sung der Republik, anerkannt ward. Es bezeichnet spre- chend die Veränderung in dem Verhältniß der Stände daß die plebejischen Magistrate hier vor den patricischen genannt werden.
Derselbe Geist entwarf das dritte Gesetz der Consuln, daß die Verordnungen der plebejischen Gemeinde der Tri- bus für alle Quiriten verbindlich seyn sollten. Der eigent- liche Sinn dieses Gesetzes ist keiner unbestrittenen Bestim- mung fähig. Es kam eine Zeit in der die Volksgemeinde die Macht des Senats und der höchsten Obrigkeiten will- kührlich beschränkte, und, durch agrarische Gesetze, das Vermögen der Adlichen verminderte 48): damals waren die Plebiscite für jeden Römer Gesetze, denen auch der Senat durch keinen Widerspruch den Gehorsam verwei- gern konnte. Daß diese Machtfülle der Volksgemeinde durch das valerische Gesetz noch nicht begründet war, da- von zeugt die Geschichte der Rogationen wodurch allmäh- lich die Gleichheit des plebejischen Standes errungen ward: die lange Dauer dieses Kampfs und die lange Folge von Schranken welche, ehe jenes Ziel erreicht ward, weggeräumt werden mußten.
Drey Gesetze, dieses valerische, das publilische (416) und das hortensische (466 oder 467) haben im Lauf von hundert und sechszig Jahren mit den nämlichen Worten die Gesetzkraft der Plebiscite verordnet. Dies scheint eine Erneuerung des ursprünglichen durch sträfliche Nicht- beobachtung veralteten Gesetzes: wie das valerische wider willkührliche Leibesstrafen wiederhohlt erneuert werden
48) Polybius VI. c. 16.
ſung der Republik, anerkannt ward. Es bezeichnet ſpre- chend die Veraͤnderung in dem Verhaͤltniß der Staͤnde daß die plebejiſchen Magiſtrate hier vor den patriciſchen genannt werden.
Derſelbe Geiſt entwarf das dritte Geſetz der Conſuln, daß die Verordnungen der plebejiſchen Gemeinde der Tri- bus fuͤr alle Quiriten verbindlich ſeyn ſollten. Der eigent- liche Sinn dieſes Geſetzes iſt keiner unbeſtrittenen Beſtim- mung faͤhig. Es kam eine Zeit in der die Volksgemeinde die Macht des Senats und der hoͤchſten Obrigkeiten will- kuͤhrlich beſchraͤnkte, und, durch agrariſche Geſetze, das Vermoͤgen der Adlichen verminderte 48): damals waren die Plebiſcite fuͤr jeden Roͤmer Geſetze, denen auch der Senat durch keinen Widerſpruch den Gehorſam verwei- gern konnte. Daß dieſe Machtfuͤlle der Volksgemeinde durch das valeriſche Geſetz noch nicht begruͤndet war, da- von zeugt die Geſchichte der Rogationen wodurch allmaͤh- lich die Gleichheit des plebejiſchen Standes errungen ward: die lange Dauer dieſes Kampfs und die lange Folge von Schranken welche, ehe jenes Ziel erreicht ward, weggeraͤumt werden mußten.
Drey Geſetze, dieſes valeriſche, das publiliſche (416) und das hortenſiſche (466 oder 467) haben im Lauf von hundert und ſechszig Jahren mit den naͤmlichen Worten die Geſetzkraft der Plebiſcite verordnet. Dies ſcheint eine Erneuerung des urſpruͤnglichen durch ſtraͤfliche Nicht- beobachtung veralteten Geſetzes: wie das valeriſche wider willkuͤhrliche Leibesſtrafen wiederhohlt erneuert werden
48) Polybius VI. c. 16.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0164"n="148"/>ſung der Republik, anerkannt ward. Es bezeichnet ſpre-<lb/>
chend die Veraͤnderung in dem Verhaͤltniß der Staͤnde<lb/>
daß die plebejiſchen Magiſtrate hier vor den patriciſchen<lb/>
genannt werden.</p><lb/><p>Derſelbe Geiſt entwarf das dritte Geſetz der Conſuln,<lb/>
daß die Verordnungen der plebejiſchen Gemeinde der Tri-<lb/>
bus fuͤr alle Quiriten verbindlich ſeyn ſollten. Der eigent-<lb/>
liche Sinn dieſes Geſetzes iſt keiner unbeſtrittenen Beſtim-<lb/>
mung faͤhig. Es kam eine Zeit in der die Volksgemeinde<lb/>
die Macht des Senats und der hoͤchſten Obrigkeiten will-<lb/>
kuͤhrlich beſchraͤnkte, und, durch agrariſche Geſetze, das<lb/>
Vermoͤgen der Adlichen verminderte <noteplace="foot"n="48)">Polybius <hirendition="#aq">VI. c.</hi> 16.</note>: damals waren<lb/>
die Plebiſcite fuͤr jeden Roͤmer Geſetze, denen auch der<lb/>
Senat durch keinen Widerſpruch den Gehorſam verwei-<lb/>
gern konnte. Daß dieſe Machtfuͤlle der Volksgemeinde<lb/>
durch das valeriſche Geſetz noch nicht begruͤndet war, da-<lb/>
von zeugt die Geſchichte der Rogationen wodurch allmaͤh-<lb/>
lich die Gleichheit des plebejiſchen Standes errungen<lb/>
ward: die lange Dauer dieſes Kampfs und die lange<lb/>
Folge von Schranken welche, ehe jenes Ziel erreicht<lb/>
ward, weggeraͤumt werden mußten.</p><lb/><p>Drey Geſetze, dieſes valeriſche, das publiliſche (416)<lb/>
und das hortenſiſche (466 oder 467) haben im Lauf von<lb/>
hundert und ſechszig Jahren mit den naͤmlichen Worten<lb/>
die Geſetzkraft der Plebiſcite verordnet. Dies ſcheint<lb/>
eine Erneuerung des urſpruͤnglichen durch ſtraͤfliche Nicht-<lb/>
beobachtung veralteten Geſetzes: wie das valeriſche wider<lb/>
willkuͤhrliche Leibesſtrafen wiederhohlt erneuert werden<lb/></p></div></body></text></TEI>
[148/0164]
ſung der Republik, anerkannt ward. Es bezeichnet ſpre-
chend die Veraͤnderung in dem Verhaͤltniß der Staͤnde
daß die plebejiſchen Magiſtrate hier vor den patriciſchen
genannt werden.
Derſelbe Geiſt entwarf das dritte Geſetz der Conſuln,
daß die Verordnungen der plebejiſchen Gemeinde der Tri-
bus fuͤr alle Quiriten verbindlich ſeyn ſollten. Der eigent-
liche Sinn dieſes Geſetzes iſt keiner unbeſtrittenen Beſtim-
mung faͤhig. Es kam eine Zeit in der die Volksgemeinde
die Macht des Senats und der hoͤchſten Obrigkeiten will-
kuͤhrlich beſchraͤnkte, und, durch agrariſche Geſetze, das
Vermoͤgen der Adlichen verminderte 48): damals waren
die Plebiſcite fuͤr jeden Roͤmer Geſetze, denen auch der
Senat durch keinen Widerſpruch den Gehorſam verwei-
gern konnte. Daß dieſe Machtfuͤlle der Volksgemeinde
durch das valeriſche Geſetz noch nicht begruͤndet war, da-
von zeugt die Geſchichte der Rogationen wodurch allmaͤh-
lich die Gleichheit des plebejiſchen Standes errungen
ward: die lange Dauer dieſes Kampfs und die lange
Folge von Schranken welche, ehe jenes Ziel erreicht
ward, weggeraͤumt werden mußten.
Drey Geſetze, dieſes valeriſche, das publiliſche (416)
und das hortenſiſche (466 oder 467) haben im Lauf von
hundert und ſechszig Jahren mit den naͤmlichen Worten
die Geſetzkraft der Plebiſcite verordnet. Dies ſcheint
eine Erneuerung des urſpruͤnglichen durch ſtraͤfliche Nicht-
beobachtung veralteten Geſetzes: wie das valeriſche wider
willkuͤhrliche Leibesſtrafen wiederhohlt erneuert werden
48) Polybius VI. c. 16.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/164>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.