schen den Colonieen und den alten Latinern daß jene nicht nach dem Bündniß (ex foedere), sondern nach ihrem Stiftungsbrief (ex formula) Truppen stellten: es findet sich auch keine Spur daß sie, wenigstens die nach 416 gegründeten, an der allgemeinen Zusammenkunft auf dem Albanerberge Theil hatten.
Es war durch diese Colonieen daß das latinische Volk, der kleinste unter den italischen Stämmen, über die ganze Halbinsel seine Sprache und seine Gesetze ausbrei- tete, und die Völker unter denen sie gegründet wurden zum Uebergang in ein römisches vorbereitete, eine Verän- derung welche die Militärcolonieen mit zerstörender Ge- waltsamkeit beschleunigten und vollendeten, und allmäh- lich über den ganzen Westen ausbreiteten. Unter Vols- kern, Sabellern, Etruskern und Umbrern die zahlreich in ihren Mauern lebten entfernten sich die latinischen Colonisten offenbar nicht wenig von ihrer ursprüngli- chen Nationalität in Sprache und Sitten; davon zeugen die erhaltnen Denkmähler und Inschriften. Aber der Punkt auf dem diese fremden Mitbürger und Beysassen, und die umwohnenden, mit ihnen zusammenflossen war der Eigenthümlichkeit des alten Latium nahe, dem erlö- schenden Volksstamm fern. Das neue Wesen würkte zu- rück auch auf Rom und die alten Latiner: und so entstand eine weit vergrößerte neue Einheit, die immer schneller immer mehr in sich hineinzog. So wuchsen auch Roms Streitkräfte: die ausziehenden Bürger aus der herrschen- den Stadt, wie aus den verbündeten, hatten anwesend und unter der Menge die dienstfähige Mannschaft nur
unmerklich
ſchen den Colonieen und den alten Latinern daß jene nicht nach dem Buͤndniß (ex foedere), ſondern nach ihrem Stiftungsbrief (ex formula) Truppen ſtellten: es findet ſich auch keine Spur daß ſie, wenigſtens die nach 416 gegruͤndeten, an der allgemeinen Zuſammenkunft auf dem Albanerberge Theil hatten.
Es war durch dieſe Colonieen daß das latiniſche Volk, der kleinſte unter den italiſchen Staͤmmen, uͤber die ganze Halbinſel ſeine Sprache und ſeine Geſetze ausbrei- tete, und die Voͤlker unter denen ſie gegruͤndet wurden zum Uebergang in ein roͤmiſches vorbereitete, eine Veraͤn- derung welche die Militaͤrcolonieen mit zerſtoͤrender Ge- waltſamkeit beſchleunigten und vollendeten, und allmaͤh- lich uͤber den ganzen Weſten ausbreiteten. Unter Vols- kern, Sabellern, Etruskern und Umbrern die zahlreich in ihren Mauern lebten entfernten ſich die latiniſchen Coloniſten offenbar nicht wenig von ihrer urſpruͤngli- chen Nationalitaͤt in Sprache und Sitten; davon zeugen die erhaltnen Denkmaͤhler und Inſchriften. Aber der Punkt auf dem dieſe fremden Mitbuͤrger und Beyſaſſen, und die umwohnenden, mit ihnen zuſammenfloſſen war der Eigenthuͤmlichkeit des alten Latium nahe, dem erloͤ- ſchenden Volksſtamm fern. Das neue Weſen wuͤrkte zu- ruͤck auch auf Rom und die alten Latiner: und ſo entſtand eine weit vergroͤßerte neue Einheit, die immer ſchneller immer mehr in ſich hineinzog. So wuchſen auch Roms Streitkraͤfte: die ausziehenden Buͤrger aus der herrſchen- den Stadt, wie aus den verbuͤndeten, hatten anweſend und unter der Menge die dienſtfaͤhige Mannſchaft nur
unmerklich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0326"n="304"/>ſchen den Colonieen und den alten Latinern daß jene nicht<lb/>
nach dem Buͤndniß (<hirendition="#aq">ex foedere</hi>), ſondern nach ihrem<lb/>
Stiftungsbrief (<hirendition="#aq">ex formula</hi>) Truppen ſtellten: es findet<lb/>ſich auch keine Spur daß ſie, wenigſtens die nach 416<lb/>
gegruͤndeten, an der allgemeinen Zuſammenkunft auf dem<lb/>
Albanerberge Theil hatten.</p><lb/><p>Es war durch dieſe Colonieen daß das latiniſche<lb/>
Volk, der kleinſte unter den italiſchen Staͤmmen, uͤber die<lb/>
ganze Halbinſel ſeine Sprache und ſeine Geſetze ausbrei-<lb/>
tete, und die Voͤlker unter denen ſie gegruͤndet wurden<lb/>
zum Uebergang in ein roͤmiſches vorbereitete, eine Veraͤn-<lb/>
derung welche die Militaͤrcolonieen mit zerſtoͤrender Ge-<lb/>
waltſamkeit beſchleunigten und vollendeten, und allmaͤh-<lb/>
lich uͤber den ganzen Weſten ausbreiteten. Unter Vols-<lb/>
kern, Sabellern, Etruskern und Umbrern die zahlreich<lb/>
in ihren Mauern lebten entfernten ſich die latiniſchen<lb/>
Coloniſten offenbar nicht wenig von ihrer urſpruͤngli-<lb/>
chen Nationalitaͤt in Sprache und Sitten; davon zeugen<lb/>
die erhaltnen Denkmaͤhler und Inſchriften. Aber der<lb/>
Punkt auf dem dieſe fremden Mitbuͤrger und Beyſaſſen,<lb/>
und die umwohnenden, mit ihnen zuſammenfloſſen war<lb/>
der Eigenthuͤmlichkeit des alten Latium nahe, dem erloͤ-<lb/>ſchenden Volksſtamm fern. Das neue Weſen wuͤrkte zu-<lb/>
ruͤck auch auf Rom und die alten Latiner: und ſo entſtand<lb/>
eine weit vergroͤßerte neue Einheit, die immer ſchneller<lb/>
immer mehr in ſich hineinzog. So wuchſen auch Roms<lb/>
Streitkraͤfte: die ausziehenden Buͤrger aus der herrſchen-<lb/>
den Stadt, wie aus den verbuͤndeten, hatten anweſend<lb/>
und unter der Menge die dienſtfaͤhige Mannſchaft nur<lb/><fwplace="bottom"type="catch">unmerklich</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[304/0326]
ſchen den Colonieen und den alten Latinern daß jene nicht
nach dem Buͤndniß (ex foedere), ſondern nach ihrem
Stiftungsbrief (ex formula) Truppen ſtellten: es findet
ſich auch keine Spur daß ſie, wenigſtens die nach 416
gegruͤndeten, an der allgemeinen Zuſammenkunft auf dem
Albanerberge Theil hatten.
Es war durch dieſe Colonieen daß das latiniſche
Volk, der kleinſte unter den italiſchen Staͤmmen, uͤber die
ganze Halbinſel ſeine Sprache und ſeine Geſetze ausbrei-
tete, und die Voͤlker unter denen ſie gegruͤndet wurden
zum Uebergang in ein roͤmiſches vorbereitete, eine Veraͤn-
derung welche die Militaͤrcolonieen mit zerſtoͤrender Ge-
waltſamkeit beſchleunigten und vollendeten, und allmaͤh-
lich uͤber den ganzen Weſten ausbreiteten. Unter Vols-
kern, Sabellern, Etruskern und Umbrern die zahlreich
in ihren Mauern lebten entfernten ſich die latiniſchen
Coloniſten offenbar nicht wenig von ihrer urſpruͤngli-
chen Nationalitaͤt in Sprache und Sitten; davon zeugen
die erhaltnen Denkmaͤhler und Inſchriften. Aber der
Punkt auf dem dieſe fremden Mitbuͤrger und Beyſaſſen,
und die umwohnenden, mit ihnen zuſammenfloſſen war
der Eigenthuͤmlichkeit des alten Latium nahe, dem erloͤ-
ſchenden Volksſtamm fern. Das neue Weſen wuͤrkte zu-
ruͤck auch auf Rom und die alten Latiner: und ſo entſtand
eine weit vergroͤßerte neue Einheit, die immer ſchneller
immer mehr in ſich hineinzog. So wuchſen auch Roms
Streitkraͤfte: die ausziehenden Buͤrger aus der herrſchen-
den Stadt, wie aus den verbuͤndeten, hatten anweſend
und unter der Menge die dienſtfaͤhige Mannſchaft nur
unmerklich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/326>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.