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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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hätten ein Aufgebot gegen sie geführt. Als aber beyde
Heere zum Treffen ausgerückt wären, hätte das consula-
rische die Insurgenten begrüßt, und anstatt zu fechten hät-
ten die Männer beyder Heere sich die Hände geboten, und
sich weinend umarmt. Man möchte hierin einen letzten
vereitelten Versuch der Patricier erkennen, ihre Clientel
gegen das freye Volk gewaltsam zu gebrauchen. Als es
nun sichtbar geworden daß Gewalt unmöglich sey, hätten
die Consuln sich entschließen müssen im Senat auf Aus-
söhnung mit dem Volk anzutragen. Von nun an vereini-
gen sich beyde Erzählungen.

Aber es ist klar, daß der Aufstand Gesetze von weit
höherer Wichtigkeit veranlaßte als jene militarischen.
Von diesem Jahr an ist das licinische Gesetz nie wieder
verletzt worden. Nur Appius der Blinde wollte es versu-
chen, der nie eine Gelegenheit vorübergehen ließ sich sei-
nem Uebermuth hinzugeben: aber selbst er, der bey an-
dern Gelegenheiten allen Gesetzen Hohn sprach, wich dem
Ernst des Volkstribuns 25). Eine so plötzliche Heilung
einer so tief eingewurzelten bösen Neigung kann nur das
Werk äußerst ernsthafter Belehrung gewesen seyn. Also
muß unstreitig das licinische Gesetz über das Consulat bey
dieser Veranlassung durch neue Sanctionen eingeschärft,
höchst wahrscheinlich seine Uebertretung durch Todesstra[f]e
dem Verbrechen der Ernennung einer Magistratur ohne
Provocation 26) gleichgestellt seyn. Dies scheint durch
vollkommen genügende innere Evidenz erwiesen, obwohl

25) Cicero Brut. c. 14.
26) Siehe oben Th. II. S. 147.
Zweiter Theil. F f

haͤtten ein Aufgebot gegen ſie gefuͤhrt. Als aber beyde
Heere zum Treffen ausgeruͤckt waͤren, haͤtte das conſula-
riſche die Inſurgenten begruͤßt, und anſtatt zu fechten haͤt-
ten die Maͤnner beyder Heere ſich die Haͤnde geboten, und
ſich weinend umarmt. Man moͤchte hierin einen letzten
vereitelten Verſuch der Patricier erkennen, ihre Clientel
gegen das freye Volk gewaltſam zu gebrauchen. Als es
nun ſichtbar geworden daß Gewalt unmoͤglich ſey, haͤtten
die Conſuln ſich entſchließen muͤſſen im Senat auf Aus-
ſoͤhnung mit dem Volk anzutragen. Von nun an vereini-
gen ſich beyde Erzaͤhlungen.

Aber es iſt klar, daß der Aufſtand Geſetze von weit
hoͤherer Wichtigkeit veranlaßte als jene militariſchen.
Von dieſem Jahr an iſt das liciniſche Geſetz nie wieder
verletzt worden. Nur Appius der Blinde wollte es verſu-
chen, der nie eine Gelegenheit voruͤbergehen ließ ſich ſei-
nem Uebermuth hinzugeben: aber ſelbſt er, der bey an-
dern Gelegenheiten allen Geſetzen Hohn ſprach, wich dem
Ernſt des Volkstribuns 25). Eine ſo ploͤtzliche Heilung
einer ſo tief eingewurzelten boͤſen Neigung kann nur das
Werk aͤußerſt ernſthafter Belehrung geweſen ſeyn. Alſo
muß unſtreitig das liciniſche Geſetz uͤber das Conſulat bey
dieſer Veranlaſſung durch neue Sanctionen eingeſchaͤrft,
hoͤchſt wahrſcheinlich ſeine Uebertretung durch Todesſtra[f]e
dem Verbrechen der Ernennung einer Magiſtratur ohne
Provocation 26) gleichgeſtellt ſeyn. Dies ſcheint durch
vollkommen genuͤgende innere Evidenz erwieſen, obwohl

25) Cicero Brut. c. 14.
26) Siehe oben Th. II. S. 147.
Zweiter Theil. F f
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[449/0465] haͤtten ein Aufgebot gegen ſie gefuͤhrt. Als aber beyde Heere zum Treffen ausgeruͤckt waͤren, haͤtte das conſula- riſche die Inſurgenten begruͤßt, und anſtatt zu fechten haͤt- ten die Maͤnner beyder Heere ſich die Haͤnde geboten, und ſich weinend umarmt. Man moͤchte hierin einen letzten vereitelten Verſuch der Patricier erkennen, ihre Clientel gegen das freye Volk gewaltſam zu gebrauchen. Als es nun ſichtbar geworden daß Gewalt unmoͤglich ſey, haͤtten die Conſuln ſich entſchließen muͤſſen im Senat auf Aus- ſoͤhnung mit dem Volk anzutragen. Von nun an vereini- gen ſich beyde Erzaͤhlungen. Aber es iſt klar, daß der Aufſtand Geſetze von weit hoͤherer Wichtigkeit veranlaßte als jene militariſchen. Von dieſem Jahr an iſt das liciniſche Geſetz nie wieder verletzt worden. Nur Appius der Blinde wollte es verſu- chen, der nie eine Gelegenheit voruͤbergehen ließ ſich ſei- nem Uebermuth hinzugeben: aber ſelbſt er, der bey an- dern Gelegenheiten allen Geſetzen Hohn ſprach, wich dem Ernſt des Volkstribuns 25). Eine ſo ploͤtzliche Heilung einer ſo tief eingewurzelten boͤſen Neigung kann nur das Werk aͤußerſt ernſthafter Belehrung geweſen ſeyn. Alſo muß unſtreitig das liciniſche Geſetz uͤber das Conſulat bey dieſer Veranlaſſung durch neue Sanctionen eingeſchaͤrft, hoͤchſt wahrſcheinlich ſeine Uebertretung durch Todesſtrafe dem Verbrechen der Ernennung einer Magiſtratur ohne Provocation 26) gleichgeſtellt ſeyn. Dies ſcheint durch vollkommen genuͤgende innere Evidenz erwieſen, obwohl 25) Cicero Brut. c. 14. 26) Siehe oben Th. II. S. 147. Zweiter Theil. F f

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/465>, abgerufen am 22.11.2024.