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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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liche, und entweder von Thoren oder Empörern unter-
nommene Neuerung.

Pöbel, so arg wie der von den Demagogen getriebene
atheniensische, war allerdings die römische Plebs in den
Tagen der gleichzeitigen Schriftsteller bey denen sich das
Gemählde der ausgearteten, und sich überlebenden Repu-
blik erhalten hat. Denn damals waren die Familien plebe-
jisches Ursprungs, deren Ahnherrn ihnen Adel und Glanz
erworben hatten, mit den an Zahl sehr verminderten pa-
tricischen zu einer gleichartigen Nobilität vermischt: die
übrigen ausgezeichneten Municipalfamilien und die Rei-
chen bildeten als Ritter einen von der Plebs abgesonderten
Stand; und von ihr wurden stillschweigend auch die ehren-
werthen Landleute unterschieden, so daß für die Plebs der
Stadt eigentlich nur ein Haufe blieb der größtentheils aus
Freygelassenen bestand, oder von ihnen abstammte 35).

Aber das Volk dem Sicinius, Publilius, Licinius
und Decius gleiche Rechte mit den Patriciern errangen,
war kein Pöbel, so wenig wie sie selbst Leute aus dem Pö-
bel waren. Für die welche keinen Beruf zur Theilnahme
an der höchsten Gewalt in einem freyen Staat, oder zu ih-
rer Ausübung unter einem Fürsten anerkennen, wenn er
nicht durch adliche Geburt geweiht wird, müssen die An-
sprüche der römischen Plebejer weit besser gegründet schei-
nen als die des dritten Stands in neueren Staaten, weil

35) Es ist widerlich bey neueren Schriftstellern von patrici-
schen Factionen des siebenten Jahrhunderts zu lesen. Nur in
Sulla allein zeigt sich patricische Sinnesart, und er affec-
tirte es sie zu zeigen.

liche, und entweder von Thoren oder Empoͤrern unter-
nommene Neuerung.

Poͤbel, ſo arg wie der von den Demagogen getriebene
athenienſiſche, war allerdings die roͤmiſche Plebs in den
Tagen der gleichzeitigen Schriftſteller bey denen ſich das
Gemaͤhlde der ausgearteten, und ſich uͤberlebenden Repu-
blik erhalten hat. Denn damals waren die Familien plebe-
jiſches Urſprungs, deren Ahnherrn ihnen Adel und Glanz
erworben hatten, mit den an Zahl ſehr verminderten pa-
triciſchen zu einer gleichartigen Nobilitaͤt vermiſcht: die
uͤbrigen ausgezeichneten Municipalfamilien und die Rei-
chen bildeten als Ritter einen von der Plebs abgeſonderten
Stand; und von ihr wurden ſtillſchweigend auch die ehren-
werthen Landleute unterſchieden, ſo daß fuͤr die Plebs der
Stadt eigentlich nur ein Haufe blieb der groͤßtentheils aus
Freygelaſſenen beſtand, oder von ihnen abſtammte 35).

Aber das Volk dem Sicinius, Publilius, Licinius
und Decius gleiche Rechte mit den Patriciern errangen,
war kein Poͤbel, ſo wenig wie ſie ſelbſt Leute aus dem Poͤ-
bel waren. Fuͤr die welche keinen Beruf zur Theilnahme
an der hoͤchſten Gewalt in einem freyen Staat, oder zu ih-
rer Ausuͤbung unter einem Fuͤrſten anerkennen, wenn er
nicht durch adliche Geburt geweiht wird, muͤſſen die An-
ſpruͤche der roͤmiſchen Plebejer weit beſſer gegruͤndet ſchei-
nen als die des dritten Stands in neueren Staaten, weil

35) Es iſt widerlich bey neueren Schriftſtellern von patrici-
ſchen Factionen des ſiebenten Jahrhunderts zu leſen. Nur in
Sulla allein zeigt ſich patriciſche Sinnesart, und er affec-
tirte es ſie zu zeigen.
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[375/0397] liche, und entweder von Thoren oder Empoͤrern unter- nommene Neuerung. Poͤbel, ſo arg wie der von den Demagogen getriebene athenienſiſche, war allerdings die roͤmiſche Plebs in den Tagen der gleichzeitigen Schriftſteller bey denen ſich das Gemaͤhlde der ausgearteten, und ſich uͤberlebenden Repu- blik erhalten hat. Denn damals waren die Familien plebe- jiſches Urſprungs, deren Ahnherrn ihnen Adel und Glanz erworben hatten, mit den an Zahl ſehr verminderten pa- triciſchen zu einer gleichartigen Nobilitaͤt vermiſcht: die uͤbrigen ausgezeichneten Municipalfamilien und die Rei- chen bildeten als Ritter einen von der Plebs abgeſonderten Stand; und von ihr wurden ſtillſchweigend auch die ehren- werthen Landleute unterſchieden, ſo daß fuͤr die Plebs der Stadt eigentlich nur ein Haufe blieb der groͤßtentheils aus Freygelaſſenen beſtand, oder von ihnen abſtammte 35). Aber das Volk dem Sicinius, Publilius, Licinius und Decius gleiche Rechte mit den Patriciern errangen, war kein Poͤbel, ſo wenig wie ſie ſelbſt Leute aus dem Poͤ- bel waren. Fuͤr die welche keinen Beruf zur Theilnahme an der hoͤchſten Gewalt in einem freyen Staat, oder zu ih- rer Ausuͤbung unter einem Fuͤrſten anerkennen, wenn er nicht durch adliche Geburt geweiht wird, muͤſſen die An- ſpruͤche der roͤmiſchen Plebejer weit beſſer gegruͤndet ſchei- nen als die des dritten Stands in neueren Staaten, weil 35) Es iſt widerlich bey neueren Schriftſtellern von patrici- ſchen Factionen des ſiebenten Jahrhunderts zu leſen. Nur in Sulla allein zeigt ſich patriciſche Sinnesart, und er affec- tirte es ſie zu zeigen.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/397>, abgerufen am 25.11.2024.