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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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nung der önotrischen Abstammung jenes auf seiner Insel
großen Volks geachtet werden: für die Geschichte gehört
sie nicht. Auch gilt es uns gleich daß der Zeitpunkt ihrer
Auswanderung von verschiedenen Zeugen, zwischen deren
Autorität wir nicht zu wählen vermögen, um zwey Jahr-
hunderte abweichend angegeben wird, von Philistus acht-
zig Jahr vor, von Thukydides, wahrscheinlich nach An-
tiochus, fünf Vierteljahrhunderte nach dem Troischen
Kriege 44). Ueber Völkerwanderungen bleibt, in Hinsicht
des Landes woher die Vorväter auszogen, und über die
Stämme welche sie verdrängten, gewöhnlich eine reine Sage
erhalten; und so können wir für historisch halten, daß sie
von den Ausonern 45) aus ihrer Heimath verdrängt wur-
den. Dieses aber deutet auf alte Wohnsitze önotrischer
Stämme in jenen westlichen Gegenden, welche nachher im
Besitz der Ausoner waren, bis sie selbst den Sabellern un-
terlagen: sogar bis Falerii in Etrurien; denn von Sicu-
lern in dieser Gegend an beiden Ufern der Tiber redete die
lateinische Tradition auf eine unverdächtige Weise, als
den ältesten Bewohnern des Landes Saturnia 46): und
schon die lateinische Sprache zeigt auf ein altes den Grie-
chen verwandtes Volk hin, das, von den Aboriginern un-
terjocht, sich in ihnen auflößte. Ortnahmen im Umfang

44) Nämlich 300 Jahre vor dem Anfange griechischer Ansiede-
lungen auf der Insel. Thukydides, VI. c. 2. Philistus An-
gabe bei Dionysius I. c. 22.
45) Oder den alten Opikern, Thukydides l. c. Antiochus bey
Dionysius, l. c.
46) Dionysius I. c. 9. 16. 19--21.

nung der oͤnotriſchen Abſtammung jenes auf ſeiner Inſel
großen Volks geachtet werden: fuͤr die Geſchichte gehoͤrt
ſie nicht. Auch gilt es uns gleich daß der Zeitpunkt ihrer
Auswanderung von verſchiedenen Zeugen, zwiſchen deren
Autoritaͤt wir nicht zu waͤhlen vermoͤgen, um zwey Jahr-
hunderte abweichend angegeben wird, von Philiſtus acht-
zig Jahr vor, von Thukydides, wahrſcheinlich nach An-
tiochus, fuͤnf Vierteljahrhunderte nach dem Troiſchen
Kriege 44). Ueber Voͤlkerwanderungen bleibt, in Hinſicht
des Landes woher die Vorvaͤter auszogen, und uͤber die
Staͤmme welche ſie verdraͤngten, gewoͤhnlich eine reine Sage
erhalten; und ſo koͤnnen wir fuͤr hiſtoriſch halten, daß ſie
von den Auſonern 45) aus ihrer Heimath verdraͤngt wur-
den. Dieſes aber deutet auf alte Wohnſitze oͤnotriſcher
Staͤmme in jenen weſtlichen Gegenden, welche nachher im
Beſitz der Auſoner waren, bis ſie ſelbſt den Sabellern un-
terlagen: ſogar bis Falerii in Etrurien; denn von Sicu-
lern in dieſer Gegend an beiden Ufern der Tiber redete die
lateiniſche Tradition auf eine unverdaͤchtige Weiſe, als
den aͤlteſten Bewohnern des Landes Saturnia 46): und
ſchon die lateiniſche Sprache zeigt auf ein altes den Grie-
chen verwandtes Volk hin, das, von den Aboriginern un-
terjocht, ſich in ihnen aufloͤßte. Ortnahmen im Umfang

44) Naͤmlich 300 Jahre vor dem Anfange griechiſcher Anſiede-
lungen auf der Inſel. Thukydides, VI. c. 2. Philiſtus An-
gabe bei Dionyſius I. c. 22.
45) Oder den alten Opikern, Thukydides l. c. Antiochus bey
Dionyſius, l. c.
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[41/0063] nung der oͤnotriſchen Abſtammung jenes auf ſeiner Inſel großen Volks geachtet werden: fuͤr die Geſchichte gehoͤrt ſie nicht. Auch gilt es uns gleich daß der Zeitpunkt ihrer Auswanderung von verſchiedenen Zeugen, zwiſchen deren Autoritaͤt wir nicht zu waͤhlen vermoͤgen, um zwey Jahr- hunderte abweichend angegeben wird, von Philiſtus acht- zig Jahr vor, von Thukydides, wahrſcheinlich nach An- tiochus, fuͤnf Vierteljahrhunderte nach dem Troiſchen Kriege 44). Ueber Voͤlkerwanderungen bleibt, in Hinſicht des Landes woher die Vorvaͤter auszogen, und uͤber die Staͤmme welche ſie verdraͤngten, gewoͤhnlich eine reine Sage erhalten; und ſo koͤnnen wir fuͤr hiſtoriſch halten, daß ſie von den Auſonern 45) aus ihrer Heimath verdraͤngt wur- den. Dieſes aber deutet auf alte Wohnſitze oͤnotriſcher Staͤmme in jenen weſtlichen Gegenden, welche nachher im Beſitz der Auſoner waren, bis ſie ſelbſt den Sabellern un- terlagen: ſogar bis Falerii in Etrurien; denn von Sicu- lern in dieſer Gegend an beiden Ufern der Tiber redete die lateiniſche Tradition auf eine unverdaͤchtige Weiſe, als den aͤlteſten Bewohnern des Landes Saturnia 46): und ſchon die lateiniſche Sprache zeigt auf ein altes den Grie- chen verwandtes Volk hin, das, von den Aboriginern un- terjocht, ſich in ihnen aufloͤßte. Ortnahmen im Umfang 44) Naͤmlich 300 Jahre vor dem Anfange griechiſcher Anſiede- lungen auf der Inſel. Thukydides, VI. c. 2. Philiſtus An- gabe bei Dionyſius I. c. 22. 45) Oder den alten Opikern, Thukydides l. c. Antiochus bey Dionyſius, l. c. 46) Dionyſius I. c. 9. 16. 19—21.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/63>, abgerufen am 21.11.2024.