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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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mußte. Aber die sichtbare Entwickelung der Verfassung,
und der augenscheinlich verschiedene Charakter der Pie-
biscite in ihren verschiedenen Perioden, leiden diese Aus-
legung nicht: entweder hatten dieselben Worte der drey
Gesetze in jedem einen ganz verschiedenen Inhalt, oder
die Sorglosigkeit der Geschichtschreiber hat ihren flüch-
tig gefaßten Sinn mit den Worten ausgedrückt die einem
von ihnen eigenthümlich angemessen waren. Nichts ist
unglaublicher als daß dasselbe über diesen Gegenstand
verordnet sey, da die Plebejer noch ganz von dem Se-
nat und der Regierung ausgeschlossen waren, und da
das Uebergewicht ihres Standes schon so entschieden
war daß die patricische Gemeinde geschlossen ward.

Ich würde geneigt seyn dieses valerische Gesetz nur
für eine Bestätigung der duilischen Plebiscite durch
Centurien und Curien zu halten, wenn nicht von nun
an die tribunicischen Rogationen einen viel ernsteren
Charakter gewönnen. Sie gelten gesetzlich sobald der
Senat sie genehmigt hat, obwohl die Patricier auch da
noch den licinischen den Gehorfam verweigerten: und
eben daher scheint die Folgerung gerechtfertigt zu seyn,
das sey das Wesen der damaligen gesetzlichen Bestim-
mung gewesen, was auch ihre Worte seyn mochten: --
ein Volksbeschluß, vom Senat genehmigt, solle nicht gerin-
gere Kraft haben als ein förmlich von beyden Gemein-
den angenommenes vom Senat vorgeschlagenes Gesetz.
Dieser, damals noch ganz patricisch, vertrat hierin sei-
nen gesammten Stand. Denn daß des Senats nicht
gedacht wird, beweißt keineswegs daß ein Volksbeschluß

mußte. Aber die ſichtbare Entwickelung der Verfaſſung,
und der augenſcheinlich verſchiedene Charakter der Pie-
biſcite in ihren verſchiedenen Perioden, leiden dieſe Aus-
legung nicht: entweder hatten dieſelben Worte der drey
Geſetze in jedem einen ganz verſchiedenen Inhalt, oder
die Sorgloſigkeit der Geſchichtſchreiber hat ihren fluͤch-
tig gefaßten Sinn mit den Worten ausgedruͤckt die einem
von ihnen eigenthuͤmlich angemeſſen waren. Nichts iſt
unglaublicher als daß daſſelbe uͤber dieſen Gegenſtand
verordnet ſey, da die Plebejer noch ganz von dem Se-
nat und der Regierung ausgeſchloſſen waren, und da
das Uebergewicht ihres Standes ſchon ſo entſchieden
war daß die patriciſche Gemeinde geſchloſſen ward.

Ich wuͤrde geneigt ſeyn dieſes valeriſche Geſetz nur
fuͤr eine Beſtaͤtigung der duiliſchen Plebiſcite durch
Centurien und Curien zu halten, wenn nicht von nun
an die tribuniciſchen Rogationen einen viel ernſteren
Charakter gewoͤnnen. Sie gelten geſetzlich ſobald der
Senat ſie genehmigt hat, obwohl die Patricier auch da
noch den liciniſchen den Gehorfam verweigerten: und
eben daher ſcheint die Folgerung gerechtfertigt zu ſeyn,
das ſey das Weſen der damaligen geſetzlichen Beſtim-
mung geweſen, was auch ihre Worte ſeyn mochten: —
ein Volksbeſchluß, vom Senat genehmigt, ſolle nicht gerin-
gere Kraft haben als ein foͤrmlich von beyden Gemein-
den angenommenes vom Senat vorgeſchlagenes Geſetz.
Dieſer, damals noch ganz patriciſch, vertrat hierin ſei-
nen geſammten Stand. Denn daß des Senats nicht
gedacht wird, beweißt keineswegs daß ein Volksbeſchluß

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[149/0165] mußte. Aber die ſichtbare Entwickelung der Verfaſſung, und der augenſcheinlich verſchiedene Charakter der Pie- biſcite in ihren verſchiedenen Perioden, leiden dieſe Aus- legung nicht: entweder hatten dieſelben Worte der drey Geſetze in jedem einen ganz verſchiedenen Inhalt, oder die Sorgloſigkeit der Geſchichtſchreiber hat ihren fluͤch- tig gefaßten Sinn mit den Worten ausgedruͤckt die einem von ihnen eigenthuͤmlich angemeſſen waren. Nichts iſt unglaublicher als daß daſſelbe uͤber dieſen Gegenſtand verordnet ſey, da die Plebejer noch ganz von dem Se- nat und der Regierung ausgeſchloſſen waren, und da das Uebergewicht ihres Standes ſchon ſo entſchieden war daß die patriciſche Gemeinde geſchloſſen ward. Ich wuͤrde geneigt ſeyn dieſes valeriſche Geſetz nur fuͤr eine Beſtaͤtigung der duiliſchen Plebiſcite durch Centurien und Curien zu halten, wenn nicht von nun an die tribuniciſchen Rogationen einen viel ernſteren Charakter gewoͤnnen. Sie gelten geſetzlich ſobald der Senat ſie genehmigt hat, obwohl die Patricier auch da noch den liciniſchen den Gehorfam verweigerten: und eben daher ſcheint die Folgerung gerechtfertigt zu ſeyn, das ſey das Weſen der damaligen geſetzlichen Beſtim- mung geweſen, was auch ihre Worte ſeyn mochten: — ein Volksbeſchluß, vom Senat genehmigt, ſolle nicht gerin- gere Kraft haben als ein foͤrmlich von beyden Gemein- den angenommenes vom Senat vorgeſchlagenes Geſetz. Dieſer, damals noch ganz patriciſch, vertrat hierin ſei- nen geſammten Stand. Denn daß des Senats nicht gedacht wird, beweißt keineswegs daß ein Volksbeſchluß

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/165>, abgerufen am 25.11.2024.