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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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waren. Auch konnte der Senat über den Anhang un-
ruhig werden, den Mälius sich bildete; in den griechi-
schen Republiken hat das Volk, von Liebe und Haß
über alle Gränzen getrieben, sich häufiger selbst die Ket-
ten geschmiedet als sie von überwältigender Gewalt
empfangen.

Dennoch scheint es kaum denkbar daß zu Rom
ein plebejischer Ritter im Vertrauen auf den Anhang
erkaufter Armer, sich vermessen habe nach der Tyranney
zu trachten; wenigstens wäre es das Unternehmen eines
Unsinnigen gewesen. Nicht einmal das Consulat, nur
Erzwingung der Wahl von Militartribunen, und ge-
waltsame Behauptung seiner Ernennung, ist ein denk-
barer Zweck für einen ehrgeizigen, durch Freygebigkeit
mächtigen Plebejer jenes Zeitalters. Hier hätte er die
ganze Unterstützung der Häupter seines Standes genos-
sen; strebte er nach königlicher Macht, so mußte er eben
sie bekämpfen welche die des Decemvirats gestürzt hatten,
denn sie versöhnte es nicht daß Männer ihres Standes
die Tyranney theilten. Für seine Unschuld redet die
schreckliche Uebereilung seines Todes, da die Comitien
der Centurien in denen alle gewonnene Anhänger des
Angeklagten ohnmächtig waren, wenn er schuldig gewe-
sen wäre seine Verdammung nicht weniger entschieden
als der Senat selbst ausgesprochen haben würden.

Für sie redet daß er so leicht fiel, ohne einen Ver-
such von Gegenwehr: daß nach seinem Tode nicht die
Rede von Waffen ist die in seinem Hause gefunden wä-
ren, obgleich der Kornvorräthe gedacht wird; daß der

waren. Auch konnte der Senat uͤber den Anhang un-
ruhig werden, den Maͤlius ſich bildete; in den griechi-
ſchen Republiken hat das Volk, von Liebe und Haß
uͤber alle Graͤnzen getrieben, ſich haͤufiger ſelbſt die Ket-
ten geſchmiedet als ſie von uͤberwaͤltigender Gewalt
empfangen.

Dennoch ſcheint es kaum denkbar daß zu Rom
ein plebejiſcher Ritter im Vertrauen auf den Anhang
erkaufter Armer, ſich vermeſſen habe nach der Tyranney
zu trachten; wenigſtens waͤre es das Unternehmen eines
Unſinnigen geweſen. Nicht einmal das Conſulat, nur
Erzwingung der Wahl von Militartribunen, und ge-
waltſame Behauptung ſeiner Ernennung, iſt ein denk-
barer Zweck fuͤr einen ehrgeizigen, durch Freygebigkeit
maͤchtigen Plebejer jenes Zeitalters. Hier haͤtte er die
ganze Unterſtuͤtzung der Haͤupter ſeines Standes genoſ-
ſen; ſtrebte er nach koͤniglicher Macht, ſo mußte er eben
ſie bekaͤmpfen welche die des Decemvirats geſtuͤrzt hatten,
denn ſie verſoͤhnte es nicht daß Maͤnner ihres Standes
die Tyranney theilten. Fuͤr ſeine Unſchuld redet die
ſchreckliche Uebereilung ſeines Todes, da die Comitien
der Centurien in denen alle gewonnene Anhaͤnger des
Angeklagten ohnmaͤchtig waren, wenn er ſchuldig gewe-
ſen waͤre ſeine Verdammung nicht weniger entſchieden
als der Senat ſelbſt ausgeſprochen haben wuͤrden.

Fuͤr ſie redet daß er ſo leicht fiel, ohne einen Ver-
ſuch von Gegenwehr: daß nach ſeinem Tode nicht die
Rede von Waffen iſt die in ſeinem Hauſe gefunden waͤ-
ren, obgleich der Kornvorraͤthe gedacht wird; daß der

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[189/0205] waren. Auch konnte der Senat uͤber den Anhang un- ruhig werden, den Maͤlius ſich bildete; in den griechi- ſchen Republiken hat das Volk, von Liebe und Haß uͤber alle Graͤnzen getrieben, ſich haͤufiger ſelbſt die Ket- ten geſchmiedet als ſie von uͤberwaͤltigender Gewalt empfangen. Dennoch ſcheint es kaum denkbar daß zu Rom ein plebejiſcher Ritter im Vertrauen auf den Anhang erkaufter Armer, ſich vermeſſen habe nach der Tyranney zu trachten; wenigſtens waͤre es das Unternehmen eines Unſinnigen geweſen. Nicht einmal das Conſulat, nur Erzwingung der Wahl von Militartribunen, und ge- waltſame Behauptung ſeiner Ernennung, iſt ein denk- barer Zweck fuͤr einen ehrgeizigen, durch Freygebigkeit maͤchtigen Plebejer jenes Zeitalters. Hier haͤtte er die ganze Unterſtuͤtzung der Haͤupter ſeines Standes genoſ- ſen; ſtrebte er nach koͤniglicher Macht, ſo mußte er eben ſie bekaͤmpfen welche die des Decemvirats geſtuͤrzt hatten, denn ſie verſoͤhnte es nicht daß Maͤnner ihres Standes die Tyranney theilten. Fuͤr ſeine Unſchuld redet die ſchreckliche Uebereilung ſeines Todes, da die Comitien der Centurien in denen alle gewonnene Anhaͤnger des Angeklagten ohnmaͤchtig waren, wenn er ſchuldig gewe- ſen waͤre ſeine Verdammung nicht weniger entſchieden als der Senat ſelbſt ausgeſprochen haben wuͤrden. Fuͤr ſie redet daß er ſo leicht fiel, ohne einen Ver- ſuch von Gegenwehr: daß nach ſeinem Tode nicht die Rede von Waffen iſt die in ſeinem Hauſe gefunden waͤ- ren, obgleich der Kornvorraͤthe gedacht wird; daß der

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/205>, abgerufen am 23.11.2024.