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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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tische Verhältniß der Beysassen gegründet ist, daß die Pa-
tricier davon Vortheil zogen, daß Kaufleute und Geld-
händler unmittelbar von ihnen abhängig waren, deren
Geschäfte wahrscheinlich den Nahmen des Patrons trugen.
Ganz gewiß waren damals die Gerichte ausschießlich bey
den Patriciern: und schon dadurch mußte ein patricischer
Gläubiger weit furchtbarer seyn als ein plebejischer.

Also waren die Noth und das unmittelbare Bedürf-
niß der Menge allerdings sehr verschieden von den Klagen
und Forderungen der Häupter des Standes: jene würde
so gleichgültig für die Absichten der letzten gewesen seyn,
als diese wohl ihr Elend als fremd angesehen haben wür-
den, wenn die Patricier es nicht verachtet hätten sie zu
trennen. Aber ihre nicht unterscheidende Absonderung vom
gesammten Volk vereinigte seine verschiedensten Klassen;
und der angesehenste wie der geringste Plebejer hatten eine
große gemeinschaftliche Sache, ihre Freyheit und persön-
liche Sicherheit. Jener, den Consuln näher stehend, war
hierüber in größerer Gefahr als der unbekannte Gemeine:
er war gezwungen die Aeußerung von Gefühlen zu unter-
drücken die bey diesem kaum erwachen konnten; oder er
büßte für verwegne Ausbrüche des Unwillens. Das Va-
lerische Gesetz machte das gesammte Volk zum Richter
zwischen dem Consul und dem einzelnen Plebejer; daß,
wer strafschuldig seyn mochte, sein Urtheil von seinen Glei-
chen erhalte. Also bestanden Versammlungen der Tribus,
und, da man sich diese unmöglich tumultuarisch zusam-
menlaufend denken kann, sondern nothwendig förmlich
berufen, und unter regelmäßigem Vorsitz, sicher aber

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tiſche Verhaͤltniß der Beyſaſſen gegruͤndet iſt, daß die Pa-
tricier davon Vortheil zogen, daß Kaufleute und Geld-
haͤndler unmittelbar von ihnen abhaͤngig waren, deren
Geſchaͤfte wahrſcheinlich den Nahmen des Patrons trugen.
Ganz gewiß waren damals die Gerichte ausſchießlich bey
den Patriciern: und ſchon dadurch mußte ein patriciſcher
Glaͤubiger weit furchtbarer ſeyn als ein plebejiſcher.

Alſo waren die Noth und das unmittelbare Beduͤrf-
niß der Menge allerdings ſehr verſchieden von den Klagen
und Forderungen der Haͤupter des Standes: jene wuͤrde
ſo gleichguͤltig fuͤr die Abſichten der letzten geweſen ſeyn,
als dieſe wohl ihr Elend als fremd angeſehen haben wuͤr-
den, wenn die Patricier es nicht verachtet haͤtten ſie zu
trennen. Aber ihre nicht unterſcheidende Abſonderung vom
geſammten Volk vereinigte ſeine verſchiedenſten Klaſſen;
und der angeſehenſte wie der geringſte Plebejer hatten eine
große gemeinſchaftliche Sache, ihre Freyheit und perſoͤn-
liche Sicherheit. Jener, den Conſuln naͤher ſtehend, war
hieruͤber in groͤßerer Gefahr als der unbekannte Gemeine:
er war gezwungen die Aeußerung von Gefuͤhlen zu unter-
druͤcken die bey dieſem kaum erwachen konnten; oder er
buͤßte fuͤr verwegne Ausbruͤche des Unwillens. Das Va-
leriſche Geſetz machte das geſammte Volk zum Richter
zwiſchen dem Conſul und dem einzelnen Plebejer; daß,
wer ſtrafſchuldig ſeyn mochte, ſein Urtheil von ſeinen Glei-
chen erhalte. Alſo beſtanden Verſammlungen der Tribus,
und, da man ſich dieſe unmoͤglich tumultuariſch zuſam-
menlaufend denken kann, ſondern nothwendig foͤrmlich
berufen, und unter regelmaͤßigem Vorſitz, ſicher aber

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[403/0425] tiſche Verhaͤltniß der Beyſaſſen gegruͤndet iſt, daß die Pa- tricier davon Vortheil zogen, daß Kaufleute und Geld- haͤndler unmittelbar von ihnen abhaͤngig waren, deren Geſchaͤfte wahrſcheinlich den Nahmen des Patrons trugen. Ganz gewiß waren damals die Gerichte ausſchießlich bey den Patriciern: und ſchon dadurch mußte ein patriciſcher Glaͤubiger weit furchtbarer ſeyn als ein plebejiſcher. Alſo waren die Noth und das unmittelbare Beduͤrf- niß der Menge allerdings ſehr verſchieden von den Klagen und Forderungen der Haͤupter des Standes: jene wuͤrde ſo gleichguͤltig fuͤr die Abſichten der letzten geweſen ſeyn, als dieſe wohl ihr Elend als fremd angeſehen haben wuͤr- den, wenn die Patricier es nicht verachtet haͤtten ſie zu trennen. Aber ihre nicht unterſcheidende Abſonderung vom geſammten Volk vereinigte ſeine verſchiedenſten Klaſſen; und der angeſehenſte wie der geringſte Plebejer hatten eine große gemeinſchaftliche Sache, ihre Freyheit und perſoͤn- liche Sicherheit. Jener, den Conſuln naͤher ſtehend, war hieruͤber in groͤßerer Gefahr als der unbekannte Gemeine: er war gezwungen die Aeußerung von Gefuͤhlen zu unter- druͤcken die bey dieſem kaum erwachen konnten; oder er buͤßte fuͤr verwegne Ausbruͤche des Unwillens. Das Va- leriſche Geſetz machte das geſammte Volk zum Richter zwiſchen dem Conſul und dem einzelnen Plebejer; daß, wer ſtrafſchuldig ſeyn mochte, ſein Urtheil von ſeinen Glei- chen erhalte. Alſo beſtanden Verſammlungen der Tribus, und, da man ſich dieſe unmoͤglich tumultuariſch zuſam- menlaufend denken kann, ſondern nothwendig foͤrmlich berufen, und unter regelmaͤßigem Vorſitz, ſicher aber C c 2

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/425>, abgerufen am 16.06.2024.