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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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wesen. Als Jüngling hatte er in einer schon fast verlohr-
nen Schlacht eine Fahne unter die Feinde geworfen, und
die Soldaten dadurch zu einem letzten, den Sieg entschei-
denden Angriff herangeführt. Er fürchtete keine Gefahr
in der Mitte des Volks, weil er wußte von ihm habe er
keine zu besorgen, und so überraschte ihn das Verbrechen,
und das Volk rächte ihn nicht. Es opferte ihm nur Thrä-
nen; doch als der Leichenzug durch die Stadt geführt
ward, als das Ebenbild des Königs, im Pomp seiner In-
signien, hinter der Bahre herzog, da entzündeten sich alle
tugendhafte und wilde Leidenschaften bey dem erneuten
Anblick seiner Züge: Aufstand und Rache wären unauf-
haltsam ausgebrochen: aber so leichtsinnig ist das Volk
daß man es besänftigte indem dieses geliebte Antlitz ver-
hüllt ward. Doch sehr lange lebte sein Andenken fort;
und wie das Volk seinen Geburtstag an allen Ronen
feierte; denn es war ungewiß geworden in welchem Mo-
nat, aber daß er an einem Nonentage gebohren sey war
eine einstimmige Sage; wie diese Verehrung inniger ward
als die Patricier, da die consularische Verfassung befestigt
war, das Volk hart drückten; da fand der Senat es noth-
wendig festzusetzen daß die Markttage nie an den Nonen
gehalten werden sollten, damit nicht das versammelte
Landvolk, erhitzt durch gegenwärtigen Druck und das An-
denken besserer Zeiten, einen Aufstand wage, um die Mo-
narchie herzustellen 63). Vielleicht ward erst damals der
alte Kalender abgeschafft, in dem, nach etruskischer Weise,
jeder neunte Tag Geschäftstag und Markttag war.


63) Macrobius Saturnal. I. c. 13.

weſen. Als Juͤngling hatte er in einer ſchon faſt verlohr-
nen Schlacht eine Fahne unter die Feinde geworfen, und
die Soldaten dadurch zu einem letzten, den Sieg entſchei-
denden Angriff herangefuͤhrt. Er fuͤrchtete keine Gefahr
in der Mitte des Volks, weil er wußte von ihm habe er
keine zu beſorgen, und ſo uͤberraſchte ihn das Verbrechen,
und das Volk raͤchte ihn nicht. Es opferte ihm nur Thraͤ-
nen; doch als der Leichenzug durch die Stadt gefuͤhrt
ward, als das Ebenbild des Koͤnigs, im Pomp ſeiner In-
ſignien, hinter der Bahre herzog, da entzuͤndeten ſich alle
tugendhafte und wilde Leidenſchaften bey dem erneuten
Anblick ſeiner Zuͤge: Aufſtand und Rache waͤren unauf-
haltſam ausgebrochen: aber ſo leichtſinnig iſt das Volk
daß man es beſaͤnftigte indem dieſes geliebte Antlitz ver-
huͤllt ward. Doch ſehr lange lebte ſein Andenken fort;
und wie das Volk ſeinen Geburtstag an allen Ronen
feierte; denn es war ungewiß geworden in welchem Mo-
nat, aber daß er an einem Nonentage gebohren ſey war
eine einſtimmige Sage; wie dieſe Verehrung inniger ward
als die Patricier, da die conſulariſche Verfaſſung befeſtigt
war, das Volk hart druͤckten; da fand der Senat es noth-
wendig feſtzuſetzen daß die Markttage nie an den Nonen
gehalten werden ſollten, damit nicht das verſammelte
Landvolk, erhitzt durch gegenwaͤrtigen Druck und das An-
denken beſſerer Zeiten, einen Aufſtand wage, um die Mo-
narchie herzuſtellen 63). Vielleicht ward erſt damals der
alte Kalender abgeſchafft, in dem, nach etruskiſcher Weiſe,
jeder neunte Tag Geſchaͤftstag und Markttag war.


63) Macrobius Saturnal. I. c. 13.
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[292/0314] weſen. Als Juͤngling hatte er in einer ſchon faſt verlohr- nen Schlacht eine Fahne unter die Feinde geworfen, und die Soldaten dadurch zu einem letzten, den Sieg entſchei- denden Angriff herangefuͤhrt. Er fuͤrchtete keine Gefahr in der Mitte des Volks, weil er wußte von ihm habe er keine zu beſorgen, und ſo uͤberraſchte ihn das Verbrechen, und das Volk raͤchte ihn nicht. Es opferte ihm nur Thraͤ- nen; doch als der Leichenzug durch die Stadt gefuͤhrt ward, als das Ebenbild des Koͤnigs, im Pomp ſeiner In- ſignien, hinter der Bahre herzog, da entzuͤndeten ſich alle tugendhafte und wilde Leidenſchaften bey dem erneuten Anblick ſeiner Zuͤge: Aufſtand und Rache waͤren unauf- haltſam ausgebrochen: aber ſo leichtſinnig iſt das Volk daß man es beſaͤnftigte indem dieſes geliebte Antlitz ver- huͤllt ward. Doch ſehr lange lebte ſein Andenken fort; und wie das Volk ſeinen Geburtstag an allen Ronen feierte; denn es war ungewiß geworden in welchem Mo- nat, aber daß er an einem Nonentage gebohren ſey war eine einſtimmige Sage; wie dieſe Verehrung inniger ward als die Patricier, da die conſulariſche Verfaſſung befeſtigt war, das Volk hart druͤckten; da fand der Senat es noth- wendig feſtzuſetzen daß die Markttage nie an den Nonen gehalten werden ſollten, damit nicht das verſammelte Landvolk, erhitzt durch gegenwaͤrtigen Druck und das An- denken beſſerer Zeiten, einen Aufſtand wage, um die Mo- narchie herzuſtellen 63). Vielleicht ward erſt damals der alte Kalender abgeſchafft, in dem, nach etruskiſcher Weiſe, jeder neunte Tag Geſchaͤftstag und Markttag war. 63) Macrobius Saturnal. I. c. 13.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/314>, abgerufen am 22.11.2024.