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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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Der römische Staat hätte in einer völligen Zügello-
sigkeit aller Verbrechen untergehen müssen, wenn die Be-
fugniß der Todesstrafe durch Verbannung zu entgehen,
also für den Ungebundnen völlig straflos zu bleiben, ein
unverwirkbares Geburtsrecht aller Quiriten gewesen wäre.
Aber Räuber und Mörder starben zu Rom in jedem Zeit-
alter den Tod welchen die Gesetze ihren Verbrechen droh-
ten, ohne daß tribunicische Hülfe sie vom Kerker rettete,
wo sie zum Gericht verwahrt wurden 58).

Auf diese Hülfe war die Befreyung des Römers von
Kerker und Banden, und die freye Wahl gegründet ob er
lieber als Bürger sterben, oder als Verbannter leben
wollte. Denn die Macht der Obrigkeit verhaften zu lassen
war nicht aufgehoben, sondern der tribunicische Schutz
dem Bürger verliehen, damit sie in einzelnen Fällen nicht
angewandt werde. Dieser Schutz konnte aber keinem
Verbrecher zu Gute kommen welcher sich am Leben oder
der Sicherheit eines Mitbürgers vergangen hatte, und
dessen That das Gesetz ausdrücklich mit dem Tode be-
strafte, sobald diese, und daß er sie vollbracht, außer
Zweifel war. Das läßt sich behaupten, weil das Gegen-
theil völlig widersinnig gewesen wäre.

Auf zwey Fälle beschränkt war jenes große Freyheits-
recht gefahrlos für die Republik wie für den Bürger wich-

rigen, der erst erwählte Volkstribun war, daß man bey
Livius III. c. 54. L. nicht A. lesen muß, beweißt die Stelle
selbst nicht weniger als die folgende Erzählung.
58) Jacere vinctum inter fures nocturnos et latrones. Li-
vius III. c. 58.

Der roͤmiſche Staat haͤtte in einer voͤlligen Zuͤgello-
ſigkeit aller Verbrechen untergehen muͤſſen, wenn die Be-
fugniß der Todesſtrafe durch Verbannung zu entgehen,
alſo fuͤr den Ungebundnen voͤllig ſtraflos zu bleiben, ein
unverwirkbares Geburtsrecht aller Quiriten geweſen waͤre.
Aber Raͤuber und Moͤrder ſtarben zu Rom in jedem Zeit-
alter den Tod welchen die Geſetze ihren Verbrechen droh-
ten, ohne daß tribuniciſche Huͤlfe ſie vom Kerker rettete,
wo ſie zum Gericht verwahrt wurden 58).

Auf dieſe Huͤlfe war die Befreyung des Roͤmers von
Kerker und Banden, und die freye Wahl gegruͤndet ob er
lieber als Buͤrger ſterben, oder als Verbannter leben
wollte. Denn die Macht der Obrigkeit verhaften zu laſſen
war nicht aufgehoben, ſondern der tribuniciſche Schutz
dem Buͤrger verliehen, damit ſie in einzelnen Faͤllen nicht
angewandt werde. Dieſer Schutz konnte aber keinem
Verbrecher zu Gute kommen welcher ſich am Leben oder
der Sicherheit eines Mitbuͤrgers vergangen hatte, und
deſſen That das Geſetz ausdruͤcklich mit dem Tode be-
ſtrafte, ſobald dieſe, und daß er ſie vollbracht, außer
Zweifel war. Das laͤßt ſich behaupten, weil das Gegen-
theil voͤllig widerſinnig geweſen waͤre.

Auf zwey Faͤlle beſchraͤnkt war jenes große Freyheits-
recht gefahrlos fuͤr die Republik wie fuͤr den Buͤrger wich-

rigen, der erſt erwaͤhlte Volkstribun war, daß man bey
Livius III. c. 54. L. nicht A. leſen muß, beweißt die Stelle
ſelbſt nicht weniger als die folgende Erzaͤhlung.
58) Jacere vinctum inter fures nocturnos et latrones. Li-
vius III. c. 58.
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[153/0169] Der roͤmiſche Staat haͤtte in einer voͤlligen Zuͤgello- ſigkeit aller Verbrechen untergehen muͤſſen, wenn die Be- fugniß der Todesſtrafe durch Verbannung zu entgehen, alſo fuͤr den Ungebundnen voͤllig ſtraflos zu bleiben, ein unverwirkbares Geburtsrecht aller Quiriten geweſen waͤre. Aber Raͤuber und Moͤrder ſtarben zu Rom in jedem Zeit- alter den Tod welchen die Geſetze ihren Verbrechen droh- ten, ohne daß tribuniciſche Huͤlfe ſie vom Kerker rettete, wo ſie zum Gericht verwahrt wurden 58). Auf dieſe Huͤlfe war die Befreyung des Roͤmers von Kerker und Banden, und die freye Wahl gegruͤndet ob er lieber als Buͤrger ſterben, oder als Verbannter leben wollte. Denn die Macht der Obrigkeit verhaften zu laſſen war nicht aufgehoben, ſondern der tribuniciſche Schutz dem Buͤrger verliehen, damit ſie in einzelnen Faͤllen nicht angewandt werde. Dieſer Schutz konnte aber keinem Verbrecher zu Gute kommen welcher ſich am Leben oder der Sicherheit eines Mitbuͤrgers vergangen hatte, und deſſen That das Geſetz ausdruͤcklich mit dem Tode be- ſtrafte, ſobald dieſe, und daß er ſie vollbracht, außer Zweifel war. Das laͤßt ſich behaupten, weil das Gegen- theil voͤllig widerſinnig geweſen waͤre. Auf zwey Faͤlle beſchraͤnkt war jenes große Freyheits- recht gefahrlos fuͤr die Republik wie fuͤr den Buͤrger wich- 57) 58) Jacere vinctum inter fures nocturnos et latrones. Li- vius III. c. 58. 57) rigen, der erſt erwaͤhlte Volkstribun war, daß man bey Livius III. c. 54. L. nicht A. leſen muß, beweißt die Stelle ſelbſt nicht weniger als die folgende Erzaͤhlung.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/169>, abgerufen am 26.11.2024.