Umfang der Geschäfte der Censur haben, um es möglich zu finden daß die unermeßlichen Domainen in kleinen Parcelen hätten verpachtet werden können? Man müßte also nothwendig offenbare Verpachtungen weitläuftiger Districte, nicht von fünfhundert, sondern von vielen tau- send Jugern, annehmen, welche dann die Generalpachter, wenn sie gewollt, in kleine Besitzungen zerschlagen hätten.
Für diese Meinung scheint eine Stelle des Hyginus anwendbar, welche von Verpachtung oder Verkauf auf hundert Jahre redet 58). Aufmerksam gefaßt ist sie viel- mehr für die wahre Meinung wichtig, und redet unzwey- deutig nur von dem Verkauf der dem Staat gebührenden Steuerquote (des jus vectigalis), worüber der General- pachter sich oft für die ganze Dauer seines Contracts mit den Steuerpflichtigen vereinigen mochte. Verkauf ist der eigentliche Ausdruck für censorische Location 59), und von einer jährlich zu erlegenden Summe, nicht von einem Ca- pital zu verstehen, wodurch der Käufer eine Annuität er- langt, der Verkäufer die Revenüe anticipirt. Von einem Manceps, und Verkauf durch Mancipation, könnte bey einem Pachtcontract über den Boden die Rede nicht seyn: allerdings aber wurden Rechte an ländliche Grundstücke,
58) Hyginus de condit. agr. p. 205. ed. Goesii. Qui super- fuerant agri vectigalibus subjecti sunt, alii per annos qui- nos, alii vero mancipibus ementibus, id est conducenti- bus, in annos centenos. -- Mancipes autem qui emerunt lege dicta jus vectigalis, ipsi per centurias locaverunt aut vendiderunt proximis quibusque possessoribus.
59) S. die unten Anm. 466. angeführte Stelle aus Festus.
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Umfang der Geſchaͤfte der Cenſur haben, um es moͤglich zu finden daß die unermeßlichen Domainen in kleinen Parcelen haͤtten verpachtet werden koͤnnen? Man muͤßte alſo nothwendig offenbare Verpachtungen weitlaͤuftiger Diſtricte, nicht von fuͤnfhundert, ſondern von vielen tau- ſend Jugern, annehmen, welche dann die Generalpachter, wenn ſie gewollt, in kleine Beſitzungen zerſchlagen haͤtten.
Fuͤr dieſe Meinung ſcheint eine Stelle des Hyginus anwendbar, welche von Verpachtung oder Verkauf auf hundert Jahre redet 58). Aufmerkſam gefaßt iſt ſie viel- mehr fuͤr die wahre Meinung wichtig, und redet unzwey- deutig nur von dem Verkauf der dem Staat gebuͤhrenden Steuerquote (des jus vectigalis), woruͤber der General- pachter ſich oft fuͤr die ganze Dauer ſeines Contracts mit den Steuerpflichtigen vereinigen mochte. Verkauf iſt der eigentliche Ausdruck fuͤr cenſoriſche Location 59), und von einer jaͤhrlich zu erlegenden Summe, nicht von einem Ca- pital zu verſtehen, wodurch der Kaͤufer eine Annuitaͤt er- langt, der Verkaͤufer die Revenuͤe anticipirt. Von einem Manceps, und Verkauf durch Mancipation, koͤnnte bey einem Pachtcontract uͤber den Boden die Rede nicht ſeyn: allerdings aber wurden Rechte an laͤndliche Grundſtuͤcke,
58) Hyginus de condit. agr. p. 205. ed. Goësii. Qui super- fuerant agri vectigalibus subjecti sunt, alii per annos qui- nos, alii vero mancipibus ementibus, id est conducenti- bus, in annos centenos. — Mancipes autem qui emerunt lege dicta jus vectigalis, ipsi per centurias locaverunt aut vendiderunt proximis quibusque possessoribus.
59) S. die unten Anm. 466. angefuͤhrte Stelle aus Feſtus.
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Umfang der Geſchaͤfte der Cenſur haben, um es moͤglich
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Parcelen haͤtten verpachtet werden koͤnnen? Man muͤßte
alſo nothwendig offenbare Verpachtungen weitlaͤuftiger
Diſtricte, nicht von fuͤnfhundert, ſondern von vielen tau-
ſend Jugern, annehmen, welche dann die Generalpachter,
wenn ſie gewollt, in kleine Beſitzungen zerſchlagen haͤtten.
Fuͤr dieſe Meinung ſcheint eine Stelle des Hyginus
anwendbar, welche von Verpachtung oder Verkauf auf
hundert Jahre redet 58). Aufmerkſam gefaßt iſt ſie viel-
mehr fuͤr die wahre Meinung wichtig, und redet unzwey-
deutig nur von dem Verkauf der dem Staat gebuͤhrenden
Steuerquote (des jus vectigalis), woruͤber der General-
pachter ſich oft fuͤr die ganze Dauer ſeines Contracts mit
den Steuerpflichtigen vereinigen mochte. Verkauf iſt der
eigentliche Ausdruck fuͤr cenſoriſche Location 59), und von
einer jaͤhrlich zu erlegenden Summe, nicht von einem Ca-
pital zu verſtehen, wodurch der Kaͤufer eine Annuitaͤt er-
langt, der Verkaͤufer die Revenuͤe anticipirt. Von einem
Manceps, und Verkauf durch Mancipation, koͤnnte bey
einem Pachtcontract uͤber den Boden die Rede nicht ſeyn:
allerdings aber wurden Rechte an laͤndliche Grundſtuͤcke,
58) Hyginus de condit. agr. p. 205. ed. Goësii. Qui super-
fuerant agri vectigalibus subjecti sunt, alii per annos qui-
nos, alii vero mancipibus ementibus, id est conducenti-
bus, in annos centenos. — Mancipes autem qui emerunt
lege dicta jus vectigalis, ipsi per centurias locaverunt aut
vendiderunt proximis quibusque possessoribus.
59) S. die unten Anm. 466. angefuͤhrte Stelle aus Feſtus.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/371>, abgerufen am 22.11.2024.
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