logie der ganzen Verfassung darauf daß diese Ernennung von den Curien, seitdem das Collegium nur noch zur Hälfte patricisch war, auf die Nationalgemeinde über- ging, und daß jene patricische Gemeinde ihn auswählte weil sein Beruf nicht bloß geistlich war. Irrt diese Hy- pothese nicht, so wurden die Plebejer als Stand jetzt da- durch feyerlich den Patriciern gleich gestellt.
Unmittelbar nach der Wahl legte der Tribun M. Dui- lius der Gemeinde den Antrag vor, Consuln mit Provoca- tion an das Volk zu erwählen. Dies war kein geringer constitutioneller Vortheil: hergestellt durch das Volk, war das Consulat rechtmäßig seinen Beschränkungen un- terworfen: hergestellt durch ein Gesetz strenger Form wäre es, wie früher, seinen Verfügungen gesetzlich unerreich- bar gewesen. Bis dahin war das Consulat die Grund- lage der Verfassung: jetzt wurden es Volkscomitien und ihre Repräsentanten die Tribunen. Zwar erfuhr auch diese neue Bestimmung das Schicksal lange nur als ein in der Wirklichkeit nicht gültiger Grundsatz da zu stehen; doch war es wie der festgeworfne Grund eines Damms in der See, dessen oberen Bau Fluthen vor seiner Vollen- dung zerstört haben, für die Zukunft nicht verlohren. Kraft dieses Gesetzes waren die, endlich erfolgvollen, An- strengungen späterer Tribunen rechtmäßig, wodurch das Consulat zwischen beyden Ständen getheilt ward. Doch war dieses Plebiscit kein Gesetz wodurch das Consulat dauernd als höchste Obrigkeit hergestellt ward, sondern nur ein Beschluß daß sie für diesesmal in dieser Form er- nannt werden solle, wie nachher der Senat jährlich ver-
Zweiter Theil. K
logie der ganzen Verfaſſung darauf daß dieſe Ernennung von den Curien, ſeitdem das Collegium nur noch zur Haͤlfte patriciſch war, auf die Nationalgemeinde uͤber- ging, und daß jene patriciſche Gemeinde ihn auswaͤhlte weil ſein Beruf nicht bloß geiſtlich war. Irrt dieſe Hy- potheſe nicht, ſo wurden die Plebejer als Stand jetzt da- durch feyerlich den Patriciern gleich geſtellt.
Unmittelbar nach der Wahl legte der Tribun M. Dui- lius der Gemeinde den Antrag vor, Conſuln mit Provoca- tion an das Volk zu erwaͤhlen. Dies war kein geringer conſtitutioneller Vortheil: hergeſtellt durch das Volk, war das Conſulat rechtmaͤßig ſeinen Beſchraͤnkungen un- terworfen: hergeſtellt durch ein Geſetz ſtrenger Form waͤre es, wie fruͤher, ſeinen Verfuͤgungen geſetzlich unerreich- bar geweſen. Bis dahin war das Conſulat die Grund- lage der Verfaſſung: jetzt wurden es Volkscomitien und ihre Repraͤſentanten die Tribunen. Zwar erfuhr auch dieſe neue Beſtimmung das Schickſal lange nur als ein in der Wirklichkeit nicht guͤltiger Grundſatz da zu ſtehen; doch war es wie der feſtgeworfne Grund eines Damms in der See, deſſen oberen Bau Fluthen vor ſeiner Vollen- dung zerſtoͤrt haben, fuͤr die Zukunft nicht verlohren. Kraft dieſes Geſetzes waren die, endlich erfolgvollen, An- ſtrengungen ſpaͤterer Tribunen rechtmaͤßig, wodurch das Conſulat zwiſchen beyden Staͤnden getheilt ward. Doch war dieſes Plebiſcit kein Geſetz wodurch das Conſulat dauernd als hoͤchſte Obrigkeit hergeſtellt ward, ſondern nur ein Beſchluß daß ſie fuͤr dieſesmal in dieſer Form er- nannt werden ſolle, wie nachher der Senat jaͤhrlich ver-
Zweiter Theil. K
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logie der ganzen Verfaſſung darauf daß dieſe Ernennung
von den Curien, ſeitdem das Collegium nur noch zur
Haͤlfte patriciſch war, auf die Nationalgemeinde uͤber-
ging, und daß jene patriciſche Gemeinde ihn auswaͤhlte
weil ſein Beruf nicht bloß geiſtlich war. Irrt dieſe Hy-
potheſe nicht, ſo wurden die Plebejer als Stand jetzt da-
durch feyerlich den Patriciern gleich geſtellt.
Unmittelbar nach der Wahl legte der Tribun M. Dui-
lius der Gemeinde den Antrag vor, Conſuln mit Provoca-
tion an das Volk zu erwaͤhlen. Dies war kein geringer
conſtitutioneller Vortheil: hergeſtellt durch das Volk,
war das Conſulat rechtmaͤßig ſeinen Beſchraͤnkungen un-
terworfen: hergeſtellt durch ein Geſetz ſtrenger Form waͤre
es, wie fruͤher, ſeinen Verfuͤgungen geſetzlich unerreich-
bar geweſen. Bis dahin war das Conſulat die Grund-
lage der Verfaſſung: jetzt wurden es Volkscomitien und
ihre Repraͤſentanten die Tribunen. Zwar erfuhr auch
dieſe neue Beſtimmung das Schickſal lange nur als ein in
der Wirklichkeit nicht guͤltiger Grundſatz da zu ſtehen;
doch war es wie der feſtgeworfne Grund eines Damms
in der See, deſſen oberen Bau Fluthen vor ſeiner Vollen-
dung zerſtoͤrt haben, fuͤr die Zukunft nicht verlohren.
Kraft dieſes Geſetzes waren die, endlich erfolgvollen, An-
ſtrengungen ſpaͤterer Tribunen rechtmaͤßig, wodurch das
Conſulat zwiſchen beyden Staͤnden getheilt ward. Doch
war dieſes Plebiſcit kein Geſetz wodurch das Conſulat
dauernd als hoͤchſte Obrigkeit hergeſtellt ward, ſondern
nur ein Beſchluß daß ſie fuͤr dieſesmal in dieſer Form er-
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/161>, abgerufen am 25.11.2024.
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