Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

ordnete ob Militartribunen oder Consuln zu wählen seyen.
Ein anderes sagt, ohne vorgefaßte Meinung gelesen, auch
Livius Erzählung nicht.

Ist es gegründet daß die Consuln erst damals diesen
Titel ihrer Würde empfingen, so scheint auch in einer
Bezeichnung welche die Vereinigung zweyer für die höchste
Würde, nicht Macht und Herrschaft andeutet, eine Spur
gemilderter und veränderter Gewalt sichtbar zu seyn. Es
stand damals in der Macht des Volks sich die Theil-
nahme am Consulat zu geben, und die Nachkommen mö-
gen es seinen damaligen Häuptern oft vorgeworfen haben
daß sie eine so einzige Gelegenheit entgehen ließen. Aber
veredelt wird die Revolution durch diese Mäßigung,
welche alles entfernte wodurch Versöhnung und Beruhi-
gung gestört werden konnten. Die Häupter des Volks
suchten nichts für sich; das Volk forderte nur Freyheit.
Eben daher entstand zwischen ihnen und den beyden
Patriciern ihren Freunden jenes innige Band der
Liebe welches eine fast einzige Erscheinung in der Ge-
schichte ist.

Wäre auch den Plebejern das Recht zum Consulat
gewonnen worden, bey der ersten Wahl würden doch
L. Valerius und M. Horatius die Einstimmigkeit genossen
haben welche sie zum Consulat erhob. Einträchtig im
Besitz der Macht wie im Widerstand gegen die Tyranney
gründeten sie die Freyheit auf Gesetze die entweder veral-
tet waren, oder fehlten. Diese Gesetze trugen sie selbst
in den Comitien der Centurien vor, und als sie hier
angenommen waren, wagten es die Curien nicht ihre

ordnete ob Militartribunen oder Conſuln zu waͤhlen ſeyen.
Ein anderes ſagt, ohne vorgefaßte Meinung geleſen, auch
Livius Erzaͤhlung nicht.

Iſt es gegruͤndet daß die Conſuln erſt damals dieſen
Titel ihrer Wuͤrde empfingen, ſo ſcheint auch in einer
Bezeichnung welche die Vereinigung zweyer fuͤr die hoͤchſte
Wuͤrde, nicht Macht und Herrſchaft andeutet, eine Spur
gemilderter und veraͤnderter Gewalt ſichtbar zu ſeyn. Es
ſtand damals in der Macht des Volks ſich die Theil-
nahme am Conſulat zu geben, und die Nachkommen moͤ-
gen es ſeinen damaligen Haͤuptern oft vorgeworfen haben
daß ſie eine ſo einzige Gelegenheit entgehen ließen. Aber
veredelt wird die Revolution durch dieſe Maͤßigung,
welche alles entfernte wodurch Verſoͤhnung und Beruhi-
gung geſtoͤrt werden konnten. Die Haͤupter des Volks
ſuchten nichts fuͤr ſich; das Volk forderte nur Freyheit.
Eben daher entſtand zwiſchen ihnen und den beyden
Patriciern ihren Freunden jenes innige Band der
Liebe welches eine faſt einzige Erſcheinung in der Ge-
ſchichte iſt.

Waͤre auch den Plebejern das Recht zum Conſulat
gewonnen worden, bey der erſten Wahl wuͤrden doch
L. Valerius und M. Horatius die Einſtimmigkeit genoſſen
haben welche ſie zum Conſulat erhob. Eintraͤchtig im
Beſitz der Macht wie im Widerſtand gegen die Tyranney
gruͤndeten ſie die Freyheit auf Geſetze die entweder veral-
tet waren, oder fehlten. Dieſe Geſetze trugen ſie ſelbſt
in den Comitien der Centurien vor, und als ſie hier
angenommen waren, wagten es die Curien nicht ihre

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0162" n="146"/>
ordnete ob Militartribunen oder Con&#x017F;uln zu wa&#x0364;hlen &#x017F;eyen.<lb/>
Ein anderes &#x017F;agt, ohne vorgefaßte Meinung gele&#x017F;en, auch<lb/>
Livius Erza&#x0364;hlung nicht.</p><lb/>
        <p>I&#x017F;t es gegru&#x0364;ndet daß die Con&#x017F;uln er&#x017F;t damals die&#x017F;en<lb/>
Titel ihrer Wu&#x0364;rde empfingen, &#x017F;o &#x017F;cheint auch in einer<lb/>
Bezeichnung welche die Vereinigung zweyer fu&#x0364;r die ho&#x0364;ch&#x017F;te<lb/>
Wu&#x0364;rde, nicht Macht und Herr&#x017F;chaft andeutet, eine Spur<lb/>
gemilderter und vera&#x0364;nderter Gewalt &#x017F;ichtbar zu &#x017F;eyn. Es<lb/>
&#x017F;tand damals in der Macht des Volks &#x017F;ich die Theil-<lb/>
nahme am Con&#x017F;ulat zu geben, und die Nachkommen mo&#x0364;-<lb/>
gen es &#x017F;einen damaligen Ha&#x0364;uptern oft vorgeworfen haben<lb/>
daß &#x017F;ie eine &#x017F;o einzige Gelegenheit entgehen ließen. Aber<lb/>
veredelt wird die Revolution durch die&#x017F;e Ma&#x0364;ßigung,<lb/>
welche alles entfernte wodurch Ver&#x017F;o&#x0364;hnung und Beruhi-<lb/>
gung ge&#x017F;to&#x0364;rt werden konnten. Die Ha&#x0364;upter des Volks<lb/>
&#x017F;uchten nichts fu&#x0364;r &#x017F;ich; das Volk forderte nur Freyheit.<lb/>
Eben daher ent&#x017F;tand zwi&#x017F;chen ihnen und den beyden<lb/>
Patriciern ihren Freunden jenes innige Band der<lb/>
Liebe welches eine fa&#x017F;t einzige Er&#x017F;cheinung in der Ge-<lb/>
&#x017F;chichte i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Wa&#x0364;re auch den Plebejern das Recht zum Con&#x017F;ulat<lb/>
gewonnen worden, bey der er&#x017F;ten Wahl wu&#x0364;rden doch<lb/>
L. Valerius und M. Horatius die Ein&#x017F;timmigkeit geno&#x017F;&#x017F;en<lb/>
haben welche &#x017F;ie zum Con&#x017F;ulat erhob. Eintra&#x0364;chtig im<lb/>
Be&#x017F;itz der Macht wie im Wider&#x017F;tand gegen die Tyranney<lb/>
gru&#x0364;ndeten &#x017F;ie die Freyheit auf Ge&#x017F;etze die entweder veral-<lb/>
tet waren, oder fehlten. Die&#x017F;e Ge&#x017F;etze trugen &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
in den Comitien der Centurien vor, und als &#x017F;ie hier<lb/>
angenommen waren, wagten es die Curien nicht ihre<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0162] ordnete ob Militartribunen oder Conſuln zu waͤhlen ſeyen. Ein anderes ſagt, ohne vorgefaßte Meinung geleſen, auch Livius Erzaͤhlung nicht. Iſt es gegruͤndet daß die Conſuln erſt damals dieſen Titel ihrer Wuͤrde empfingen, ſo ſcheint auch in einer Bezeichnung welche die Vereinigung zweyer fuͤr die hoͤchſte Wuͤrde, nicht Macht und Herrſchaft andeutet, eine Spur gemilderter und veraͤnderter Gewalt ſichtbar zu ſeyn. Es ſtand damals in der Macht des Volks ſich die Theil- nahme am Conſulat zu geben, und die Nachkommen moͤ- gen es ſeinen damaligen Haͤuptern oft vorgeworfen haben daß ſie eine ſo einzige Gelegenheit entgehen ließen. Aber veredelt wird die Revolution durch dieſe Maͤßigung, welche alles entfernte wodurch Verſoͤhnung und Beruhi- gung geſtoͤrt werden konnten. Die Haͤupter des Volks ſuchten nichts fuͤr ſich; das Volk forderte nur Freyheit. Eben daher entſtand zwiſchen ihnen und den beyden Patriciern ihren Freunden jenes innige Band der Liebe welches eine faſt einzige Erſcheinung in der Ge- ſchichte iſt. Waͤre auch den Plebejern das Recht zum Conſulat gewonnen worden, bey der erſten Wahl wuͤrden doch L. Valerius und M. Horatius die Einſtimmigkeit genoſſen haben welche ſie zum Conſulat erhob. Eintraͤchtig im Beſitz der Macht wie im Widerſtand gegen die Tyranney gruͤndeten ſie die Freyheit auf Geſetze die entweder veral- tet waren, oder fehlten. Dieſe Geſetze trugen ſie ſelbſt in den Comitien der Centurien vor, und als ſie hier angenommen waren, wagten es die Curien nicht ihre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/162
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/162>, abgerufen am 25.11.2024.