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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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Vom Anfang des letzten vejentischen
bis zum gallischen Krieg
.

Auf die Einnahme von Fidenä folgte (330) ein Waf-
fenstillstand zwischen Rom und Veji auf zwanzig cyclische
Jahre: dieser währte durch unbestimmte Verlängerung
noch einige Zeit über seine verabredete Dauer: denn schon
am Anfang von 348 war er erloschen 57). Die Vejenter
suchten vergeblich eine dauerndere Erneuerung. Früher
hatte ihre eigene Kraft dem römischen Kriege genügt: jetzt
da sie angstvoll auf die schnell emporwachsende Ueber-
macht des Volks sahen welches, gierig nach ihren frucht-
bareren Gefilden, sie bekriegte um sie zu vertilgen, entzog
ihnen die eigne Gefahr der entfernteren Verbündeten den
schwachen Beystand welchen die etruskische Föderation
hätte gewähren mögen. Denn eine Völkerwandrung war
über die Alpen eingebrochen: die ältesten und größesten
Städte um den Padus wurden vertilgt, und der Apenni-
nus war kein Schirm für die noch nicht angegriffenen. So
konnte Veji nur von den nächsten Städten Beystand hof-
fen, und nur Capena und Falerii gewährten ihn treu:
Tarquinii schwach: Cäre aber war Rom eng verbunden,
wenn auch wohl neutral im Kriege. Der Senat erkannte
daß dieser Augenblick unschätzbar sey um eine Laufbahn
von Eroberungen zu betreten. Volsker und Aequer wa-
ren nicht mehr furchtbar; ihnen waren Latiner und Her-
niker stark genug. Aber das bisherige Kriegssystem Roms

57) Eo anno quia tempus induciarum cum Vejente popule
exierat -- res repeti coeptae.
Livius IV. c. 58.
Vom Anfang des letzten vejentiſchen
bis zum galliſchen Krieg
.

Auf die Einnahme von Fidenaͤ folgte (330) ein Waf-
fenſtillſtand zwiſchen Rom und Veji auf zwanzig cycliſche
Jahre: dieſer waͤhrte durch unbeſtimmte Verlaͤngerung
noch einige Zeit uͤber ſeine verabredete Dauer: denn ſchon
am Anfang von 348 war er erloſchen 57). Die Vejenter
ſuchten vergeblich eine dauerndere Erneuerung. Fruͤher
hatte ihre eigene Kraft dem roͤmiſchen Kriege genuͤgt: jetzt
da ſie angſtvoll auf die ſchnell emporwachſende Ueber-
macht des Volks ſahen welches, gierig nach ihren frucht-
bareren Gefilden, ſie bekriegte um ſie zu vertilgen, entzog
ihnen die eigne Gefahr der entfernteren Verbuͤndeten den
ſchwachen Beyſtand welchen die etruskiſche Foͤderation
haͤtte gewaͤhren moͤgen. Denn eine Voͤlkerwandrung war
uͤber die Alpen eingebrochen: die aͤlteſten und groͤßeſten
Staͤdte um den Padus wurden vertilgt, und der Apenni-
nus war kein Schirm fuͤr die noch nicht angegriffenen. So
konnte Veji nur von den naͤchſten Staͤdten Beyſtand hof-
fen, und nur Capena und Falerii gewaͤhrten ihn treu:
Tarquinii ſchwach: Caͤre aber war Rom eng verbunden,
wenn auch wohl neutral im Kriege. Der Senat erkannte
daß dieſer Augenblick unſchaͤtzbar ſey um eine Laufbahn
von Eroberungen zu betreten. Volsker und Aequer wa-
ren nicht mehr furchtbar; ihnen waren Latiner und Her-
niker ſtark genug. Aber das bisherige Kriegsſyſtem Roms

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[215/0231] Vom Anfang des letzten vejentiſchen bis zum galliſchen Krieg. Auf die Einnahme von Fidenaͤ folgte (330) ein Waf- fenſtillſtand zwiſchen Rom und Veji auf zwanzig cycliſche Jahre: dieſer waͤhrte durch unbeſtimmte Verlaͤngerung noch einige Zeit uͤber ſeine verabredete Dauer: denn ſchon am Anfang von 348 war er erloſchen 57). Die Vejenter ſuchten vergeblich eine dauerndere Erneuerung. Fruͤher hatte ihre eigene Kraft dem roͤmiſchen Kriege genuͤgt: jetzt da ſie angſtvoll auf die ſchnell emporwachſende Ueber- macht des Volks ſahen welches, gierig nach ihren frucht- bareren Gefilden, ſie bekriegte um ſie zu vertilgen, entzog ihnen die eigne Gefahr der entfernteren Verbuͤndeten den ſchwachen Beyſtand welchen die etruskiſche Foͤderation haͤtte gewaͤhren moͤgen. Denn eine Voͤlkerwandrung war uͤber die Alpen eingebrochen: die aͤlteſten und groͤßeſten Staͤdte um den Padus wurden vertilgt, und der Apenni- nus war kein Schirm fuͤr die noch nicht angegriffenen. So konnte Veji nur von den naͤchſten Staͤdten Beyſtand hof- fen, und nur Capena und Falerii gewaͤhrten ihn treu: Tarquinii ſchwach: Caͤre aber war Rom eng verbunden, wenn auch wohl neutral im Kriege. Der Senat erkannte daß dieſer Augenblick unſchaͤtzbar ſey um eine Laufbahn von Eroberungen zu betreten. Volsker und Aequer wa- ren nicht mehr furchtbar; ihnen waren Latiner und Her- niker ſtark genug. Aber das bisherige Kriegsſyſtem Roms 57) Eo anno quia tempus induciarum cum Vejente popule exierat — res repeti cœptæ. Livius IV. c. 58.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/231>, abgerufen am 23.11.2024.