Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Weise in den Strafbestimmungen gegen den schuldigen
Theil bey Ehescheidungen angedeutet zu seyn, obwohl die
schon erwähnte Verwandlung der Fristen bey dem Frauen-
gut in gewöhnliche Jahre, auch hier die Unze auf dieses,
und nicht mehr auf das cyclische bezieht. Ulpian mel-
det 16) daß die Frau für große Unsitte durch den Ver-
lust des sechsten Theils ihrer Dos; für geringere mit
einem Achttheil bestraft ward: der Mann dadurch, daß
er, im ersten Fall anstatt der drey jährigen Fristen sogleich
zurückzahlen mußte: im zweyten in sechsmonatlichen Ter-
minen. Nimmt man nun an daß die Strafe für beyde
gleich seyn sollte, also der Mann durch Zinsen so viel ver-
liehren als die Frau am Capital; so ergiebt sich für den
ersten Fall der jährliche Zinsfuß von einem Zwölftheil auf
dem ersten Blick: und im zweyten nicht weniger, wenn
man einräumt daß der durch keine Parallelstelle bestimmte
Ausdruck senum mensum die die Erklärung zuläßt der
erste Termin sey sogleich fällig gewesen, die beyden fol-
genden wären von sechs zu sechs Monat gefallen 17).


16) Ulpian Tit. de dotib. §. 12. 13.
17) Denn im ersten Fall verliert der Mann an jährigen Zin-
sen 1/3 + 2/3 + 1 = 2 = 1/6 des Capitals; im zweyten, nach
jener Erklärung, 1/3 + 1/2 + 2/3 = 11/2 = 1/8 des Capitals. Es
gehört nicht zu dieser Rechnung, ist aber nicht zu überse-
hen, daß der gekränkte Theil gerade so viel gewann als
der schuldige verlohr.
Auch auf diese Stelle hat mich Savignys Freundschaft
geleitet. Er hatte zuerst hier die Entdeckung eines alten
Zinsfußes erwartet, aber bey der Berechnung die Zinszin-
sen hineingezogen, wodurch ein sehr verwickeltes Resultat

Weiſe in den Strafbeſtimmungen gegen den ſchuldigen
Theil bey Eheſcheidungen angedeutet zu ſeyn, obwohl die
ſchon erwaͤhnte Verwandlung der Friſten bey dem Frauen-
gut in gewoͤhnliche Jahre, auch hier die Unze auf dieſes,
und nicht mehr auf das cycliſche bezieht. Ulpian mel-
det 16) daß die Frau fuͤr große Unſitte durch den Ver-
luſt des ſechſten Theils ihrer Dos; fuͤr geringere mit
einem Achttheil beſtraft ward: der Mann dadurch, daß
er, im erſten Fall anſtatt der drey jaͤhrigen Friſten ſogleich
zuruͤckzahlen mußte: im zweyten in ſechsmonatlichen Ter-
minen. Nimmt man nun an daß die Strafe fuͤr beyde
gleich ſeyn ſollte, alſo der Mann durch Zinſen ſo viel ver-
liehren als die Frau am Capital; ſo ergiebt ſich fuͤr den
erſten Fall der jaͤhrliche Zinsfuß von einem Zwoͤlftheil auf
dem erſten Blick: und im zweyten nicht weniger, wenn
man einraͤumt daß der durch keine Parallelſtelle beſtimmte
Ausdruck senum mensum die die Erklaͤrung zulaͤßt der
erſte Termin ſey ſogleich faͤllig geweſen, die beyden fol-
genden waͤren von ſechs zu ſechs Monat gefallen 17).


16) Ulpian Tit. de dotib. §. 12. 13.
17) Denn im erſten Fall verliert der Mann an jaͤhrigen Zin-
ſen ⅓ + ⅔ + 1 = 2 = ⅙ des Capitals; im zweyten, nach
jener Erklaͤrung, ⅓ + ½ + ⅔ = 1½ = ⅛ des Capitals. Es
gehoͤrt nicht zu dieſer Rechnung, iſt aber nicht zu uͤberſe-
hen, daß der gekraͤnkte Theil gerade ſo viel gewann als
der ſchuldige verlohr.
Auch auf dieſe Stelle hat mich Savignys Freundſchaft
geleitet. Er hatte zuerſt hier die Entdeckung eines alten
Zinsfußes erwartet, aber bey der Berechnung die Zinszin-
ſen hineingezogen, wodurch ein ſehr verwickeltes Reſultat
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0455" n="439"/>
Wei&#x017F;e in den Strafbe&#x017F;timmungen gegen den &#x017F;chuldigen<lb/>
Theil bey Ehe&#x017F;cheidungen angedeutet zu &#x017F;eyn, obwohl die<lb/>
&#x017F;chon erwa&#x0364;hnte Verwandlung der Fri&#x017F;ten bey dem Frauen-<lb/>
gut in gewo&#x0364;hnliche Jahre, auch hier die Unze auf die&#x017F;es,<lb/>
und nicht mehr auf das cycli&#x017F;che bezieht. Ulpian mel-<lb/>
det <note place="foot" n="16)">Ulpian <hi rendition="#aq">Tit. de dotib.</hi> §. 12. 13.</note> daß die Frau fu&#x0364;r große Un&#x017F;itte durch den Ver-<lb/>
lu&#x017F;t des &#x017F;ech&#x017F;ten Theils ihrer Dos; fu&#x0364;r geringere mit<lb/>
einem Achttheil be&#x017F;traft ward: der Mann dadurch, daß<lb/>
er, im er&#x017F;ten Fall an&#x017F;tatt der drey ja&#x0364;hrigen Fri&#x017F;ten &#x017F;ogleich<lb/>
zuru&#x0364;ckzahlen mußte: im zweyten in &#x017F;echsmonatlichen Ter-<lb/>
minen. Nimmt man nun an daß die Strafe fu&#x0364;r beyde<lb/>
gleich &#x017F;eyn &#x017F;ollte, al&#x017F;o der Mann durch Zin&#x017F;en &#x017F;o viel ver-<lb/>
liehren als die Frau am Capital; &#x017F;o ergiebt &#x017F;ich fu&#x0364;r den<lb/>
er&#x017F;ten Fall der ja&#x0364;hrliche Zinsfuß von einem Zwo&#x0364;lftheil auf<lb/>
dem er&#x017F;ten Blick: und im zweyten nicht weniger, wenn<lb/>
man einra&#x0364;umt daß der durch keine Parallel&#x017F;telle be&#x017F;timmte<lb/>
Ausdruck <hi rendition="#aq">senum mensum die</hi> die Erkla&#x0364;rung zula&#x0364;ßt der<lb/>
er&#x017F;te Termin &#x017F;ey &#x017F;ogleich fa&#x0364;llig gewe&#x017F;en, die beyden fol-<lb/>
genden wa&#x0364;ren von &#x017F;echs zu &#x017F;echs Monat gefallen <note xml:id="note-0455" next="#note-0456" place="foot" n="17)">Denn im er&#x017F;ten Fall verliert der Mann an ja&#x0364;hrigen Zin-<lb/>
&#x017F;en &#x2153; + &#x2154; + 1 = 2 = &#x2159; des Capitals; im zweyten, nach<lb/>
jener Erkla&#x0364;rung, &#x2153; + ½ + &#x2154; = 1½ = &#x215B; des Capitals. Es<lb/>
geho&#x0364;rt nicht zu die&#x017F;er Rechnung, i&#x017F;t aber nicht zu u&#x0364;ber&#x017F;e-<lb/>
hen, daß der gekra&#x0364;nkte Theil gerade &#x017F;o viel <hi rendition="#g">gewann</hi> als<lb/>
der &#x017F;chuldige <hi rendition="#g">verlohr</hi>.<lb/>
Auch auf die&#x017F;e Stelle hat mich Savignys Freund&#x017F;chaft<lb/>
geleitet. Er hatte zuer&#x017F;t hier die Entdeckung eines alten<lb/>
Zinsfußes erwartet, aber bey der Berechnung die Zinszin-<lb/>
&#x017F;en hineingezogen, wodurch ein &#x017F;ehr verwickeltes Re&#x017F;ultat</note>.</p>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[439/0455] Weiſe in den Strafbeſtimmungen gegen den ſchuldigen Theil bey Eheſcheidungen angedeutet zu ſeyn, obwohl die ſchon erwaͤhnte Verwandlung der Friſten bey dem Frauen- gut in gewoͤhnliche Jahre, auch hier die Unze auf dieſes, und nicht mehr auf das cycliſche bezieht. Ulpian mel- det 16) daß die Frau fuͤr große Unſitte durch den Ver- luſt des ſechſten Theils ihrer Dos; fuͤr geringere mit einem Achttheil beſtraft ward: der Mann dadurch, daß er, im erſten Fall anſtatt der drey jaͤhrigen Friſten ſogleich zuruͤckzahlen mußte: im zweyten in ſechsmonatlichen Ter- minen. Nimmt man nun an daß die Strafe fuͤr beyde gleich ſeyn ſollte, alſo der Mann durch Zinſen ſo viel ver- liehren als die Frau am Capital; ſo ergiebt ſich fuͤr den erſten Fall der jaͤhrliche Zinsfuß von einem Zwoͤlftheil auf dem erſten Blick: und im zweyten nicht weniger, wenn man einraͤumt daß der durch keine Parallelſtelle beſtimmte Ausdruck senum mensum die die Erklaͤrung zulaͤßt der erſte Termin ſey ſogleich faͤllig geweſen, die beyden fol- genden waͤren von ſechs zu ſechs Monat gefallen 17). 16) Ulpian Tit. de dotib. §. 12. 13. 17) Denn im erſten Fall verliert der Mann an jaͤhrigen Zin- ſen ⅓ + ⅔ + 1 = 2 = ⅙ des Capitals; im zweyten, nach jener Erklaͤrung, ⅓ + ½ + ⅔ = 1½ = ⅛ des Capitals. Es gehoͤrt nicht zu dieſer Rechnung, iſt aber nicht zu uͤberſe- hen, daß der gekraͤnkte Theil gerade ſo viel gewann als der ſchuldige verlohr. Auch auf dieſe Stelle hat mich Savignys Freundſchaft geleitet. Er hatte zuerſt hier die Entdeckung eines alten Zinsfußes erwartet, aber bey der Berechnung die Zinszin- ſen hineingezogen, wodurch ein ſehr verwickeltes Reſultat

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/455
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/455>, abgerufen am 22.11.2024.