Heil von der unbedingten Kriegszucht abhing, wodurch das Heer ein physischer Körper wird dessen Seele der Feldherr, und mit ihm nur ein lebendes Ganze ist. Da- her das Verbot der Consuln, und die Nothwendigkeit es ohne alle Milderung in Kraft zu erhalten, daß, bey To- desstrafe, keiner sich in ein einzelnes Gefecht bey den Vor- posten einlassen solle, wozu der Anlaß um so leichter ent- stehen konnte, da alle Römer und Latiner aus den frühe- ren Feldzügen sich kannten. Denn daraus konnte sich leicht zu ungünstiger Stunde ein allgemeines Gefecht erhe- ben, oder die Nothwendigkeit entstehen einen Nachtheil zu verschmerzen. Der Sohn des Consuls Manlius recogno- scirte mit einigen Reutern: ihm begegnete ein tuskulani- scher Befehlshaber, und höhnte ihn, weil er einem Ge- fecht auswich. Die Kränkung riß den Jüngling hin eine Ausforderung zum Zweykampf anzunehmen; er siegte. Hinreissend schön ist Livius Erzählung wie der bethörte Siegstrunkene seinem entsetzten Vater die blutigen Spo- lien darbrachte; wie dieser sein Urtheil sprach, und voll- ziehen ließ; wie die Kriegsgefährten des unglücklichen Jünglings seine Leiche mit den traurigen Siegszeichen verbrannten, welche, hätte er sie in erlaubtem Gefecht ge- wonnen, ihn bey dem Triumph seines Vaters begleitet, und seine Penaten geschmückt haben würden; wie die Krie- ger, während der Vater sein Herz verhärtet hatte, den Todten klagten: wie die Jünglinge dem Sieger nicht entgegen gingen, und ihn, so lange er lebte, flohen und verwünschten 12).
12) Livius VIII. c. 7. 12.
Zweiter Theil. K k
Heil von der unbedingten Kriegszucht abhing, wodurch das Heer ein phyſiſcher Koͤrper wird deſſen Seele der Feldherr, und mit ihm nur ein lebendes Ganze iſt. Da- her das Verbot der Conſuln, und die Nothwendigkeit es ohne alle Milderung in Kraft zu erhalten, daß, bey To- desſtrafe, keiner ſich in ein einzelnes Gefecht bey den Vor- poſten einlaſſen ſolle, wozu der Anlaß um ſo leichter ent- ſtehen konnte, da alle Roͤmer und Latiner aus den fruͤhe- ren Feldzuͤgen ſich kannten. Denn daraus konnte ſich leicht zu unguͤnſtiger Stunde ein allgemeines Gefecht erhe- ben, oder die Nothwendigkeit entſtehen einen Nachtheil zu verſchmerzen. Der Sohn des Conſuls Manlius recogno- ſcirte mit einigen Reutern: ihm begegnete ein tuskulani- ſcher Befehlshaber, und hoͤhnte ihn, weil er einem Ge- fecht auswich. Die Kraͤnkung riß den Juͤngling hin eine Ausforderung zum Zweykampf anzunehmen; er ſiegte. Hinreiſſend ſchoͤn iſt Livius Erzaͤhlung wie der bethoͤrte Siegstrunkene ſeinem entſetzten Vater die blutigen Spo- lien darbrachte; wie dieſer ſein Urtheil ſprach, und voll- ziehen ließ; wie die Kriegsgefaͤhrten des ungluͤcklichen Juͤnglings ſeine Leiche mit den traurigen Siegszeichen verbrannten, welche, haͤtte er ſie in erlaubtem Gefecht ge- wonnen, ihn bey dem Triumph ſeines Vaters begleitet, und ſeine Penaten geſchmuͤckt haben wuͤrden; wie die Krie- ger, waͤhrend der Vater ſein Herz verhaͤrtet hatte, den Todten klagten: wie die Juͤnglinge dem Sieger nicht entgegen gingen, und ihn, ſo lange er lebte, flohen und verwuͤnſchten 12).
12) Livius VIII. c. 7. 12.
Zweiter Theil. K k
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Heil von der unbedingten Kriegszucht abhing, wodurch
das Heer ein phyſiſcher Koͤrper wird deſſen Seele der
Feldherr, und mit ihm nur ein lebendes Ganze iſt. Da-
her das Verbot der Conſuln, und die Nothwendigkeit es
ohne alle Milderung in Kraft zu erhalten, daß, bey To-
desſtrafe, keiner ſich in ein einzelnes Gefecht bey den Vor-
poſten einlaſſen ſolle, wozu der Anlaß um ſo leichter ent-
ſtehen konnte, da alle Roͤmer und Latiner aus den fruͤhe-
ren Feldzuͤgen ſich kannten. Denn daraus konnte ſich
leicht zu unguͤnſtiger Stunde ein allgemeines Gefecht erhe-
ben, oder die Nothwendigkeit entſtehen einen Nachtheil zu
verſchmerzen. Der Sohn des Conſuls Manlius recogno-
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ſcher Befehlshaber, und hoͤhnte ihn, weil er einem Ge-
fecht auswich. Die Kraͤnkung riß den Juͤngling hin eine
Ausforderung zum Zweykampf anzunehmen; er ſiegte.
Hinreiſſend ſchoͤn iſt Livius Erzaͤhlung wie der bethoͤrte
Siegstrunkene ſeinem entſetzten Vater die blutigen Spo-
lien darbrachte; wie dieſer ſein Urtheil ſprach, und voll-
ziehen ließ; wie die Kriegsgefaͤhrten des ungluͤcklichen
Juͤnglings ſeine Leiche mit den traurigen Siegszeichen
verbrannten, welche, haͤtte er ſie in erlaubtem Gefecht ge-
wonnen, ihn bey dem Triumph ſeines Vaters begleitet,
und ſeine Penaten geſchmuͤckt haben wuͤrden; wie die Krie-
ger, waͤhrend der Vater ſein Herz verhaͤrtet hatte, den
Todten klagten: wie die Juͤnglinge dem Sieger nicht
entgegen gingen, und ihn, ſo lange er lebte, flohen und
verwuͤnſchten 12).
12) Livius VIII. c. 7. 12.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/529>, abgerufen am 22.11.2024.
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