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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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Ackerbau nicht das ehrende Geschäft jedes Bürgers von
jedem Stande gewesen seyn, wie zu Rom. Der Schweiß
an der Bestellung des dürftigen Bodens der römischen
Feldmark bildete Männer, und jene freyen Landleute die
keine Versuchung und keine Leidenschaft vom Wege der
strengen Pflicht ablockte: Kampaniens fette Fluren ge-
währten unerschöpflichen Reichthum, drey Erndten folg-
ten sich im Jahr, dem Getraide war an Vortrefflichkeit
wie an Fülle der Frucht kein andres zu vergleichen, Wein
und Oel übertrafen alles was Italien hervorbrachte: aber
die Besitzer dieses seligen Landes entarteten in ihm. Die
Schilderung der scheußlichen Unsittlichkeit Kapuas ist keine
Erdichtung des römischen Hasses; die kalte Grausamkeit
der Kampaner beweißt, bey einem so gebildeten Volk,
jene unmäßige Wollust deren sie angeklagt werden; und
die Entschlossenheit ihrer Vertheidigung als keine Rettung
außer in der Ausdauer, sie aber gar nicht hoffnungslos
war, während niemand sich über die Folgen einer Capitu-
lation täuschen konnte, diese wäscht den Schimpf der Feig-
heit nicht ab, welchen Roms Geschichtschreiber freylich
über viele Völker oft sehr unverdient aussprechen. Eine
Stadt deren Hauptgasse, -- die Seplasia --, von Lä-
den eingefaßt war, in denen Salben und Wohlgerüche feil
standen; eine Stadt in der Ueppigkeit fortlebte als über
ihre Angesehenen das schrecklichste Gericht ergangen,
und nur noch der niedrigste Pöbel in ihr zurückgelassen
war: in der ein solcher Senat und ein solches Volk
mit einander haderten wie sie Pacuvius Calavius am
Anfang des hannibalischen Kriegs gegen einander miß-

Ackerbau nicht das ehrende Geſchaͤft jedes Buͤrgers von
jedem Stande geweſen ſeyn, wie zu Rom. Der Schweiß
an der Beſtellung des duͤrftigen Bodens der roͤmiſchen
Feldmark bildete Maͤnner, und jene freyen Landleute die
keine Verſuchung und keine Leidenſchaft vom Wege der
ſtrengen Pflicht ablockte: Kampaniens fette Fluren ge-
waͤhrten unerſchoͤpflichen Reichthum, drey Erndten folg-
ten ſich im Jahr, dem Getraide war an Vortrefflichkeit
wie an Fuͤlle der Frucht kein andres zu vergleichen, Wein
und Oel uͤbertrafen alles was Italien hervorbrachte: aber
die Beſitzer dieſes ſeligen Landes entarteten in ihm. Die
Schilderung der ſcheußlichen Unſittlichkeit Kapuas iſt keine
Erdichtung des roͤmiſchen Haſſes; die kalte Grauſamkeit
der Kampaner beweißt, bey einem ſo gebildeten Volk,
jene unmaͤßige Wolluſt deren ſie angeklagt werden; und
die Entſchloſſenheit ihrer Vertheidigung als keine Rettung
außer in der Ausdauer, ſie aber gar nicht hoffnungslos
war, waͤhrend niemand ſich uͤber die Folgen einer Capitu-
lation taͤuſchen konnte, dieſe waͤſcht den Schimpf der Feig-
heit nicht ab, welchen Roms Geſchichtſchreiber freylich
uͤber viele Voͤlker oft ſehr unverdient ausſprechen. Eine
Stadt deren Hauptgaſſe, — die Seplaſia —, von Laͤ-
den eingefaßt war, in denen Salben und Wohlgeruͤche feil
ſtanden; eine Stadt in der Ueppigkeit fortlebte als uͤber
ihre Angeſehenen das ſchrecklichſte Gericht ergangen,
und nur noch der niedrigſte Poͤbel in ihr zuruͤckgelaſſen
war: in der ein ſolcher Senat und ein ſolches Volk
mit einander haderten wie ſie Pacuvius Calavius am
Anfang des hannibaliſchen Kriegs gegen einander miß-

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[485/0501] Ackerbau nicht das ehrende Geſchaͤft jedes Buͤrgers von jedem Stande geweſen ſeyn, wie zu Rom. Der Schweiß an der Beſtellung des duͤrftigen Bodens der roͤmiſchen Feldmark bildete Maͤnner, und jene freyen Landleute die keine Verſuchung und keine Leidenſchaft vom Wege der ſtrengen Pflicht ablockte: Kampaniens fette Fluren ge- waͤhrten unerſchoͤpflichen Reichthum, drey Erndten folg- ten ſich im Jahr, dem Getraide war an Vortrefflichkeit wie an Fuͤlle der Frucht kein andres zu vergleichen, Wein und Oel uͤbertrafen alles was Italien hervorbrachte: aber die Beſitzer dieſes ſeligen Landes entarteten in ihm. Die Schilderung der ſcheußlichen Unſittlichkeit Kapuas iſt keine Erdichtung des roͤmiſchen Haſſes; die kalte Grauſamkeit der Kampaner beweißt, bey einem ſo gebildeten Volk, jene unmaͤßige Wolluſt deren ſie angeklagt werden; und die Entſchloſſenheit ihrer Vertheidigung als keine Rettung außer in der Ausdauer, ſie aber gar nicht hoffnungslos war, waͤhrend niemand ſich uͤber die Folgen einer Capitu- lation taͤuſchen konnte, dieſe waͤſcht den Schimpf der Feig- heit nicht ab, welchen Roms Geſchichtſchreiber freylich uͤber viele Voͤlker oft ſehr unverdient ausſprechen. Eine Stadt deren Hauptgaſſe, — die Seplaſia —, von Laͤ- den eingefaßt war, in denen Salben und Wohlgeruͤche feil ſtanden; eine Stadt in der Ueppigkeit fortlebte als uͤber ihre Angeſehenen das ſchrecklichſte Gericht ergangen, und nur noch der niedrigſte Poͤbel in ihr zuruͤckgelaſſen war: in der ein ſolcher Senat und ein ſolches Volk mit einander haderten wie ſie Pacuvius Calavius am Anfang des hannibaliſchen Kriegs gegen einander miß-

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/501>, abgerufen am 22.11.2024.