Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.cisalpinische Gallien, die gleich nach der gallischen Ein- 45) Wie die Ebenen der Veneter, welche die Tusker nie ein-
nahmen, deren Eroberung selbst eine große Bevölkerung und feste Städte doch nicht so schwierig machen konnten, als Natur und Volk in Rhätien. cisalpiniſche Gallien, die gleich nach der galliſchen Ein- 45) Wie die Ebenen der Veneter, welche die Tusker nie ein-
nahmen, deren Eroberung ſelbſt eine große Bevoͤlkerung und feſte Staͤdte doch nicht ſo ſchwierig machen konnten, als Natur und Volk in Rhaͤtien. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0094" n="72"/> cisalpiniſche Gallien, die gleich nach der galliſchen Ein-<lb/> wandrung begannen. Und ſo lange noch ein Vaterland<lb/> jenſeits des Po oder der Apenninen die vertriebenen<lb/> Etrusker aufnehmen konnte, wuͤrden ſelbſt ihre Neigun-<lb/> gen ſie nicht noͤrdlich gefuͤhrt haben. Eben dies iſt auch<lb/> in der fruͤhern Zeit ihrer Bluͤthe ganz unwahrſcheinlich.<lb/> Auswandrungen aus der Ebne in das Gebuͤrg hinauf<lb/> ſind gegen alle Geſchichte, Auswandrungen gegen Nor-<lb/> den unbezweifelt hiſtoriſch in ſehr wenigen Faͤllen. Ein<lb/> reiches Volk wird auch arme Gebirge aus Herrſchſucht<lb/> erobern; aus Vorſicht beſetzen: aber daß es die alten<lb/> Einwohner durch Coloniſation verdraͤngen ſollte, wenn<lb/> lachendere Gegenden reizen <note place="foot" n="45)">Wie die Ebenen der Veneter, welche die Tusker nie ein-<lb/> nahmen, deren Eroberung ſelbſt eine große Bevoͤlkerung und<lb/> feſte Staͤdte doch nicht ſo ſchwierig machen konnten, als<lb/> Natur und Volk in Rhaͤtien.</note>, iſt am wenigſten bey<lb/> einem Bundesſtaat der alten Welt wie der des Tuski-<lb/> ſchen Volks wahrſcheinlich. Solche mit ſichern Opfern<lb/> und geringem Gewinn verbundne Unternehmungen koͤn-<lb/> nen nur von Reflection eingegeben werden, und wur-<lb/> den ſicher nicht von einer ſo loſen Verbuͤndung beſchloſ-<lb/> ſen, deren einzelne Glieder ſich beſtaͤndig nach eignen<lb/> Ruͤckſichten der Gegenwart beſtimmten, und ihre ange-<lb/> griffenen Bundesgenoſſen ſehr ſelten mit geſammter Macht<lb/> vertheidigten. Denn eben in dem voͤlligen Mangel al-<lb/> ler gemeinſchaftlichen Unternehmungen lag der Grund<lb/> des Untergangs der Nation an beyden Seiten der<lb/> Apenninen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72/0094]
cisalpiniſche Gallien, die gleich nach der galliſchen Ein-
wandrung begannen. Und ſo lange noch ein Vaterland
jenſeits des Po oder der Apenninen die vertriebenen
Etrusker aufnehmen konnte, wuͤrden ſelbſt ihre Neigun-
gen ſie nicht noͤrdlich gefuͤhrt haben. Eben dies iſt auch
in der fruͤhern Zeit ihrer Bluͤthe ganz unwahrſcheinlich.
Auswandrungen aus der Ebne in das Gebuͤrg hinauf
ſind gegen alle Geſchichte, Auswandrungen gegen Nor-
den unbezweifelt hiſtoriſch in ſehr wenigen Faͤllen. Ein
reiches Volk wird auch arme Gebirge aus Herrſchſucht
erobern; aus Vorſicht beſetzen: aber daß es die alten
Einwohner durch Coloniſation verdraͤngen ſollte, wenn
lachendere Gegenden reizen 45), iſt am wenigſten bey
einem Bundesſtaat der alten Welt wie der des Tuski-
ſchen Volks wahrſcheinlich. Solche mit ſichern Opfern
und geringem Gewinn verbundne Unternehmungen koͤn-
nen nur von Reflection eingegeben werden, und wur-
den ſicher nicht von einer ſo loſen Verbuͤndung beſchloſ-
ſen, deren einzelne Glieder ſich beſtaͤndig nach eignen
Ruͤckſichten der Gegenwart beſtimmten, und ihre ange-
griffenen Bundesgenoſſen ſehr ſelten mit geſammter Macht
vertheidigten. Denn eben in dem voͤlligen Mangel al-
ler gemeinſchaftlichen Unternehmungen lag der Grund
des Untergangs der Nation an beyden Seiten der
Apenninen.
45) Wie die Ebenen der Veneter, welche die Tusker nie ein-
nahmen, deren Eroberung ſelbſt eine große Bevoͤlkerung und
feſte Staͤdte doch nicht ſo ſchwierig machen konnten, als
Natur und Volk in Rhaͤtien.
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