Vermögen, und auf den Genuß aller Vortheile des voll- kommnen Bürgerrechts. Aber ob jeder seine Geburtsrechte persönlich ausüben dürfe, entschied der Censor, und ver- stieß den Unwürdigen. Wie dieses so geschah daß der aus der Tribus zu den Aerariern Verwiesene alle politische Bürgerrechte verlohr, und nur die des Cäriten behielt, ist früher erläutert geworden 96).
Die Notationen der Censoren trafen Uebertretun- gen der Pflichten gegen Staat und Stand. Es ist wahrscheinlich daß die Gegenstände von denen sie Kennt- niß nahmen gesetzlich oder durch ein Edict verzeichnet waren 97). Muthwillige Ehelosigkeit oder eine gesetzlich ungültige Ehe, weil beydes den Staat an Bürgern arm machte 98), Versäumniß des Ackerbaues, unanständi- ges Gewerbe, wie Kramhandel oder Handwerk, Treu- losigkeit gegen Clienten, Verschwendung, Irreligiosität, und jedes von den Gesetzen durch Strafe gerügte Ver- brechen, zog auf gleiche Weise die Notation nach sich: nicht aber moralische Vergehungen die der Staat nicht rügt. In einzelnen Fällen dehnten einzelne Censoren ihre Ahndung allerdings weiter aus. Aber häusliche Grausamkeit, schlechtes Gemüth, böser Sinn bey den politischen Partheyungen, zogen sie schwerlich je unter ihre Kenntniß.
96) Th. I. S. 379. 386.
97)Agrum male colere censorium probrum judicabatur. Plinius H. N. XVIII. c. 3.
98) Dies scheint der Sinn der Formel uxor liberorum quae- rendorum causa.
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Vermoͤgen, und auf den Genuß aller Vortheile des voll- kommnen Buͤrgerrechts. Aber ob jeder ſeine Geburtsrechte perſoͤnlich ausuͤben duͤrfe, entſchied der Cenſor, und ver- ſtieß den Unwuͤrdigen. Wie dieſes ſo geſchah daß der aus der Tribus zu den Aerariern Verwieſene alle politiſche Buͤrgerrechte verlohr, und nur die des Caͤriten behielt, iſt fruͤher erlaͤutert geworden 96).
Die Notationen der Cenſoren trafen Uebertretun- gen der Pflichten gegen Staat und Stand. Es iſt wahrſcheinlich daß die Gegenſtaͤnde von denen ſie Kennt- niß nahmen geſetzlich oder durch ein Edict verzeichnet waren 97). Muthwillige Eheloſigkeit oder eine geſetzlich unguͤltige Ehe, weil beydes den Staat an Buͤrgern arm machte 98), Verſaͤumniß des Ackerbaues, unanſtaͤndi- ges Gewerbe, wie Kramhandel oder Handwerk, Treu- loſigkeit gegen Clienten, Verſchwendung, Irreligioſitaͤt, und jedes von den Geſetzen durch Strafe geruͤgte Ver- brechen, zog auf gleiche Weiſe die Notation nach ſich: nicht aber moraliſche Vergehungen die der Staat nicht ruͤgt. In einzelnen Faͤllen dehnten einzelne Cenſoren ihre Ahndung allerdings weiter aus. Aber haͤusliche Grauſamkeit, ſchlechtes Gemuͤth, boͤſer Sinn bey den politiſchen Partheyungen, zogen ſie ſchwerlich je unter ihre Kenntniß.
96) Th. I. S. 379. 386.
97)Agrum male colere censorium probrum judicabatur. Plinius H. N. XVIII. c. 3.
98) Dies ſcheint der Sinn der Formel uxor liberorum quæ- rendorum causa.
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Vermoͤgen, und auf den Genuß aller Vortheile des voll-
kommnen Buͤrgerrechts. Aber ob jeder ſeine Geburtsrechte
perſoͤnlich ausuͤben duͤrfe, entſchied der Cenſor, und ver-
ſtieß den Unwuͤrdigen. Wie dieſes ſo geſchah daß der aus
der Tribus zu den Aerariern Verwieſene alle politiſche
Buͤrgerrechte verlohr, und nur die des Caͤriten behielt, iſt
fruͤher erlaͤutert geworden 96).
Die Notationen der Cenſoren trafen Uebertretun-
gen der Pflichten gegen Staat und Stand. Es iſt
wahrſcheinlich daß die Gegenſtaͤnde von denen ſie Kennt-
niß nahmen geſetzlich oder durch ein Edict verzeichnet
waren 97). Muthwillige Eheloſigkeit oder eine geſetzlich
unguͤltige Ehe, weil beydes den Staat an Buͤrgern arm
machte 98), Verſaͤumniß des Ackerbaues, unanſtaͤndi-
ges Gewerbe, wie Kramhandel oder Handwerk, Treu-
loſigkeit gegen Clienten, Verſchwendung, Irreligioſitaͤt,
und jedes von den Geſetzen durch Strafe geruͤgte Ver-
brechen, zog auf gleiche Weiſe die Notation nach ſich:
nicht aber moraliſche Vergehungen die der Staat nicht
ruͤgt. In einzelnen Faͤllen dehnten einzelne Cenſoren
ihre Ahndung allerdings weiter aus. Aber haͤusliche
Grauſamkeit, ſchlechtes Gemuͤth, boͤſer Sinn bey den
politiſchen Partheyungen, zogen ſie ſchwerlich je unter
ihre Kenntniß.
96) Th. I. S. 379. 386.
97) Agrum male colere censorium probrum judicabatur.
Plinius H. N. XVIII. c. 3.
98) Dies ſcheint der Sinn der Formel uxor liberorum quæ-
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/195>, abgerufen am 24.11.2024.
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