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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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schien. Die Erbitterung der Patricier; die Verläug-
nung aller Gefühle des Bluts selbst bey seinen Brüdern,
welche die Trauerkleider in denen sie anfangs erschienen
waren, vielleicht durch Drohungen geschreckt, abgelegt
hatten; zeigten Manlius um so mehr in dem Licht eines
Märtyrers seiner Volksliebe, weil es im Andenken war
daß C. Claudius und das ganze Claudische Geschlecht
während der Anklage des Decemvirs Trauer angelegt
hatte. Als er aber die denen er Freyheit und Eigen-
thum wiedergegeben, die denen er in Kriegen das Leben
gerettet hatte, als Zeugen vorrief: als er die Rüstungen
dreyßig erlegter Feinde, vierzig von den Feldherrn em-
pfangene Ehrengeschenke zeigte: als er die Narben sei-
ner Brust enthüllte; und von der Gemeinde nach dem
Capitol gewandt, welches über dem Marsfelde hervor-
ragt, mit aufgehobenen Händen, nicht mehr die jeder
Wohlthat undankbar vergessenden Menschen sondern die
ewigen Götter anflehte, ihm in seiner Noth zu geden-
ken daß er ihren heiligen Tempel von Entweihung und
Zerstörung errettet: da fühlten sich auch die welche ihn
schuldig glaubten unwürdig über einen solchen Mann zu
richten. Die Gemeinde ward zum zweitenmal vor dem
Nomentanischen Thor versammelt. Hier sprach sie das
besohlne Todesurtheil. Der Unglückliche ward, um sei-
nen Tod mit Hohn zu verbittern, damit er fühle daß
seine siegenden Feinde bey dem Andenken seiner großen
That nicht jene zurückbebende Scheu empfänden welche
Marius aus den Händen des Cimbers rettete, von dem
tarpejischen Fels, wo er die stürmenden Senoner zurück-

ſchien. Die Erbitterung der Patricier; die Verlaͤug-
nung aller Gefuͤhle des Bluts ſelbſt bey ſeinen Bruͤdern,
welche die Trauerkleider in denen ſie anfangs erſchienen
waren, vielleicht durch Drohungen geſchreckt, abgelegt
hatten; zeigten Manlius um ſo mehr in dem Licht eines
Maͤrtyrers ſeiner Volksliebe, weil es im Andenken war
daß C. Claudius und das ganze Claudiſche Geſchlecht
waͤhrend der Anklage des Decemvirs Trauer angelegt
hatte. Als er aber die denen er Freyheit und Eigen-
thum wiedergegeben, die denen er in Kriegen das Leben
gerettet hatte, als Zeugen vorrief: als er die Ruͤſtungen
dreyßig erlegter Feinde, vierzig von den Feldherrn em-
pfangene Ehrengeſchenke zeigte: als er die Narben ſei-
ner Bruſt enthuͤllte; und von der Gemeinde nach dem
Capitol gewandt, welches uͤber dem Marsfelde hervor-
ragt, mit aufgehobenen Haͤnden, nicht mehr die jeder
Wohlthat undankbar vergeſſenden Menſchen ſondern die
ewigen Goͤtter anflehte, ihm in ſeiner Noth zu geden-
ken daß er ihren heiligen Tempel von Entweihung und
Zerſtoͤrung errettet: da fuͤhlten ſich auch die welche ihn
ſchuldig glaubten unwuͤrdig uͤber einen ſolchen Mann zu
richten. Die Gemeinde ward zum zweitenmal vor dem
Nomentaniſchen Thor verſammelt. Hier ſprach ſie das
beſohlne Todesurtheil. Der Ungluͤckliche ward, um ſei-
nen Tod mit Hohn zu verbittern, damit er fuͤhle daß
ſeine ſiegenden Feinde bey dem Andenken ſeiner großen
That nicht jene zuruͤckbebende Scheu empfaͤnden welche
Marius aus den Haͤnden des Cimbers rettete, von dem
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[329/0345] ſchien. Die Erbitterung der Patricier; die Verlaͤug- nung aller Gefuͤhle des Bluts ſelbſt bey ſeinen Bruͤdern, welche die Trauerkleider in denen ſie anfangs erſchienen waren, vielleicht durch Drohungen geſchreckt, abgelegt hatten; zeigten Manlius um ſo mehr in dem Licht eines Maͤrtyrers ſeiner Volksliebe, weil es im Andenken war daß C. Claudius und das ganze Claudiſche Geſchlecht waͤhrend der Anklage des Decemvirs Trauer angelegt hatte. Als er aber die denen er Freyheit und Eigen- thum wiedergegeben, die denen er in Kriegen das Leben gerettet hatte, als Zeugen vorrief: als er die Ruͤſtungen dreyßig erlegter Feinde, vierzig von den Feldherrn em- pfangene Ehrengeſchenke zeigte: als er die Narben ſei- ner Bruſt enthuͤllte; und von der Gemeinde nach dem Capitol gewandt, welches uͤber dem Marsfelde hervor- ragt, mit aufgehobenen Haͤnden, nicht mehr die jeder Wohlthat undankbar vergeſſenden Menſchen ſondern die ewigen Goͤtter anflehte, ihm in ſeiner Noth zu geden- ken daß er ihren heiligen Tempel von Entweihung und Zerſtoͤrung errettet: da fuͤhlten ſich auch die welche ihn ſchuldig glaubten unwuͤrdig uͤber einen ſolchen Mann zu richten. Die Gemeinde ward zum zweitenmal vor dem Nomentaniſchen Thor verſammelt. Hier ſprach ſie das beſohlne Todesurtheil. Der Ungluͤckliche ward, um ſei- nen Tod mit Hohn zu verbittern, damit er fuͤhle daß ſeine ſiegenden Feinde bey dem Andenken ſeiner großen That nicht jene zuruͤckbebende Scheu empfaͤnden welche Marius aus den Haͤnden des Cimbers rettete, von dem tarpejiſchen Fels, wo er die ſtuͤrmenden Senoner zuruͤck-

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/345>, abgerufen am 22.11.2024.