Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Im Traum erschien beyden Consuln die Gestalt eines
übermenschlichen Wesens, und verkündigte ihnen, der
Feldherr des einen der kämpfenden Heere, das andere
Heer, seyen den Todtengöttern und der Mutter Erde ver-
fallen. Beyde vereinigten sich, der, dessen Flügel anfinge
zu weichen, wolle sich und das feindliche Heer der Unter-
welt weihen. Auch vor der Schlacht weissagte das Opfer
dem Decius Unglück: es schadet nicht, antwortete er dem
Aruspex, weil er vernahm daß sein College glückliche
Wahrzeichen gefunden habe.

Die Römer verschweigen den Antheil der Samniter
an dem entscheidenden Tage: aber es war nicht Geist dieses
Volks, entfernt aufgestellt dem Leben der Schlacht müßig
zuzuschauen: auch schien der Preis des Siegs für sie noch
näher als für Rom, wenn es auch diesem gelang ihn zu
entwinden. Vermuthlich standen sie den Kampanern, wie
die Römer den Latinern, sabellische Kriegsordnung der
sabellischen, latinische der latinischen entgegen. Ich
wiederhohle nicht Livius Erzählung dieser Schlacht,
weil sie eine Aufstellung voraussetzt welche man ohne An-
stand für praktisch unmöglich erklären muß, und die Ei-
genthümlichkeit der verschiedenen Waffen verkennt 13).


13) Nämlich eine Aufstellung der Manipeln en echelon in
fünf Treffen, augenscheinlich mit so großen Intervallen
daß ein entschlossener Cavallerieangriff die ganze Legion in
wenigen Augenblicken hätte zersprengen müssen. Oder, wenn
die Latiner ihre Manipeln zusammenzogen, und in einer ge-
schlossenen Masse auf die lose Schlachtordnung eindrangen,
so war diese auch so ohne Hülfe zerrissen. -- Livius hält die

Im Traum erſchien beyden Conſuln die Geſtalt eines
uͤbermenſchlichen Weſens, und verkuͤndigte ihnen, der
Feldherr des einen der kaͤmpfenden Heere, das andere
Heer, ſeyen den Todtengoͤttern und der Mutter Erde ver-
fallen. Beyde vereinigten ſich, der, deſſen Fluͤgel anfinge
zu weichen, wolle ſich und das feindliche Heer der Unter-
welt weihen. Auch vor der Schlacht weiſſagte das Opfer
dem Decius Ungluͤck: es ſchadet nicht, antwortete er dem
Aruſpex, weil er vernahm daß ſein College gluͤckliche
Wahrzeichen gefunden habe.

Die Roͤmer verſchweigen den Antheil der Samniter
an dem entſcheidenden Tage: aber es war nicht Geiſt dieſes
Volks, entfernt aufgeſtellt dem Leben der Schlacht muͤßig
zuzuſchauen: auch ſchien der Preis des Siegs fuͤr ſie noch
naͤher als fuͤr Rom, wenn es auch dieſem gelang ihn zu
entwinden. Vermuthlich ſtanden ſie den Kampanern, wie
die Roͤmer den Latinern, ſabelliſche Kriegsordnung der
ſabelliſchen, latiniſche der latiniſchen entgegen. Ich
wiederhohle nicht Livius Erzaͤhlung dieſer Schlacht,
weil ſie eine Aufſtellung vorausſetzt welche man ohne An-
ſtand fuͤr praktiſch unmoͤglich erklaͤren muß, und die Ei-
genthuͤmlichkeit der verſchiedenen Waffen verkennt 13).


13) Naͤmlich eine Aufſtellung der Manipeln en échelon in
fuͤnf Treffen, augenſcheinlich mit ſo großen Intervallen
daß ein entſchloſſener Cavallerieangriff die ganze Legion in
wenigen Augenblicken haͤtte zerſprengen muͤſſen. Oder, wenn
die Latiner ihre Manipeln zuſammenzogen, und in einer ge-
ſchloſſenen Maſſe auf die loſe Schlachtordnung eindrangen,
ſo war dieſe auch ſo ohne Huͤlfe zerriſſen. — Livius haͤlt die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0530" n="514"/>
        <p>Im Traum er&#x017F;chien beyden Con&#x017F;uln die Ge&#x017F;talt eines<lb/>
u&#x0364;bermen&#x017F;chlichen We&#x017F;ens, und verku&#x0364;ndigte ihnen, der<lb/>
Feldherr des einen der ka&#x0364;mpfenden Heere, das andere<lb/>
Heer, &#x017F;eyen den Todtengo&#x0364;ttern und der Mutter Erde ver-<lb/>
fallen. Beyde vereinigten &#x017F;ich, der, de&#x017F;&#x017F;en Flu&#x0364;gel anfinge<lb/>
zu weichen, wolle &#x017F;ich und das feindliche Heer der Unter-<lb/>
welt weihen. Auch vor der Schlacht wei&#x017F;&#x017F;agte das Opfer<lb/>
dem Decius Unglu&#x0364;ck: es &#x017F;chadet nicht, antwortete er dem<lb/>
Aru&#x017F;pex, weil er vernahm daß &#x017F;ein College glu&#x0364;ckliche<lb/>
Wahrzeichen gefunden habe.</p><lb/>
        <p>Die Ro&#x0364;mer ver&#x017F;chweigen den Antheil der Samniter<lb/>
an dem ent&#x017F;cheidenden Tage: aber es war nicht Gei&#x017F;t die&#x017F;es<lb/>
Volks, entfernt aufge&#x017F;tellt dem Leben der Schlacht mu&#x0364;ßig<lb/>
zuzu&#x017F;chauen: auch &#x017F;chien der Preis des Siegs fu&#x0364;r &#x017F;ie noch<lb/>
na&#x0364;her als fu&#x0364;r Rom, wenn es auch die&#x017F;em gelang ihn zu<lb/>
entwinden. Vermuthlich &#x017F;tanden &#x017F;ie den Kampanern, wie<lb/>
die Ro&#x0364;mer den Latinern, &#x017F;abelli&#x017F;che Kriegsordnung der<lb/>
&#x017F;abelli&#x017F;chen, latini&#x017F;che der latini&#x017F;chen entgegen. Ich<lb/>
wiederhohle nicht Livius Erza&#x0364;hlung die&#x017F;er Schlacht,<lb/>
weil &#x017F;ie eine Auf&#x017F;tellung voraus&#x017F;etzt welche man ohne An-<lb/>
&#x017F;tand fu&#x0364;r prakti&#x017F;ch unmo&#x0364;glich erkla&#x0364;ren muß, und die Ei-<lb/>
genthu&#x0364;mlichkeit der ver&#x017F;chiedenen Waffen verkennt <note xml:id="note-0530" next="#note-0531" place="foot" n="13)">Na&#x0364;mlich eine Auf&#x017F;tellung der Manipeln <hi rendition="#aq">en échelon</hi> in<lb/>
fu&#x0364;nf Treffen, augen&#x017F;cheinlich mit &#x017F;o großen Intervallen<lb/>
daß ein ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ener Cavallerieangriff die ganze Legion in<lb/>
wenigen Augenblicken ha&#x0364;tte zer&#x017F;prengen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Oder, wenn<lb/>
die Latiner ihre Manipeln zu&#x017F;ammenzogen, und in einer ge-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Ma&#x017F;&#x017F;e auf die lo&#x017F;e Schlachtordnung eindrangen,<lb/>
&#x017F;o war die&#x017F;e auch &#x017F;o ohne Hu&#x0364;lfe zerri&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Livius ha&#x0364;lt die</note>.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[514/0530] Im Traum erſchien beyden Conſuln die Geſtalt eines uͤbermenſchlichen Weſens, und verkuͤndigte ihnen, der Feldherr des einen der kaͤmpfenden Heere, das andere Heer, ſeyen den Todtengoͤttern und der Mutter Erde ver- fallen. Beyde vereinigten ſich, der, deſſen Fluͤgel anfinge zu weichen, wolle ſich und das feindliche Heer der Unter- welt weihen. Auch vor der Schlacht weiſſagte das Opfer dem Decius Ungluͤck: es ſchadet nicht, antwortete er dem Aruſpex, weil er vernahm daß ſein College gluͤckliche Wahrzeichen gefunden habe. Die Roͤmer verſchweigen den Antheil der Samniter an dem entſcheidenden Tage: aber es war nicht Geiſt dieſes Volks, entfernt aufgeſtellt dem Leben der Schlacht muͤßig zuzuſchauen: auch ſchien der Preis des Siegs fuͤr ſie noch naͤher als fuͤr Rom, wenn es auch dieſem gelang ihn zu entwinden. Vermuthlich ſtanden ſie den Kampanern, wie die Roͤmer den Latinern, ſabelliſche Kriegsordnung der ſabelliſchen, latiniſche der latiniſchen entgegen. Ich wiederhohle nicht Livius Erzaͤhlung dieſer Schlacht, weil ſie eine Aufſtellung vorausſetzt welche man ohne An- ſtand fuͤr praktiſch unmoͤglich erklaͤren muß, und die Ei- genthuͤmlichkeit der verſchiedenen Waffen verkennt 13). 13) Naͤmlich eine Aufſtellung der Manipeln en échelon in fuͤnf Treffen, augenſcheinlich mit ſo großen Intervallen daß ein entſchloſſener Cavallerieangriff die ganze Legion in wenigen Augenblicken haͤtte zerſprengen muͤſſen. Oder, wenn die Latiner ihre Manipeln zuſammenzogen, und in einer ge- ſchloſſenen Maſſe auf die loſe Schlachtordnung eindrangen, ſo war dieſe auch ſo ohne Huͤlfe zerriſſen. — Livius haͤlt die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/530
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/530>, abgerufen am 22.11.2024.