lichen Maaßregeln des Staats. Der reichste unter den plebejischen Rittern, Sp. Mälius, aus einer Familie welche im vierten Jahrhundert nicht selten genannt wird, verwandte sein Vermögen um Getreide in Etrurien an- zukaufen, und ihm gelang es große Vorräthe zu erhalten, offenbar weil er den Preis nicht scheute. Dies Getreide vertheilte er den Armen, während der Staat ver- kaufte 17): eine Freygebigkeit die bey dem größten Reichthum auf spärliche Gaben beschränkt seyn mußte, wenn auch der Hohn nicht wörtlich gefaßt werden kann, das Volk habe ihm seine Seele für Portionen von ein Paar Pfund Korn verkauft. Freylich ist es nicht nö- thig daß die Hülfe ausreiche, um dem Wohlthäter in der Noth die Herzen zu gewinnen. Was der ganz Hülflose zum Allmosen empfing, erhielt der Dürftige zu leidlichen Preisen 18), und die Dankbarkeit des Ar- men redete in den wohlhabenderen Plebejern als Ach- tung, und als Stolz auf den Mann ihres Standes.
Es ist eine traurige Wahrheit daß unter allen Tu- genden Aufopferung des Vermögens am seltensten eine ganz reine Quelle hat: und wir selbst können der Be- schuldigung der Annalisten unsern Glauben nicht versa- gen daß Mälius durch ehrgeizige Absichten zu seinen Spenden bewogen ward. Wir müssen nicht vergessen daß Gefühle der christlichen Carität, dieser Tochter des Morgenlands, den Republikanern der alten Zeit fremd
17) Livius IV. c. 12. 13.
18) Zonaras VII. c. 20.
lichen Maaßregeln des Staats. Der reichſte unter den plebejiſchen Rittern, Sp. Maͤlius, aus einer Familie welche im vierten Jahrhundert nicht ſelten genannt wird, verwandte ſein Vermoͤgen um Getreide in Etrurien an- zukaufen, und ihm gelang es große Vorraͤthe zu erhalten, offenbar weil er den Preis nicht ſcheute. Dies Getreide vertheilte er den Armen, waͤhrend der Staat ver- kaufte 17): eine Freygebigkeit die bey dem groͤßten Reichthum auf ſpaͤrliche Gaben beſchraͤnkt ſeyn mußte, wenn auch der Hohn nicht woͤrtlich gefaßt werden kann, das Volk habe ihm ſeine Seele fuͤr Portionen von ein Paar Pfund Korn verkauft. Freylich iſt es nicht noͤ- thig daß die Huͤlfe ausreiche, um dem Wohlthaͤter in der Noth die Herzen zu gewinnen. Was der ganz Huͤlfloſe zum Allmoſen empfing, erhielt der Duͤrftige zu leidlichen Preiſen 18), und die Dankbarkeit des Ar- men redete in den wohlhabenderen Plebejern als Ach- tung, und als Stolz auf den Mann ihres Standes.
Es iſt eine traurige Wahrheit daß unter allen Tu- genden Aufopferung des Vermoͤgens am ſeltenſten eine ganz reine Quelle hat: und wir ſelbſt koͤnnen der Be- ſchuldigung der Annaliſten unſern Glauben nicht verſa- gen daß Maͤlius durch ehrgeizige Abſichten zu ſeinen Spenden bewogen ward. Wir muͤſſen nicht vergeſſen daß Gefuͤhle der chriſtlichen Caritaͤt, dieſer Tochter des Morgenlands, den Republikanern der alten Zeit fremd
17) Livius IV. c. 12. 13.
18) Zonaras VII. c. 20.
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lichen Maaßregeln des Staats. Der reichſte unter den
plebejiſchen Rittern, Sp. Maͤlius, aus einer Familie
welche im vierten Jahrhundert nicht ſelten genannt wird,
verwandte ſein Vermoͤgen um Getreide in Etrurien an-
zukaufen, und ihm gelang es große Vorraͤthe zu erhalten,
offenbar weil er den Preis nicht ſcheute. Dies Getreide
vertheilte er den Armen, waͤhrend der Staat ver-
kaufte 17): eine Freygebigkeit die bey dem groͤßten
Reichthum auf ſpaͤrliche Gaben beſchraͤnkt ſeyn mußte,
wenn auch der Hohn nicht woͤrtlich gefaßt werden kann,
das Volk habe ihm ſeine Seele fuͤr Portionen von ein
Paar Pfund Korn verkauft. Freylich iſt es nicht noͤ-
thig daß die Huͤlfe ausreiche, um dem Wohlthaͤter in
der Noth die Herzen zu gewinnen. Was der ganz
Huͤlfloſe zum Allmoſen empfing, erhielt der Duͤrftige
zu leidlichen Preiſen 18), und die Dankbarkeit des Ar-
men redete in den wohlhabenderen Plebejern als Ach-
tung, und als Stolz auf den Mann ihres Standes.
Es iſt eine traurige Wahrheit daß unter allen Tu-
genden Aufopferung des Vermoͤgens am ſeltenſten eine
ganz reine Quelle hat: und wir ſelbſt koͤnnen der Be-
ſchuldigung der Annaliſten unſern Glauben nicht verſa-
gen daß Maͤlius durch ehrgeizige Abſichten zu ſeinen
Spenden bewogen ward. Wir muͤſſen nicht vergeſſen
daß Gefuͤhle der chriſtlichen Caritaͤt, dieſer Tochter des
Morgenlands, den Republikanern der alten Zeit fremd
17) Livius IV. c. 12. 13.
18) Zonaras VII. c. 20.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/204>, abgerufen am 23.11.2024.
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