einigung, auf die Patricier hinblickte bey denen es doch auch einiges Gefühl für die Freyheit erwartete, und in seinem Widerstand den Anfang ihrer Wiederbelebung zu sehen träumte. Am folgenden Tage war der Senat zahl- reich versammelt: und Appius Claudius trug auf den Beschluß an, Soldaten auszuheben. Die Versammlung nahm den Vortrag an ohne Einwendung gegen das Verfassungswidrige. Unter allen Patriciern war nur noch zwey Männern die Freyheit theuer, nur zwey be- wahrten die Grundsätze und die Sinnesart ihrer Vor- fahren, und ihren Muth: L. Valerius Potitus, und M. Horatius Barbatus. Valerius forderte daß vor allem der Zustand der Nation erwogen werde: und als die Decemvirn ihn unter Drohungen auf den Gegenstand des Vortrags einschränkten, rief er, wenn ihn der Se- nat nicht hören wolle, so werde er das Volk berufen: die Decemvirn wären nicht besser berechtigt als er Vor- rechte der Magistratur auszuüben. Horatius redete noch drohender. C. Claudius, des Decemvirs Oheim, sprach besänftigend, und warnte gegen heftige Bewegungen welche das Interesse des Standes in Gefahr brächten. Er bat die Decemvirn sich mit dem Senat friedlich zu verständigen; und trug darauf an daß kein Beschluß ge- faßt werde. Dies hätte die Gesetzwidrigkeit der gegen- wärtigen Macht erklärt, und, wenn sie weichen wollte, eine Unterhandlung vorbereitet, entweder sie, mit Her- stellung des Ansehens des Senats, zu bestätigen, oder eine Veränderung zu treffen wodurch die tribunicische Gewalt abgeschafft geblieben wäre. L. Cornelius Ma-
einigung, auf die Patricier hinblickte bey denen es doch auch einiges Gefuͤhl fuͤr die Freyheit erwartete, und in ſeinem Widerſtand den Anfang ihrer Wiederbelebung zu ſehen traͤumte. Am folgenden Tage war der Senat zahl- reich verſammelt: und Appius Claudius trug auf den Beſchluß an, Soldaten auszuheben. Die Verſammlung nahm den Vortrag an ohne Einwendung gegen das Verfaſſungswidrige. Unter allen Patriciern war nur noch zwey Maͤnnern die Freyheit theuer, nur zwey be- wahrten die Grundſaͤtze und die Sinnesart ihrer Vor- fahren, und ihren Muth: L. Valerius Potitus, und M. Horatius Barbatus. Valerius forderte daß vor allem der Zuſtand der Nation erwogen werde: und als die Decemvirn ihn unter Drohungen auf den Gegenſtand des Vortrags einſchraͤnkten, rief er, wenn ihn der Se- nat nicht hoͤren wolle, ſo werde er das Volk berufen: die Decemvirn waͤren nicht beſſer berechtigt als er Vor- rechte der Magiſtratur auszuuͤben. Horatius redete noch drohender. C. Claudius, des Decemvirs Oheim, ſprach beſaͤnftigend, und warnte gegen heftige Bewegungen welche das Intereſſe des Standes in Gefahr braͤchten. Er bat die Decemvirn ſich mit dem Senat friedlich zu verſtaͤndigen; und trug darauf an daß kein Beſchluß ge- faßt werde. Dies haͤtte die Geſetzwidrigkeit der gegen- waͤrtigen Macht erklaͤrt, und, wenn ſie weichen wollte, eine Unterhandlung vorbereitet, entweder ſie, mit Her- ſtellung des Anſehens des Senats, zu beſtaͤtigen, oder eine Veraͤnderung zu treffen wodurch die tribuniciſche Gewalt abgeſchafft geblieben waͤre. L. Cornelius Ma-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0142"n="126"/>
einigung, auf die Patricier hinblickte bey denen es doch<lb/>
auch einiges Gefuͤhl fuͤr die Freyheit erwartete, und in<lb/>ſeinem Widerſtand den Anfang ihrer Wiederbelebung zu<lb/>ſehen traͤumte. Am folgenden Tage war der Senat zahl-<lb/>
reich verſammelt: und Appius Claudius trug auf den<lb/>
Beſchluß an, Soldaten auszuheben. Die Verſammlung<lb/>
nahm den Vortrag an ohne Einwendung gegen das<lb/>
Verfaſſungswidrige. Unter allen Patriciern war nur<lb/>
noch zwey Maͤnnern die Freyheit theuer, nur zwey be-<lb/>
wahrten die Grundſaͤtze und die Sinnesart ihrer Vor-<lb/>
fahren, und ihren Muth: L. Valerius Potitus, und M.<lb/>
Horatius Barbatus. Valerius forderte daß vor allem<lb/>
der Zuſtand der Nation erwogen werde: und als die<lb/>
Decemvirn ihn unter Drohungen auf den Gegenſtand<lb/>
des Vortrags einſchraͤnkten, rief er, wenn ihn der Se-<lb/>
nat nicht hoͤren wolle, ſo werde er das Volk berufen:<lb/>
die Decemvirn waͤren nicht beſſer berechtigt als er Vor-<lb/>
rechte der Magiſtratur auszuuͤben. Horatius redete noch<lb/>
drohender. C. Claudius, des Decemvirs Oheim, ſprach<lb/>
beſaͤnftigend, und warnte gegen heftige Bewegungen<lb/>
welche das Intereſſe des Standes in Gefahr braͤchten.<lb/>
Er bat die Decemvirn ſich mit dem Senat friedlich zu<lb/>
verſtaͤndigen; und trug darauf an daß kein Beſchluß ge-<lb/>
faßt werde. Dies haͤtte die Geſetzwidrigkeit der gegen-<lb/>
waͤrtigen Macht erklaͤrt, und, wenn ſie weichen wollte,<lb/>
eine Unterhandlung vorbereitet, entweder ſie, mit Her-<lb/>ſtellung des Anſehens des Senats, zu beſtaͤtigen, oder<lb/>
eine Veraͤnderung zu treffen wodurch die tribuniciſche<lb/>
Gewalt abgeſchafft geblieben waͤre. L. Cornelius Ma-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[126/0142]
einigung, auf die Patricier hinblickte bey denen es doch
auch einiges Gefuͤhl fuͤr die Freyheit erwartete, und in
ſeinem Widerſtand den Anfang ihrer Wiederbelebung zu
ſehen traͤumte. Am folgenden Tage war der Senat zahl-
reich verſammelt: und Appius Claudius trug auf den
Beſchluß an, Soldaten auszuheben. Die Verſammlung
nahm den Vortrag an ohne Einwendung gegen das
Verfaſſungswidrige. Unter allen Patriciern war nur
noch zwey Maͤnnern die Freyheit theuer, nur zwey be-
wahrten die Grundſaͤtze und die Sinnesart ihrer Vor-
fahren, und ihren Muth: L. Valerius Potitus, und M.
Horatius Barbatus. Valerius forderte daß vor allem
der Zuſtand der Nation erwogen werde: und als die
Decemvirn ihn unter Drohungen auf den Gegenſtand
des Vortrags einſchraͤnkten, rief er, wenn ihn der Se-
nat nicht hoͤren wolle, ſo werde er das Volk berufen:
die Decemvirn waͤren nicht beſſer berechtigt als er Vor-
rechte der Magiſtratur auszuuͤben. Horatius redete noch
drohender. C. Claudius, des Decemvirs Oheim, ſprach
beſaͤnftigend, und warnte gegen heftige Bewegungen
welche das Intereſſe des Standes in Gefahr braͤchten.
Er bat die Decemvirn ſich mit dem Senat friedlich zu
verſtaͤndigen; und trug darauf an daß kein Beſchluß ge-
faßt werde. Dies haͤtte die Geſetzwidrigkeit der gegen-
waͤrtigen Macht erklaͤrt, und, wenn ſie weichen wollte,
eine Unterhandlung vorbereitet, entweder ſie, mit Her-
ſtellung des Anſehens des Senats, zu beſtaͤtigen, oder
eine Veraͤnderung zu treffen wodurch die tribuniciſche
Gewalt abgeſchafft geblieben waͤre. L. Cornelius Ma-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/142>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.