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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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ven, Heerden und Metall 31). Eben so ihre Clienten,
welche, wenn sie Handwerker waren nur nach dem Werth
armseliger Häuser, waren sie Laßbauern nur nach ihrem
wenigen Vieh zur Steuer in Anschlag kamen: wenn sie
bedeutende Capitalien besaßen, oder Handel trieben, von
allen ihrem Gewinn dem Staat nichts entrichteten. So
waren also die fünf Klassen des Königs Servius eigent-
lich fast ganz plebejisch, und die Clienten der Patricier
eben durch ihre Vorrechte in die letzte Klasse verwiesen,
denen keine Waffen anvertraut wurden: und das politi-

31) Dieses alles wird weiterhin genauer entwickelt werden.
Es schien nach den Worten keine Härte zu seyn, sondern viel-
mehr gerechte Gleichheit; in der Wahrheit aber verhielt es
sich wie mit Contributionsausschreibungen nach der Aus-
saat, [ - 2 Zeichen fehlen]lche den Bauer immer zwiefach gedrückt, und auf
schlechtem Boden ganz zu Grunde gerichtet haben.
Die attischen Classen des Solon waren darin den römi-
schen ähnlich daß auch bey diesen Grundeigenthum der Haupt-
gegenstand der Schätzung war. Aber in Athen ward, zu die-
sem Behuf, um den Rang eines Bürgers zu sondern, nur
das Eigenthum an Kornfeldern und Pflanzungen veranschlagt:
und da den Atheniensern eine von den Bürgern auf unbe-
stimmte Zeit benutzte Domaine so fremd war wie uns, so ge-
hörten die einst adlichen wohlhabenden Grundbesitzer in die
erstre Klasse: hingegen der reichste Trapezit in die letzte.
Sonst ward aber die Vermögenssteuer zu Athen nach weit ge-
rechteren Grundsätzen erhoben, und alles Eigenthum ohne
Ausnahme geschätzt, sogar die rohen Materialien in den Fa-
briken. Roms Verarmung und Schwächung bis zum Licini-
schen Gesetz ist ein höchst merkwürdiges Beyspiel von den zer-
störenden Folgen der Anwendung der Grundsteuer zur Haupt-
revenüe des Staats, und überdies einer partiellen, die ganz
auf den Producenten fiel.

ven, Heerden und Metall 31). Eben ſo ihre Clienten,
welche, wenn ſie Handwerker waren nur nach dem Werth
armſeliger Haͤuſer, waren ſie Laßbauern nur nach ihrem
wenigen Vieh zur Steuer in Anſchlag kamen: wenn ſie
bedeutende Capitalien beſaßen, oder Handel trieben, von
allen ihrem Gewinn dem Staat nichts entrichteten. So
waren alſo die fuͤnf Klaſſen des Koͤnigs Servius eigent-
lich faſt ganz plebejiſch, und die Clienten der Patricier
eben durch ihre Vorrechte in die letzte Klaſſe verwieſen,
denen keine Waffen anvertraut wurden: und das politi-

31) Dieſes alles wird weiterhin genauer entwickelt werden.
Es ſchien nach den Worten keine Haͤrte zu ſeyn, ſondern viel-
mehr gerechte Gleichheit; in der Wahrheit aber verhielt es
ſich wie mit Contributionsausſchreibungen nach der Aus-
ſaat, [ – 2 Zeichen fehlen]lche den Bauer immer zwiefach gedruͤckt, und auf
ſchlechtem Boden ganz zu Grunde gerichtet haben.
Die attiſchen Claſſen des Solon waren darin den roͤmi-
ſchen aͤhnlich daß auch bey dieſen Grundeigenthum der Haupt-
gegenſtand der Schaͤtzung war. Aber in Athen ward, zu die-
ſem Behuf, um den Rang eines Buͤrgers zu ſondern, nur
das Eigenthum an Kornfeldern und Pflanzungen veranſchlagt:
und da den Athenienſern eine von den Buͤrgern auf unbe-
ſtimmte Zeit benutzte Domaine ſo fremd war wie uns, ſo ge-
hoͤrten die einſt adlichen wohlhabenden Grundbeſitzer in die
erſtre Klaſſe: hingegen der reichſte Trapezit in die letzte.
Sonſt ward aber die Vermoͤgensſteuer zu Athen nach weit ge-
rechteren Grundſaͤtzen erhoben, und alles Eigenthum ohne
Ausnahme geſchaͤtzt, ſogar die rohen Materialien in den Fa-
briken. Roms Verarmung und Schwaͤchung bis zum Licini-
ſchen Geſetz iſt ein hoͤchſt merkwuͤrdiges Beyſpiel von den zer-
ſtoͤrenden Folgen der Anwendung der Grundſteuer zur Haupt-
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[261/0283] ven, Heerden und Metall 31). Eben ſo ihre Clienten, welche, wenn ſie Handwerker waren nur nach dem Werth armſeliger Haͤuſer, waren ſie Laßbauern nur nach ihrem wenigen Vieh zur Steuer in Anſchlag kamen: wenn ſie bedeutende Capitalien beſaßen, oder Handel trieben, von allen ihrem Gewinn dem Staat nichts entrichteten. So waren alſo die fuͤnf Klaſſen des Koͤnigs Servius eigent- lich faſt ganz plebejiſch, und die Clienten der Patricier eben durch ihre Vorrechte in die letzte Klaſſe verwieſen, denen keine Waffen anvertraut wurden: und das politi- 31) Dieſes alles wird weiterhin genauer entwickelt werden. Es ſchien nach den Worten keine Haͤrte zu ſeyn, ſondern viel- mehr gerechte Gleichheit; in der Wahrheit aber verhielt es ſich wie mit Contributionsausſchreibungen nach der Aus- ſaat, __lche den Bauer immer zwiefach gedruͤckt, und auf ſchlechtem Boden ganz zu Grunde gerichtet haben. Die attiſchen Claſſen des Solon waren darin den roͤmi- ſchen aͤhnlich daß auch bey dieſen Grundeigenthum der Haupt- gegenſtand der Schaͤtzung war. Aber in Athen ward, zu die- ſem Behuf, um den Rang eines Buͤrgers zu ſondern, nur das Eigenthum an Kornfeldern und Pflanzungen veranſchlagt: und da den Athenienſern eine von den Buͤrgern auf unbe- ſtimmte Zeit benutzte Domaine ſo fremd war wie uns, ſo ge- hoͤrten die einſt adlichen wohlhabenden Grundbeſitzer in die erſtre Klaſſe: hingegen der reichſte Trapezit in die letzte. Sonſt ward aber die Vermoͤgensſteuer zu Athen nach weit ge- rechteren Grundſaͤtzen erhoben, und alles Eigenthum ohne Ausnahme geſchaͤtzt, ſogar die rohen Materialien in den Fa- briken. Roms Verarmung und Schwaͤchung bis zum Licini- ſchen Geſetz iſt ein hoͤchſt merkwuͤrdiges Beyſpiel von den zer- ſtoͤrenden Folgen der Anwendung der Grundſteuer zur Haupt- revenuͤe des Staats, und uͤberdies einer partiellen, die ganz auf den Producenten fiel.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/283>, abgerufen am 22.11.2024.