gen hatte, und Libyen: hier erscheint sie fürchterlich um die Mitte des vierten Jahrhunderts: ihre Verwüstungen schienen Karthagos Macht vernichtet und die punische Na- tion fast vertilgt zu haben 10).
War nun diese Seuche aus fortglimmenden Funken jener entbrannt welche früher in Italien und Griechenland gewüthet hatte, so glich diese Pest auch in ihrer Ebbe und Fluth, und ihrer mehr als sechszigjährigen Periode jener des sechsten Jahrhunderts unsrer Zeitrechnung welche die Vertilgung der alten Welt mehr entschieden hat als die Barbaren. Diese vieljährigen Perioden, an deren Ende sie aufhören oder ihre Art ändern, sind den zerstörendsten Seuchen gemein: wenn sie sich mildern, dann scheint es als ob die Heilkunst Mittel gegen sie gewonnen hätte; und die Geschlechter welche in einer Zeit leben die von ihnen frey ist, anstatt dem Schicksal zu danken, das die Länder in ihren Tagen dem Würgengel nicht hingiebt, wähnen sich durch Polizey und vervollkommte Wissenschaft geschützt.
Solche Pesten sind Zeiten der Herrschaft des Todes, als positiven Prinzips der Vertilgung des Menschenlebens, wie er an den Orten unverkennbar erscheint, wo, bey üp- pigem Gedeihen der Vegetation, ganze Landstriche dem Menschen tödtlich, oder doch nur durch unaufhörliche Er- gänzung der Aussterbenden bewohnbar sind, und ihre Gränzen zum Theil mit jedem Jahr erweitern. In an- dern Gegenden stirbt auch die Vegetation ab, und auf ewig: durch anwachsende Dürre, Versalzung des Bo- dens, durch Ausbreitung der Region des Frosts, durch
10) Diodor XIII. c. 14. XIV. c. 41. 43. 47.
gen hatte, und Libyen: hier erſcheint ſie fuͤrchterlich um die Mitte des vierten Jahrhunderts: ihre Verwuͤſtungen ſchienen Karthagos Macht vernichtet und die puniſche Na- tion faſt vertilgt zu haben 10).
War nun dieſe Seuche aus fortglimmenden Funken jener entbrannt welche fruͤher in Italien und Griechenland gewuͤthet hatte, ſo glich dieſe Peſt auch in ihrer Ebbe und Fluth, und ihrer mehr als ſechszigjaͤhrigen Periode jener des ſechſten Jahrhunderts unſrer Zeitrechnung welche die Vertilgung der alten Welt mehr entſchieden hat als die Barbaren. Dieſe vieljaͤhrigen Perioden, an deren Ende ſie aufhoͤren oder ihre Art aͤndern, ſind den zerſtoͤrendſten Seuchen gemein: wenn ſie ſich mildern, dann ſcheint es als ob die Heilkunſt Mittel gegen ſie gewonnen haͤtte; und die Geſchlechter welche in einer Zeit leben die von ihnen frey iſt, anſtatt dem Schickſal zu danken, das die Laͤnder in ihren Tagen dem Wuͤrgengel nicht hingiebt, waͤhnen ſich durch Polizey und vervollkommte Wiſſenſchaft geſchuͤtzt.
Solche Peſten ſind Zeiten der Herrſchaft des Todes, als poſitiven Prinzips der Vertilgung des Menſchenlebens, wie er an den Orten unverkennbar erſcheint, wo, bey uͤp- pigem Gedeihen der Vegetation, ganze Landſtriche dem Menſchen toͤdtlich, oder doch nur durch unaufhoͤrliche Er- gaͤnzung der Ausſterbenden bewohnbar ſind, und ihre Graͤnzen zum Theil mit jedem Jahr erweitern. In an- dern Gegenden ſtirbt auch die Vegetation ab, und auf ewig: durch anwachſende Duͤrre, Verſalzung des Bo- dens, durch Ausbreitung der Region des Froſts, durch
10) Diodor XIII. c. 14. XIV. c. 41. 43. 47.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0120"n="104"/>
gen hatte, und Libyen: hier erſcheint ſie fuͤrchterlich um<lb/>
die Mitte des vierten Jahrhunderts: ihre Verwuͤſtungen<lb/>ſchienen Karthagos Macht vernichtet und die puniſche Na-<lb/>
tion faſt vertilgt zu haben <noteplace="foot"n="10)">Diodor <hirendition="#aq">XIII. c. 14. XIV. c.</hi> 41. 43. 47.</note>.</p><lb/><p>War nun dieſe Seuche aus fortglimmenden Funken<lb/>
jener entbrannt welche fruͤher in Italien und Griechenland<lb/>
gewuͤthet hatte, ſo glich dieſe Peſt auch in ihrer Ebbe und<lb/>
Fluth, und ihrer mehr als ſechszigjaͤhrigen Periode jener<lb/>
des ſechſten Jahrhunderts unſrer Zeitrechnung welche die<lb/>
Vertilgung der alten Welt mehr entſchieden hat als die<lb/>
Barbaren. Dieſe vieljaͤhrigen Perioden, an deren Ende<lb/>ſie aufhoͤren oder ihre Art aͤndern, ſind den zerſtoͤrendſten<lb/>
Seuchen gemein: wenn ſie ſich mildern, dann ſcheint es<lb/>
als ob die Heilkunſt Mittel gegen ſie gewonnen haͤtte; und<lb/>
die Geſchlechter welche in einer Zeit leben die von ihnen<lb/>
frey iſt, anſtatt dem Schickſal zu danken, das die Laͤnder<lb/>
in ihren Tagen dem Wuͤrgengel nicht hingiebt, waͤhnen ſich<lb/>
durch Polizey und vervollkommte Wiſſenſchaft geſchuͤtzt.</p><lb/><p>Solche Peſten ſind Zeiten der Herrſchaft des Todes,<lb/>
als poſitiven Prinzips der Vertilgung des Menſchenlebens,<lb/>
wie er an den Orten unverkennbar erſcheint, wo, bey uͤp-<lb/>
pigem Gedeihen der Vegetation, ganze Landſtriche dem<lb/>
Menſchen toͤdtlich, oder doch nur durch unaufhoͤrliche Er-<lb/>
gaͤnzung der Ausſterbenden bewohnbar ſind, und ihre<lb/>
Graͤnzen zum Theil mit jedem Jahr erweitern. In an-<lb/>
dern Gegenden ſtirbt auch die Vegetation ab, und auf<lb/>
ewig: durch anwachſende Duͤrre, Verſalzung des Bo-<lb/>
dens, durch Ausbreitung der Region des Froſts, durch<lb/></p></div></body></text></TEI>
[104/0120]
gen hatte, und Libyen: hier erſcheint ſie fuͤrchterlich um
die Mitte des vierten Jahrhunderts: ihre Verwuͤſtungen
ſchienen Karthagos Macht vernichtet und die puniſche Na-
tion faſt vertilgt zu haben 10).
War nun dieſe Seuche aus fortglimmenden Funken
jener entbrannt welche fruͤher in Italien und Griechenland
gewuͤthet hatte, ſo glich dieſe Peſt auch in ihrer Ebbe und
Fluth, und ihrer mehr als ſechszigjaͤhrigen Periode jener
des ſechſten Jahrhunderts unſrer Zeitrechnung welche die
Vertilgung der alten Welt mehr entſchieden hat als die
Barbaren. Dieſe vieljaͤhrigen Perioden, an deren Ende
ſie aufhoͤren oder ihre Art aͤndern, ſind den zerſtoͤrendſten
Seuchen gemein: wenn ſie ſich mildern, dann ſcheint es
als ob die Heilkunſt Mittel gegen ſie gewonnen haͤtte; und
die Geſchlechter welche in einer Zeit leben die von ihnen
frey iſt, anſtatt dem Schickſal zu danken, das die Laͤnder
in ihren Tagen dem Wuͤrgengel nicht hingiebt, waͤhnen ſich
durch Polizey und vervollkommte Wiſſenſchaft geſchuͤtzt.
Solche Peſten ſind Zeiten der Herrſchaft des Todes,
als poſitiven Prinzips der Vertilgung des Menſchenlebens,
wie er an den Orten unverkennbar erſcheint, wo, bey uͤp-
pigem Gedeihen der Vegetation, ganze Landſtriche dem
Menſchen toͤdtlich, oder doch nur durch unaufhoͤrliche Er-
gaͤnzung der Ausſterbenden bewohnbar ſind, und ihre
Graͤnzen zum Theil mit jedem Jahr erweitern. In an-
dern Gegenden ſtirbt auch die Vegetation ab, und auf
ewig: durch anwachſende Duͤrre, Verſalzung des Bo-
dens, durch Ausbreitung der Region des Froſts, durch
10) Diodor XIII. c. 14. XIV. c. 41. 43. 47.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/120>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.