſucht werden mußte. Servius nahm fuͤr die Verfaſſung der Plebejer das Vorbild in der Verfaſſung der Curien: bis auf ihre Zahl: es war keine Willkuͤhr, ſondern Anwendung einer ſchon herkoͤmmlichen Form auf eine neu entſtandene Sache. Es iſt nicht Beeintraͤchtigung des fruͤher Lebenden daß neben ihm ein neues Leben erwacht: es war keine Beeintraͤchti- gung der Patricier daß Servius die Freyen als Stand aus- bildete, ſo wenig als im ſpaͤteren Mittelalter der Barone daß ſich die Staͤdte als Gemeinden erhoben: hier und dort entſtand eben dadurch geſicherte und gleichfoͤrmige Frey- heit. Der Bildung des plebejiſchen Standes, der Ver- einigung beyder Staͤnde in den Centurien verdankte Rom ſeine Groͤße, welche dadurch verzoͤgert ward daß der Se- nat mit kleinlichem Sinn Servius Geſetzgebung zu tilgen, oder doch ihre Entwickelung zu hemmen ſtrebte. Ohne ſie haͤtte es ſich nie aus der Kindheit erheben koͤnnen, oder

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/274>, abgerufen am 22.11.2024.