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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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ohne Vergleich über Livius, wie wenig aber auch
er nur einen Begriff davon hatte worin die innere
Geschichte der alten Zeit von der des Jahrhunderts
seiner Väter und seiner Jugend verschieden und gar
nicht mit ihr zu vergleichen war, muß jedem klar
werden der ihn aufmerksam ließt. Wie Livius durch
die Täuschung gleichlautender Worte die mit den
Jahrhunderten einen ganz andern Sinn angenom-
men hatten und den Zauber der Factionsnahmen
irre geleitet ward, erklärt sich so sehr leicht.

In der neueren Geschichte ist es nicht schwer,
unser Urtheil unabhängig zu halten: gleichzeitige
Zeugen reden noch mit tausend Zungen, jedem ver-
nehmlich der sie hören will. In der griechischen hat
nur Xenophon verfälscht. Auch über die römische
können wir nicht irren. Ich nehme die einzelnen
Begebenheiten: den Mord des Genucius: die be-
schützten Gewaltthätigkeiten der frechen Jugend:
Appius den Decemvir, und die Patricier seiner
Zeit: den Wuchergräuel: den Bruch jedes Ver-
trags: die Verweigerung einer Armee an den plebe-
jischen Dictator als das Vaterland bedroht war: eine
ganze Reihe von Thaten in demselben Geist; -- und

ohne Vergleich uͤber Livius, wie wenig aber auch
er nur einen Begriff davon hatte worin die innere
Geſchichte der alten Zeit von der des Jahrhunderts
ſeiner Vaͤter und ſeiner Jugend verſchieden und gar
nicht mit ihr zu vergleichen war, muß jedem klar
werden der ihn aufmerkſam ließt. Wie Livius durch
die Taͤuſchung gleichlautender Worte die mit den
Jahrhunderten einen ganz andern Sinn angenom-
men hatten und den Zauber der Factionsnahmen
irre geleitet ward, erklaͤrt ſich ſo ſehr leicht.

In der neueren Geſchichte iſt es nicht ſchwer,
unſer Urtheil unabhaͤngig zu halten: gleichzeitige
Zeugen reden noch mit tauſend Zungen, jedem ver-
nehmlich der ſie hoͤren will. In der griechiſchen hat
nur Xenophon verfaͤlſcht. Auch uͤber die roͤmiſche
koͤnnen wir nicht irren. Ich nehme die einzelnen
Begebenheiten: den Mord des Genucius: die be-
ſchuͤtzten Gewaltthaͤtigkeiten der frechen Jugend:
Appius den Decemvir, und die Patricier ſeiner
Zeit: den Wuchergraͤuel: den Bruch jedes Ver-
trags: die Verweigerung einer Armee an den plebe-
jiſchen Dictator als das Vaterland bedroht war: eine
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[VI/0012] ohne Vergleich uͤber Livius, wie wenig aber auch er nur einen Begriff davon hatte worin die innere Geſchichte der alten Zeit von der des Jahrhunderts ſeiner Vaͤter und ſeiner Jugend verſchieden und gar nicht mit ihr zu vergleichen war, muß jedem klar werden der ihn aufmerkſam ließt. Wie Livius durch die Taͤuſchung gleichlautender Worte die mit den Jahrhunderten einen ganz andern Sinn angenom- men hatten und den Zauber der Factionsnahmen irre geleitet ward, erklaͤrt ſich ſo ſehr leicht. In der neueren Geſchichte iſt es nicht ſchwer, unſer Urtheil unabhaͤngig zu halten: gleichzeitige Zeugen reden noch mit tauſend Zungen, jedem ver- nehmlich der ſie hoͤren will. In der griechiſchen hat nur Xenophon verfaͤlſcht. Auch uͤber die roͤmiſche koͤnnen wir nicht irren. Ich nehme die einzelnen Begebenheiten: den Mord des Genucius: die be- ſchuͤtzten Gewaltthaͤtigkeiten der frechen Jugend: Appius den Decemvir, und die Patricier ſeiner Zeit: den Wuchergraͤuel: den Bruch jedes Ver- trags: die Verweigerung einer Armee an den plebe- jiſchen Dictator als das Vaterland bedroht war: eine ganze Reihe von Thaten in demſelben Geiſt; — und

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/12>, abgerufen am 21.11.2024.