sie in sehr alten Zeiten aus, lange vor den troischen, und hier die Aboriginer, dort die Umbrer verdrängend, nah- men sie die Landschaft ein, welche seit dreytausend Jahren ihren Nahmen trägt. Aus dieser wanderte die überströ- mende Fülle des Volks nach verschiednen Gegenden aus. Es war eine altitalische allgemeine Sitte, in schweren Krie- gen den Göttern einen heiligen Frühling (ver sacrum) zu weihen: alle Geburten des Frühlings, vielleicht des gan- zen Jahrs: das Vieh ward geopfert, die Jugend wenn sie erwachsen war ausgesandt 99). Dies gelobten die Rö- mer im zweyten Jahr des hannibalischen Kriegs, doch nur von der Habe 100). Solche Gelübde veranlaßten nach der Sage die Auswandrung der Sabellischen Pflanz- völker. Die Götter sandten heilige Thiere, sie auf dem Pfad zu leiten. Ein Specht, der heilige Vogel des Ma- mers, führte eine. Colonie in Picenum, damals Umbrisch oder Liburnisch; ein Stier eine andre Menge in das Land der Opiker, und dies ward das große Samnitische Volk. Von diesem wissen wir schon historisch, daß Pflanzvölker von ihm ausgingen, die sich vom Mutterstaat trennten. Die Frentaner, an der Küste des Adriatischen Meers, wa- ren Samniter 1), wohl nicht abgesondert. Samniter er- oberten Campanien und das Land bis an den Silarus; diese wurden nachher Picentiner genannt: eine andre
99) Dionysius I. c. 16. Strabo V. c. 4. §. 12. Festus, s. v. ver sacrum.
100) Livius XXII. c. 9.
1) Strabo V. c. 4. §. 2.
ſie in ſehr alten Zeiten aus, lange vor den troiſchen, und hier die Aboriginer, dort die Umbrer verdraͤngend, nah- men ſie die Landſchaft ein, welche ſeit dreytauſend Jahren ihren Nahmen traͤgt. Aus dieſer wanderte die uͤberſtroͤ- mende Fuͤlle des Volks nach verſchiednen Gegenden aus. Es war eine altitaliſche allgemeine Sitte, in ſchweren Krie- gen den Goͤttern einen heiligen Fruͤhling (ver sacrum) zu weihen: alle Geburten des Fruͤhlings, vielleicht des gan- zen Jahrs: das Vieh ward geopfert, die Jugend wenn ſie erwachſen war ausgeſandt 99). Dies gelobten die Roͤ- mer im zweyten Jahr des hannibaliſchen Kriegs, doch nur von der Habe 100). Solche Geluͤbde veranlaßten nach der Sage die Auswandrung der Sabelliſchen Pflanz- voͤlker. Die Goͤtter ſandten heilige Thiere, ſie auf dem Pfad zu leiten. Ein Specht, der heilige Vogel des Ma- mers, fuͤhrte eine. Colonie in Picenum, damals Umbriſch oder Liburniſch; ein Stier eine andre Menge in das Land der Opiker, und dies ward das große Samnitiſche Volk. Von dieſem wiſſen wir ſchon hiſtoriſch, daß Pflanzvoͤlker von ihm ausgingen, die ſich vom Mutterſtaat trennten. Die Frentaner, an der Kuͤſte des Adriatiſchen Meers, wa- ren Samniter 1), wohl nicht abgeſondert. Samniter er- oberten Campanien und das Land bis an den Silarus; dieſe wurden nachher Picentiner genannt: eine andre
99) Dionyſius I. c. 16. Strabo V. c. 4. §. 12. Feſtus, s. v. ver sacrum.
100) Livius XXII. c. 9.
1) Strabo V. c. 4. §. 2.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0078"n="56"/>ſie in ſehr alten Zeiten aus, lange vor den troiſchen, und<lb/>
hier die Aboriginer, dort die Umbrer verdraͤngend, nah-<lb/>
men ſie die Landſchaft ein, welche ſeit dreytauſend Jahren<lb/>
ihren Nahmen traͤgt. Aus dieſer wanderte die uͤberſtroͤ-<lb/>
mende Fuͤlle des Volks nach verſchiednen Gegenden aus.<lb/>
Es war eine altitaliſche allgemeine Sitte, in ſchweren Krie-<lb/>
gen den Goͤttern einen heiligen Fruͤhling (<hirendition="#aq">ver sacrum</hi>) zu<lb/>
weihen: alle Geburten des Fruͤhlings, vielleicht des gan-<lb/>
zen Jahrs: das Vieh ward geopfert, die Jugend wenn ſie<lb/>
erwachſen war ausgeſandt <noteplace="foot"n="99)">Dionyſius <hirendition="#aq">I. c.</hi> 16. Strabo <hirendition="#aq">V. c.</hi> 4. §. 12. Feſtus,<lb/><hirendition="#aq">s. v. ver sacrum.</hi></note>. Dies gelobten die Roͤ-<lb/>
mer im zweyten Jahr des hannibaliſchen Kriegs, doch<lb/>
nur von der Habe <noteplace="foot"n="100)">Livius <hirendition="#aq">XXII. c.</hi> 9.</note>. Solche Geluͤbde veranlaßten<lb/>
nach der Sage die Auswandrung der Sabelliſchen Pflanz-<lb/>
voͤlker. Die Goͤtter ſandten heilige Thiere, ſie auf dem<lb/>
Pfad zu leiten. Ein Specht, der heilige Vogel des Ma-<lb/>
mers, fuͤhrte eine. Colonie in Picenum, damals Umbriſch<lb/>
oder Liburniſch; ein Stier eine andre Menge in das Land<lb/>
der Opiker, und dies ward das große Samnitiſche Volk.<lb/>
Von dieſem wiſſen wir ſchon hiſtoriſch, daß Pflanzvoͤlker<lb/>
von ihm ausgingen, die ſich vom Mutterſtaat trennten.<lb/>
Die Frentaner, an der Kuͤſte des Adriatiſchen Meers, wa-<lb/>
ren Samniter <noteplace="foot"n="1)">Strabo <hirendition="#aq">V. c.</hi> 4. §. 2.</note>, wohl nicht abgeſondert. Samniter er-<lb/>
oberten Campanien und das Land bis an den Silarus;<lb/>
dieſe wurden nachher Picentiner genannt: eine andre<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[56/0078]
ſie in ſehr alten Zeiten aus, lange vor den troiſchen, und
hier die Aboriginer, dort die Umbrer verdraͤngend, nah-
men ſie die Landſchaft ein, welche ſeit dreytauſend Jahren
ihren Nahmen traͤgt. Aus dieſer wanderte die uͤberſtroͤ-
mende Fuͤlle des Volks nach verſchiednen Gegenden aus.
Es war eine altitaliſche allgemeine Sitte, in ſchweren Krie-
gen den Goͤttern einen heiligen Fruͤhling (ver sacrum) zu
weihen: alle Geburten des Fruͤhlings, vielleicht des gan-
zen Jahrs: das Vieh ward geopfert, die Jugend wenn ſie
erwachſen war ausgeſandt 99). Dies gelobten die Roͤ-
mer im zweyten Jahr des hannibaliſchen Kriegs, doch
nur von der Habe 100). Solche Geluͤbde veranlaßten
nach der Sage die Auswandrung der Sabelliſchen Pflanz-
voͤlker. Die Goͤtter ſandten heilige Thiere, ſie auf dem
Pfad zu leiten. Ein Specht, der heilige Vogel des Ma-
mers, fuͤhrte eine. Colonie in Picenum, damals Umbriſch
oder Liburniſch; ein Stier eine andre Menge in das Land
der Opiker, und dies ward das große Samnitiſche Volk.
Von dieſem wiſſen wir ſchon hiſtoriſch, daß Pflanzvoͤlker
von ihm ausgingen, die ſich vom Mutterſtaat trennten.
Die Frentaner, an der Kuͤſte des Adriatiſchen Meers, wa-
ren Samniter 1), wohl nicht abgeſondert. Samniter er-
oberten Campanien und das Land bis an den Silarus;
dieſe wurden nachher Picentiner genannt: eine andre
99) Dionyſius I. c. 16. Strabo V. c. 4. §. 12. Feſtus,
s. v. ver sacrum.
100) Livius XXII. c. 9.
1) Strabo V. c. 4. §. 2.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/78>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.