der Lucaner Größe, und der griechischen Städte Ver- fall. Die erste Eroberung der Lucaner war Posido- nia 59): die neuesten griechischen Münzen dieser Stadt können nach ihrem Gepräge wohl nicht auch nur gegen den Anfang des vierten Jahrhunderts der Stadt hinaufgesetzt werden: so daß es nicht wahrscheinlich ist, daß schon da- mals die Lucaner, welche Altitalien um 329 noch gar nicht betreten hatten, auch nur diesen Winkel des alten Au- soniens besaßen, von dem sie sich in den folgenden dreyßig Jahren so weit ausgebreitet hatten, daß die sybaritische Pflanzstadt Laos ihnen gehörte, und die Ostküste vor ihren Einbrüchen zitterte.
Zwey Hauptstädte der Choner werden genannt: Cho- ne, welches dem Volk seinen Nahmen gab 60), und Pan- dosia, der Sitz ihrer Könige 61). Als aber die griechi- schen Städte in ihrer höchsten Blüthe lebten, war ihnen ohne Zweifel das ganze Volk unterworfen. Pandosia selbst ward eine griechische Stadt 62), wie beyde Küsten mit griechischen Pflanzorten besetzt waren. Auf diesem schmalen Vorgebürge hat die zauberische Gewalt griechi- scher Natur, welche die Fremden so leicht ergriff, ohne Schwierigkeit die Eingebohrnen in Griechen umgebildet, und dem gesammten Lande seinen stolzen Nahmen mit Recht gegeben. Wie fabelhaft auch die Erzählung von Sybaris Größe und Fall zu achten ist: ohne die willige
59) Strabo a. a. O. §. 3.
60) Ebend. §. 3.
61) Ebend. §. 5.
62) Skylax, S. 4.
der Lucaner Groͤße, und der griechiſchen Staͤdte Ver- fall. Die erſte Eroberung der Lucaner war Poſido- nia 59): die neueſten griechiſchen Muͤnzen dieſer Stadt koͤnnen nach ihrem Gepraͤge wohl nicht auch nur gegen den Anfang des vierten Jahrhunderts der Stadt hinaufgeſetzt werden: ſo daß es nicht wahrſcheinlich iſt, daß ſchon da- mals die Lucaner, welche Altitalien um 329 noch gar nicht betreten hatten, auch nur dieſen Winkel des alten Au- ſoniens beſaßen, von dem ſie ſich in den folgenden dreyßig Jahren ſo weit ausgebreitet hatten, daß die ſybaritiſche Pflanzſtadt Laos ihnen gehoͤrte, und die Oſtkuͤſte vor ihren Einbruͤchen zitterte.
Zwey Hauptſtaͤdte der Choner werden genannt: Cho- ne, welches dem Volk ſeinen Nahmen gab 60), und Pan- doſia, der Sitz ihrer Koͤnige 61). Als aber die griechi- ſchen Staͤdte in ihrer hoͤchſten Bluͤthe lebten, war ihnen ohne Zweifel das ganze Volk unterworfen. Pandoſia ſelbſt ward eine griechiſche Stadt 62), wie beyde Kuͤſten mit griechiſchen Pflanzorten beſetzt waren. Auf dieſem ſchmalen Vorgebuͤrge hat die zauberiſche Gewalt griechi- ſcher Natur, welche die Fremden ſo leicht ergriff, ohne Schwierigkeit die Eingebohrnen in Griechen umgebildet, und dem geſammten Lande ſeinen ſtolzen Nahmen mit Recht gegeben. Wie fabelhaft auch die Erzaͤhlung von Sybaris Groͤße und Fall zu achten iſt: ohne die willige
59) Strabo a. a. O. §. 3.
60) Ebend. §. 3.
61) Ebend. §. 5.
62) Skylax, S. 4.
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der Lucaner Groͤße, und der griechiſchen Staͤdte Ver-
fall. Die erſte Eroberung der Lucaner war Poſido-
nia 59): die neueſten griechiſchen Muͤnzen dieſer Stadt
koͤnnen nach ihrem Gepraͤge wohl nicht auch nur gegen den
Anfang des vierten Jahrhunderts der Stadt hinaufgeſetzt
werden: ſo daß es nicht wahrſcheinlich iſt, daß ſchon da-
mals die Lucaner, welche Altitalien um 329 noch gar nicht
betreten hatten, auch nur dieſen Winkel des alten Au-
ſoniens beſaßen, von dem ſie ſich in den folgenden dreyßig
Jahren ſo weit ausgebreitet hatten, daß die ſybaritiſche
Pflanzſtadt Laos ihnen gehoͤrte, und die Oſtkuͤſte vor ihren
Einbruͤchen zitterte.
Zwey Hauptſtaͤdte der Choner werden genannt: Cho-
ne, welches dem Volk ſeinen Nahmen gab 60), und Pan-
doſia, der Sitz ihrer Koͤnige 61). Als aber die griechi-
ſchen Staͤdte in ihrer hoͤchſten Bluͤthe lebten, war ihnen
ohne Zweifel das ganze Volk unterworfen. Pandoſia
ſelbſt ward eine griechiſche Stadt 62), wie beyde Kuͤſten
mit griechiſchen Pflanzorten beſetzt waren. Auf dieſem
ſchmalen Vorgebuͤrge hat die zauberiſche Gewalt griechi-
ſcher Natur, welche die Fremden ſo leicht ergriff, ohne
Schwierigkeit die Eingebohrnen in Griechen umgebildet,
und dem geſammten Lande ſeinen ſtolzen Nahmen mit
Recht gegeben. Wie fabelhaft auch die Erzaͤhlung von
Sybaris Groͤße und Fall zu achten iſt: ohne die willige
59) Strabo a. a. O. §. 3.
60) Ebend. §. 3.
61) Ebend. §. 5.
62) Skylax, S. 4.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/68>, abgerufen am 21.11.2024.
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