Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

wohll durch ein ausdrückliches Gesetz als dadurch daß die
Beschränkungen des Valerischen nur das Consulat trafen
war sie so unbegränzt mächtig wie früher die Gewalt der
Könige. Weiter als diese und in dem Sinn worin der
neuere Sprachgebrauch von dictatorischer Macht redet,
erstreckte sich die der Dictatur nicht, nie bis zur Gesetzge-
bung, nie so weit daß sie die Macht des Senats und der
Volksgemeinden ersetzen konnte, obgleich sie sich ihnen
entgegenstellen durfte.

Nach dem Gesetz waren nur Consularn wahlfähig 20).
In den späteren Zeiten aus denen die Römische Verfas-
sung bestimmter bekannt ist, und deren Einrichtungen zu
sehr auf die ältere Geschichte übertragen werden, beschloß
allerdings der Senat nur daß ein Dictator ernannt wer-
den, und wer von den Consuln ihn ernennen solle, so daß
diesem die Wahl seines Collegen oder eines Andern über-
lassen war. Der Senat konnte (505) den Consul P. Clau-
dius zwingen einen Dictator zu ernennen: das Volk
konnte den zum Gespötte erwählten, weil das Gesetz die
Wahl auf Consularn beschränkte, der an ihm entweihten
Würde berauben: aber dem Consul vorschreiben wem er
die Dictatur anvertrauen solle, dazu war damals weder
Volk noch Senat berechtigt, sonst wäre es ohne Zweifel
nicht versäumt geworden. Diese Willkühr des Consuls
kann aber nur durch ein uns unbekanntes Gesetz einge-
führt seyn: ursprünglich war die Ernennung theils nur
Formalität und Promulgation der Wahl des Senats,
theils nothwendig um des Consuls freye Einwilligung in

20) Livius II. c. 18.

wohll durch ein ausdruͤckliches Geſetz als dadurch daß die
Beſchraͤnkungen des Valeriſchen nur das Conſulat trafen
war ſie ſo unbegraͤnzt maͤchtig wie fruͤher die Gewalt der
Koͤnige. Weiter als dieſe und in dem Sinn worin der
neuere Sprachgebrauch von dictatoriſcher Macht redet,
erſtreckte ſich die der Dictatur nicht, nie bis zur Geſetzge-
bung, nie ſo weit daß ſie die Macht des Senats und der
Volksgemeinden erſetzen konnte, obgleich ſie ſich ihnen
entgegenſtellen durfte.

Nach dem Geſetz waren nur Conſularn wahlfaͤhig 20).
In den ſpaͤteren Zeiten aus denen die Roͤmiſche Verfaſ-
ſung beſtimmter bekannt iſt, und deren Einrichtungen zu
ſehr auf die aͤltere Geſchichte uͤbertragen werden, beſchloß
allerdings der Senat nur daß ein Dictator ernannt wer-
den, und wer von den Conſuln ihn ernennen ſolle, ſo daß
dieſem die Wahl ſeines Collegen oder eines Andern uͤber-
laſſen war. Der Senat konnte (505) den Conſul P. Clau-
dius zwingen einen Dictator zu ernennen: das Volk
konnte den zum Geſpoͤtte erwaͤhlten, weil das Geſetz die
Wahl auf Conſularn beſchraͤnkte, der an ihm entweihten
Wuͤrde berauben: aber dem Conſul vorſchreiben wem er
die Dictatur anvertrauen ſolle, dazu war damals weder
Volk noch Senat berechtigt, ſonſt waͤre es ohne Zweifel
nicht verſaͤumt geworden. Dieſe Willkuͤhr des Conſuls
kann aber nur durch ein uns unbekanntes Geſetz einge-
fuͤhrt ſeyn: urſpruͤnglich war die Ernennung theils nur
Formalitaͤt und Promulgation der Wahl des Senats,
theils nothwendig um des Conſuls freye Einwilligung in

20) Livius II. c. 18.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0383" n="361"/>
wohll durch ein ausdru&#x0364;ckliches Ge&#x017F;etz als dadurch daß die<lb/>
Be&#x017F;chra&#x0364;nkungen des Valeri&#x017F;chen nur das Con&#x017F;ulat trafen<lb/>
war &#x017F;ie &#x017F;o unbegra&#x0364;nzt ma&#x0364;chtig wie fru&#x0364;her die Gewalt der<lb/>
Ko&#x0364;nige. Weiter als die&#x017F;e und in dem Sinn worin der<lb/>
neuere Sprachgebrauch von dictatori&#x017F;cher Macht redet,<lb/>
er&#x017F;treckte &#x017F;ich die der Dictatur nicht, nie bis zur Ge&#x017F;etzge-<lb/>
bung, nie &#x017F;o weit daß &#x017F;ie die Macht des Senats und der<lb/>
Volksgemeinden er&#x017F;etzen konnte, obgleich &#x017F;ie &#x017F;ich ihnen<lb/>
entgegen&#x017F;tellen durfte.</p><lb/>
          <p>Nach dem Ge&#x017F;etz waren nur Con&#x017F;ularn wahlfa&#x0364;hig <note place="foot" n="20)">Livius <hi rendition="#aq">II. c.</hi> 18.</note>.<lb/>
In den &#x017F;pa&#x0364;teren Zeiten aus denen die Ro&#x0364;mi&#x017F;che Verfa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung be&#x017F;timmter bekannt i&#x017F;t, und deren Einrichtungen zu<lb/>
&#x017F;ehr auf die a&#x0364;ltere Ge&#x017F;chichte u&#x0364;bertragen werden, be&#x017F;chloß<lb/>
allerdings der Senat nur daß ein Dictator ernannt wer-<lb/>
den, und wer von den Con&#x017F;uln ihn ernennen &#x017F;olle, &#x017F;o daß<lb/>
die&#x017F;em die Wahl &#x017F;eines Collegen oder eines Andern u&#x0364;ber-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en war. Der Senat konnte (505) den Con&#x017F;ul P. Clau-<lb/>
dius zwingen einen Dictator zu ernennen: das Volk<lb/>
konnte den zum Ge&#x017F;po&#x0364;tte erwa&#x0364;hlten, weil das Ge&#x017F;etz die<lb/>
Wahl auf Con&#x017F;ularn be&#x017F;chra&#x0364;nkte, der an ihm entweihten<lb/>
Wu&#x0364;rde berauben: aber dem Con&#x017F;ul vor&#x017F;chreiben wem er<lb/>
die Dictatur anvertrauen &#x017F;olle, dazu war damals weder<lb/>
Volk noch Senat berechtigt, &#x017F;on&#x017F;t wa&#x0364;re es ohne Zweifel<lb/>
nicht ver&#x017F;a&#x0364;umt geworden. Die&#x017F;e Willku&#x0364;hr des Con&#x017F;uls<lb/>
kann aber nur durch ein uns unbekanntes Ge&#x017F;etz einge-<lb/>
fu&#x0364;hrt &#x017F;eyn: ur&#x017F;pru&#x0364;nglich war die Ernennung theils nur<lb/>
Formalita&#x0364;t und Promulgation der Wahl des Senats,<lb/>
theils nothwendig um des Con&#x017F;uls freye Einwilligung in<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[361/0383] wohll durch ein ausdruͤckliches Geſetz als dadurch daß die Beſchraͤnkungen des Valeriſchen nur das Conſulat trafen war ſie ſo unbegraͤnzt maͤchtig wie fruͤher die Gewalt der Koͤnige. Weiter als dieſe und in dem Sinn worin der neuere Sprachgebrauch von dictatoriſcher Macht redet, erſtreckte ſich die der Dictatur nicht, nie bis zur Geſetzge- bung, nie ſo weit daß ſie die Macht des Senats und der Volksgemeinden erſetzen konnte, obgleich ſie ſich ihnen entgegenſtellen durfte. Nach dem Geſetz waren nur Conſularn wahlfaͤhig 20). In den ſpaͤteren Zeiten aus denen die Roͤmiſche Verfaſ- ſung beſtimmter bekannt iſt, und deren Einrichtungen zu ſehr auf die aͤltere Geſchichte uͤbertragen werden, beſchloß allerdings der Senat nur daß ein Dictator ernannt wer- den, und wer von den Conſuln ihn ernennen ſolle, ſo daß dieſem die Wahl ſeines Collegen oder eines Andern uͤber- laſſen war. Der Senat konnte (505) den Conſul P. Clau- dius zwingen einen Dictator zu ernennen: das Volk konnte den zum Geſpoͤtte erwaͤhlten, weil das Geſetz die Wahl auf Conſularn beſchraͤnkte, der an ihm entweihten Wuͤrde berauben: aber dem Conſul vorſchreiben wem er die Dictatur anvertrauen ſolle, dazu war damals weder Volk noch Senat berechtigt, ſonſt waͤre es ohne Zweifel nicht verſaͤumt geworden. Dieſe Willkuͤhr des Conſuls kann aber nur durch ein uns unbekanntes Geſetz einge- fuͤhrt ſeyn: urſpruͤnglich war die Ernennung theils nur Formalitaͤt und Promulgation der Wahl des Senats, theils nothwendig um des Conſuls freye Einwilligung in 20) Livius II. c. 18.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/383
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/383>, abgerufen am 16.06.2024.