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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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der Adel der in die Republik aufgenommenen Völker zu
den Plebejern gehörte. Auch in neueren Staaten wird
fremder Adel manchmal bey der Entscheidung über den
Genuß ständischer Vorrechte als ungültig ausgeschlossen,
wie der englische bey deutschen Ahnenproben, und dennoch
wird der einzelne vom einzelnen Standesgenossen keines-
wegs zum Volk gezählt werden. Es ist schon bemerkt
daß wenigstens bey den Hauptvölkern Italiens allenthal-
ben Unterschied der Stände und Adel anerkannt ward:
diesen konnte es unmöglich tilgen daß die römischen Patri-
tier die Vorrechte ihres Standes außer den Claudiern kei-
nem fremden Geschlecht mittheilten, wenn gleich die Ma-
milier von Tusculum, die Samnitischen Papier, die
Etruskischen Cilnier, die Marrucinischen Asinier, ihnen
so wenig an adlicher Abstammung nachstanden, daß sie,
ohne der allgemeinen Meinung zu widersprechen, ihr Ge-
schlecht zum Theil auf Könige zurückführen durften. Daß
aber die älteste Plebs, auf gleiche Weise wie später alle in
das Bürgerrecht aufgenommene Völker zu ihr gezählt
wurden, ursprünglich aus den Latinern bestand welche
von den Königen gewaltsam mit Rom vereinigt waren,
habe ich früher darzuthun gesucht: und so mußten in ihr
auch schon damals viele Geschlechter enthalten seyn die den
Patriciern an Adel der Abstammung nicht nachstanden.
Diese waren es auch wohl, wenigstens vorzüglich, welche
Tarquinius der Alte in die neuen Rittercenturien ver-
zeichnete.

Es ist daher keine genaue Parallele des ständischen
Rechtsverhältnisses zwischen der Plebs und dem sogenann-

der Adel der in die Republik aufgenommenen Voͤlker zu
den Plebejern gehoͤrte. Auch in neueren Staaten wird
fremder Adel manchmal bey der Entſcheidung uͤber den
Genuß ſtaͤndiſcher Vorrechte als unguͤltig ausgeſchloſſen,
wie der engliſche bey deutſchen Ahnenproben, und dennoch
wird der einzelne vom einzelnen Standesgenoſſen keines-
wegs zum Volk gezaͤhlt werden. Es iſt ſchon bemerkt
daß wenigſtens bey den Hauptvoͤlkern Italiens allenthal-
ben Unterſchied der Staͤnde und Adel anerkannt ward:
dieſen konnte es unmoͤglich tilgen daß die roͤmiſchen Patri-
tier die Vorrechte ihres Standes außer den Claudiern kei-
nem fremden Geſchlecht mittheilten, wenn gleich die Ma-
milier von Tuſculum, die Samnitiſchen Papier, die
Etruskiſchen Cilnier, die Marruciniſchen Aſinier, ihnen
ſo wenig an adlicher Abſtammung nachſtanden, daß ſie,
ohne der allgemeinen Meinung zu widerſprechen, ihr Ge-
ſchlecht zum Theil auf Koͤnige zuruͤckfuͤhren durften. Daß
aber die aͤlteſte Plebs, auf gleiche Weiſe wie ſpaͤter alle in
das Buͤrgerrecht aufgenommene Voͤlker zu ihr gezaͤhlt
wurden, urſpruͤnglich aus den Latinern beſtand welche
von den Koͤnigen gewaltſam mit Rom vereinigt waren,
habe ich fruͤher darzuthun geſucht: und ſo mußten in ihr
auch ſchon damals viele Geſchlechter enthalten ſeyn die den
Patriciern an Adel der Abſtammung nicht nachſtanden.
Dieſe waren es auch wohl, wenigſtens vorzuͤglich, welche
Tarquinius der Alte in die neuen Rittercenturien ver-
zeichnete.

Es iſt daher keine genaue Parallele des ſtaͤndiſchen
Rechtsverhaͤltniſſes zwiſchen der Plebs und dem ſogenann-

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[376/0398] der Adel der in die Republik aufgenommenen Voͤlker zu den Plebejern gehoͤrte. Auch in neueren Staaten wird fremder Adel manchmal bey der Entſcheidung uͤber den Genuß ſtaͤndiſcher Vorrechte als unguͤltig ausgeſchloſſen, wie der engliſche bey deutſchen Ahnenproben, und dennoch wird der einzelne vom einzelnen Standesgenoſſen keines- wegs zum Volk gezaͤhlt werden. Es iſt ſchon bemerkt daß wenigſtens bey den Hauptvoͤlkern Italiens allenthal- ben Unterſchied der Staͤnde und Adel anerkannt ward: dieſen konnte es unmoͤglich tilgen daß die roͤmiſchen Patri- tier die Vorrechte ihres Standes außer den Claudiern kei- nem fremden Geſchlecht mittheilten, wenn gleich die Ma- milier von Tuſculum, die Samnitiſchen Papier, die Etruskiſchen Cilnier, die Marruciniſchen Aſinier, ihnen ſo wenig an adlicher Abſtammung nachſtanden, daß ſie, ohne der allgemeinen Meinung zu widerſprechen, ihr Ge- ſchlecht zum Theil auf Koͤnige zuruͤckfuͤhren durften. Daß aber die aͤlteſte Plebs, auf gleiche Weiſe wie ſpaͤter alle in das Buͤrgerrecht aufgenommene Voͤlker zu ihr gezaͤhlt wurden, urſpruͤnglich aus den Latinern beſtand welche von den Koͤnigen gewaltſam mit Rom vereinigt waren, habe ich fruͤher darzuthun geſucht: und ſo mußten in ihr auch ſchon damals viele Geſchlechter enthalten ſeyn die den Patriciern an Adel der Abſtammung nicht nachſtanden. Dieſe waren es auch wohl, wenigſtens vorzuͤglich, welche Tarquinius der Alte in die neuen Rittercenturien ver- zeichnete. Es iſt daher keine genaue Parallele des ſtaͤndiſchen Rechtsverhaͤltniſſes zwiſchen der Plebs und dem ſogenann-

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/398>, abgerufen am 25.11.2024.