Daher erklärt es sich daß die Negersklaven, unter gleich harten Arbeiten und gleich harter Behandlung, in demselben abscheulichen Mißverhältniß der Geschlechter- zahl eingeführt, in den weitläuftigen Provinzen des festen Landes, selbst auf Cuba, sich stark vermehren: während es ein frommer Traum bleiben wird, ihre Zahl lasse sich auf den kleineren Inseln ohne erzwungene Ergänzung er- halten: daher sind in neu angebauten Ländern die Frauen über die Gränze ihrer Zeit hinaus fruchtbar, und die es nie waren werden es: daher die unläugbare außerordent- liche Zahl der Geburten welche immer einer schweren Pest folgt: es ist die Fruchtbarkeit der Geschlechtsverbindun- gen weit mehr als die Zahl der Ehen welche den Anwachs der Volksmenge bestimmt.
Es giebt Volksstämme die, seitdem wir sie kennen, in beständiger Abnahme sind; Menschenarten denen die bloße umgebende Nähe einer andern verderblich ist, durch jene Antipathie wie sie im Pflanzenreich wohl bekannt ist: die, umgeben von Europäern, aussterben, wo diese sich unbeschreiblich vermehren: oder sie sterben hin wenn ihre angeerbte Lebensweise geändert, und eine andre, auch ohne alle Mißhandlung, ihnen aufgedrungen wird; und dies vermindert die Schuld der Europäer bey der Entvöl- kerung der neuen Welt. Es giebt Nationen welche durch Elend und Sklaverey niedergetreten, in der Leibeigen- schaft vegetirend, die kleine Zahl nicht anwachsen sehen mit der sie sparsam über fruchtbare Landschaften zerstreut sind. Auch andre Völker, obwohl ihr Loos leichter ist, doch gefallen von einer ehemaligen Höhe, und in unauf-
Daher erklaͤrt es ſich daß die Negerſklaven, unter gleich harten Arbeiten und gleich harter Behandlung, in demſelben abſcheulichen Mißverhaͤltniß der Geſchlechter- zahl eingefuͤhrt, in den weitlaͤuftigen Provinzen des feſten Landes, ſelbſt auf Cuba, ſich ſtark vermehren: waͤhrend es ein frommer Traum bleiben wird, ihre Zahl laſſe ſich auf den kleineren Inſeln ohne erzwungene Ergaͤnzung er- halten: daher ſind in neu angebauten Laͤndern die Frauen uͤber die Graͤnze ihrer Zeit hinaus fruchtbar, und die es nie waren werden es: daher die unlaͤugbare außerordent- liche Zahl der Geburten welche immer einer ſchweren Peſt folgt: es iſt die Fruchtbarkeit der Geſchlechtsverbindun- gen weit mehr als die Zahl der Ehen welche den Anwachs der Volksmenge beſtimmt.
Es giebt Volksſtaͤmme die, ſeitdem wir ſie kennen, in beſtaͤndiger Abnahme ſind; Menſchenarten denen die bloße umgebende Naͤhe einer andern verderblich iſt, durch jene Antipathie wie ſie im Pflanzenreich wohl bekannt iſt: die, umgeben von Europaͤern, ausſterben, wo dieſe ſich unbeſchreiblich vermehren: oder ſie ſterben hin wenn ihre angeerbte Lebensweiſe geaͤndert, und eine andre, auch ohne alle Mißhandlung, ihnen aufgedrungen wird; und dies vermindert die Schuld der Europaͤer bey der Entvoͤl- kerung der neuen Welt. Es giebt Nationen welche durch Elend und Sklaverey niedergetreten, in der Leibeigen- ſchaft vegetirend, die kleine Zahl nicht anwachſen ſehen mit der ſie ſparſam uͤber fruchtbare Landſchaften zerſtreut ſind. Auch andre Voͤlker, obwohl ihr Loos leichter iſt, doch gefallen von einer ehemaligen Hoͤhe, und in unauf-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0122"n="106"/><p>Daher erklaͤrt es ſich daß die Negerſklaven, unter<lb/>
gleich harten Arbeiten und gleich harter Behandlung, in<lb/>
demſelben abſcheulichen Mißverhaͤltniß der Geſchlechter-<lb/>
zahl eingefuͤhrt, in den weitlaͤuftigen Provinzen des feſten<lb/>
Landes, ſelbſt auf Cuba, ſich ſtark vermehren: waͤhrend<lb/>
es ein frommer Traum bleiben wird, ihre Zahl laſſe ſich<lb/>
auf den kleineren Inſeln ohne erzwungene Ergaͤnzung er-<lb/>
halten: daher ſind in neu angebauten Laͤndern die Frauen<lb/>
uͤber die Graͤnze ihrer Zeit hinaus fruchtbar, und die es<lb/>
nie waren werden es: daher die unlaͤugbare außerordent-<lb/>
liche Zahl der Geburten welche immer einer ſchweren Peſt<lb/>
folgt: es iſt die Fruchtbarkeit der Geſchlechtsverbindun-<lb/>
gen weit mehr als die Zahl der Ehen welche den Anwachs<lb/>
der Volksmenge beſtimmt.</p><lb/><p>Es giebt Volksſtaͤmme die, ſeitdem wir ſie kennen,<lb/>
in beſtaͤndiger Abnahme ſind; Menſchenarten denen die<lb/>
bloße umgebende Naͤhe einer andern verderblich iſt, durch<lb/>
jene Antipathie wie ſie im Pflanzenreich wohl bekannt iſt:<lb/>
die, umgeben von Europaͤern, ausſterben, wo dieſe ſich<lb/>
unbeſchreiblich vermehren: oder ſie ſterben hin wenn ihre<lb/>
angeerbte Lebensweiſe geaͤndert, und eine andre, auch<lb/>
ohne alle Mißhandlung, ihnen aufgedrungen wird; und<lb/>
dies vermindert die Schuld der Europaͤer bey der Entvoͤl-<lb/>
kerung der neuen Welt. Es giebt Nationen welche durch<lb/>
Elend und Sklaverey niedergetreten, in der Leibeigen-<lb/>ſchaft vegetirend, die kleine Zahl nicht anwachſen ſehen<lb/>
mit der ſie ſparſam uͤber fruchtbare Landſchaften zerſtreut<lb/>ſind. Auch andre Voͤlker, obwohl ihr Loos leichter iſt,<lb/>
doch gefallen von einer ehemaligen Hoͤhe, und in unauf-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[106/0122]
Daher erklaͤrt es ſich daß die Negerſklaven, unter
gleich harten Arbeiten und gleich harter Behandlung, in
demſelben abſcheulichen Mißverhaͤltniß der Geſchlechter-
zahl eingefuͤhrt, in den weitlaͤuftigen Provinzen des feſten
Landes, ſelbſt auf Cuba, ſich ſtark vermehren: waͤhrend
es ein frommer Traum bleiben wird, ihre Zahl laſſe ſich
auf den kleineren Inſeln ohne erzwungene Ergaͤnzung er-
halten: daher ſind in neu angebauten Laͤndern die Frauen
uͤber die Graͤnze ihrer Zeit hinaus fruchtbar, und die es
nie waren werden es: daher die unlaͤugbare außerordent-
liche Zahl der Geburten welche immer einer ſchweren Peſt
folgt: es iſt die Fruchtbarkeit der Geſchlechtsverbindun-
gen weit mehr als die Zahl der Ehen welche den Anwachs
der Volksmenge beſtimmt.
Es giebt Volksſtaͤmme die, ſeitdem wir ſie kennen,
in beſtaͤndiger Abnahme ſind; Menſchenarten denen die
bloße umgebende Naͤhe einer andern verderblich iſt, durch
jene Antipathie wie ſie im Pflanzenreich wohl bekannt iſt:
die, umgeben von Europaͤern, ausſterben, wo dieſe ſich
unbeſchreiblich vermehren: oder ſie ſterben hin wenn ihre
angeerbte Lebensweiſe geaͤndert, und eine andre, auch
ohne alle Mißhandlung, ihnen aufgedrungen wird; und
dies vermindert die Schuld der Europaͤer bey der Entvoͤl-
kerung der neuen Welt. Es giebt Nationen welche durch
Elend und Sklaverey niedergetreten, in der Leibeigen-
ſchaft vegetirend, die kleine Zahl nicht anwachſen ſehen
mit der ſie ſparſam uͤber fruchtbare Landſchaften zerſtreut
ſind. Auch andre Voͤlker, obwohl ihr Loos leichter iſt,
doch gefallen von einer ehemaligen Hoͤhe, und in unauf-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/122>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.