weihten, von einer Unternehmung zum Entsatz von Veji abzuschrecken. Unbesonnener Muth verführte die Anfüh- rer ihre Truppen in eine ungünstige Gegend zu wagen: Genucius versöhnte seinen Fehler durch einen tapferen Tod an der Spitze der Seinigen: Titinius glücklicher, indem er die umringenden Feinde durchbrach.
Um einen Krieg zu endigen bey dessen fortwähren- der Dauer den Feind nur noch seine Mauern schützten, ward Camillus, ohne Vergleich der erste Feldherr Roms in seinem Zeitalter, zum Dictator ernannt. Die Anstren- gungen waren so groß wie die Hoffnung auf nahen Sieg, die Begierde nach reicher Beute, und das Bedürfniß einen über alle Erwartung verlängerten und drückenden Krieg zu endigen, sie erforderten. Außer einem zahlrei- chen römischen Heer, der gesammten Jugend, führte der Dictator auch latinische und hernicische Hülfsvölker, wie es scheint nur Freywillige. Denn überhaupt ist es zwei- felhaft ob diese Völker an den etruskischen Kriegen der Stadt Theil nahmen: wären sie aber auch dazu verpflich- tet gewesen, so ward die Erfüllung der Verpflichtung jetzt unmöglich, wenn nicht Latium zugleich mit Rom seine Soldaten besolden konnte. Um Veji ungestört zu bela- gern beschloß Camillus die befreundeten etruskischen Völ- ker in ihrem eigenen Lande anzugreifen. Er traf auf die vereinigten Falisker und Capenaten bey Repete, und erfocht einen großen Sieg. Von nun an war seine ganze Sorge auf die Belagerung gewandt. Die Schan- zen wurden vervielfältigt und die Stadt enger einge- schlossen: aber der Soldat ward ausschließlich bey den
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weihten, von einer Unternehmung zum Entſatz von Veji abzuſchrecken. Unbeſonnener Muth verfuͤhrte die Anfuͤh- rer ihre Truppen in eine unguͤnſtige Gegend zu wagen: Genucius verſoͤhnte ſeinen Fehler durch einen tapferen Tod an der Spitze der Seinigen: Titinius gluͤcklicher, indem er die umringenden Feinde durchbrach.
Um einen Krieg zu endigen bey deſſen fortwaͤhren- der Dauer den Feind nur noch ſeine Mauern ſchuͤtzten, ward Camillus, ohne Vergleich der erſte Feldherr Roms in ſeinem Zeitalter, zum Dictator ernannt. Die Anſtren- gungen waren ſo groß wie die Hoffnung auf nahen Sieg, die Begierde nach reicher Beute, und das Beduͤrfniß einen uͤber alle Erwartung verlaͤngerten und druͤckenden Krieg zu endigen, ſie erforderten. Außer einem zahlrei- chen roͤmiſchen Heer, der geſammten Jugend, fuͤhrte der Dictator auch latiniſche und herniciſche Huͤlfsvoͤlker, wie es ſcheint nur Freywillige. Denn uͤberhaupt iſt es zwei- felhaft ob dieſe Voͤlker an den etruskiſchen Kriegen der Stadt Theil nahmen: waͤren ſie aber auch dazu verpflich- tet geweſen, ſo ward die Erfuͤllung der Verpflichtung jetzt unmoͤglich, wenn nicht Latium zugleich mit Rom ſeine Soldaten beſolden konnte. Um Veji ungeſtoͤrt zu bela- gern beſchloß Camillus die befreundeten etruskiſchen Voͤl- ker in ihrem eigenen Lande anzugreifen. Er traf auf die vereinigten Falisker und Capenaten bey Repete, und erfocht einen großen Sieg. Von nun an war ſeine ganze Sorge auf die Belagerung gewandt. Die Schan- zen wurden vervielfaͤltigt und die Stadt enger einge- ſchloſſen: aber der Soldat ward ausſchließlich bey den
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weihten, von einer Unternehmung zum Entſatz von Veji
abzuſchrecken. Unbeſonnener Muth verfuͤhrte die Anfuͤh-
rer ihre Truppen in eine unguͤnſtige Gegend zu wagen:
Genucius verſoͤhnte ſeinen Fehler durch einen tapferen Tod
an der Spitze der Seinigen: Titinius gluͤcklicher, indem
er die umringenden Feinde durchbrach.
Um einen Krieg zu endigen bey deſſen fortwaͤhren-
der Dauer den Feind nur noch ſeine Mauern ſchuͤtzten,
ward Camillus, ohne Vergleich der erſte Feldherr Roms
in ſeinem Zeitalter, zum Dictator ernannt. Die Anſtren-
gungen waren ſo groß wie die Hoffnung auf nahen Sieg,
die Begierde nach reicher Beute, und das Beduͤrfniß
einen uͤber alle Erwartung verlaͤngerten und druͤckenden
Krieg zu endigen, ſie erforderten. Außer einem zahlrei-
chen roͤmiſchen Heer, der geſammten Jugend, fuͤhrte der
Dictator auch latiniſche und herniciſche Huͤlfsvoͤlker, wie
es ſcheint nur Freywillige. Denn uͤberhaupt iſt es zwei-
felhaft ob dieſe Voͤlker an den etruskiſchen Kriegen der
Stadt Theil nahmen: waͤren ſie aber auch dazu verpflich-
tet geweſen, ſo ward die Erfuͤllung der Verpflichtung jetzt
unmoͤglich, wenn nicht Latium zugleich mit Rom ſeine
Soldaten beſolden konnte. Um Veji ungeſtoͤrt zu bela-
gern beſchloß Camillus die befreundeten etruskiſchen Voͤl-
ker in ihrem eigenen Lande anzugreifen. Er traf auf die
vereinigten Falisker und Capenaten bey Repete, und
erfocht einen großen Sieg. Von nun an war ſeine
ganze Sorge auf die Belagerung gewandt. Die Schan-
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/243>, abgerufen am 23.11.2024.
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