Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

rechnung hinaus, und auf ein verschwundenes Volk al-
ter Einwohner.

Nahe und fern um Rom hatte jede Feldmark ihren
Nahmen von der Stadt der sie angehörte, so der ager
Tusculanus, Lavicanus, Albanus.
Wie dieser letzte
seine Benennung bewahrte obwohl die Stadt zerstört war,
und ihr Andenken erhielt, so deutet auch der Nahme des
Ager Vaticanus auf eine Stadt Vaticum oder Vatica,
die einst in seinem Umfang gestanden haben muß, deren
längst vertilgtes Daseyn keiner unserer Autoren ahndet.
Hätte doch Plinius (H. N. XVI. c. 87.) die erklärten
Worte jener etruskischen Inschrift gegeben welche, mit
ehernen Buchstaben an einer heiligen Eiche in der vatica-
nischen Feldmark befestigt, älter gewesen seyn soll als
Roms Gründung!

Cascus, sagt man, heißt alt, und daher Casci po-
puli,
wie Ennius die ältesten Bewohner Latiums nannte,
nur so viel als die alten Völker. Er aber hat es offen-
bar als einen eigenthümlichen Nahmen der uralten Na-
tion gebraucht (s. die angeführten Stellen bey Columna
p. 14. ed. Hessel.) -- man vergleiche als Volksnahmen
mit gleicher Endung Tusker, Casker, Osker -- und
man benannte vielmehr das Uralte nach ihrer Zeit, wie
wir das Altgestaltete gothisch oder altfränkisch nennen.
Wäre es nicht wohl angemessen jenes nahmenlose verschol-
lene Volk so zu benennen welches die cyklopischen Städte
gründete, und diese caskisch?


3. Servius

rechnung hinaus, und auf ein verſchwundenes Volk al-
ter Einwohner.

Nahe und fern um Rom hatte jede Feldmark ihren
Nahmen von der Stadt der ſie angehoͤrte, ſo der ager
Tusculanus, Lavicanus, Albanus.
Wie dieſer letzte
ſeine Benennung bewahrte obwohl die Stadt zerſtoͤrt war,
und ihr Andenken erhielt, ſo deutet auch der Nahme des
Ager Vaticanus auf eine Stadt Vaticum oder Vatica,
die einſt in ſeinem Umfang geſtanden haben muß, deren
laͤngſt vertilgtes Daſeyn keiner unſerer Autoren ahndet.
Haͤtte doch Plinius (H. N. XVI. c. 87.) die erklaͤrten
Worte jener etruskiſchen Inſchrift gegeben welche, mit
ehernen Buchſtaben an einer heiligen Eiche in der vatica-
niſchen Feldmark befeſtigt, aͤlter geweſen ſeyn ſoll als
Roms Gruͤndung!

Cascus, ſagt man, heißt alt, und daher Casci po-
puli,
wie Ennius die aͤlteſten Bewohner Latiums nannte,
nur ſo viel als die alten Voͤlker. Er aber hat es offen-
bar als einen eigenthuͤmlichen Nahmen der uralten Na-
tion gebraucht (ſ. die angefuͤhrten Stellen bey Columna
p. 14. ed. Hessel.) — man vergleiche als Volksnahmen
mit gleicher Endung Tusker, Casker, Osker — und
man benannte vielmehr das Uralte nach ihrer Zeit, wie
wir das Altgeſtaltete gothiſch oder altfraͤnkiſch nennen.
Waͤre es nicht wohl angemeſſen jenes nahmenloſe verſchol-
lene Volk ſo zu benennen welches die cyklopiſchen Staͤdte
gruͤndete, und dieſe caskiſch?


3. Servius
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0544" n="528"/>
rechnung hinaus, und auf ein ver&#x017F;chwundenes Volk al-<lb/>
ter Einwohner.</p><lb/>
            <p>Nahe und fern um Rom hatte jede Feldmark ihren<lb/>
Nahmen von der Stadt der &#x017F;ie angeho&#x0364;rte, &#x017F;o der <hi rendition="#aq">ager<lb/>
Tusculanus, Lavicanus, Albanus.</hi> Wie die&#x017F;er letzte<lb/>
&#x017F;eine Benennung bewahrte obwohl die Stadt zer&#x017F;to&#x0364;rt war,<lb/>
und ihr Andenken erhielt, &#x017F;o deutet auch der Nahme des<lb/><hi rendition="#aq">Ager Vaticanus</hi> auf eine Stadt Vaticum oder Vatica,<lb/>
die ein&#x017F;t in &#x017F;einem Umfang ge&#x017F;tanden haben muß, deren<lb/>
la&#x0364;ng&#x017F;t vertilgtes Da&#x017F;eyn keiner un&#x017F;erer Autoren ahndet.<lb/>
Ha&#x0364;tte doch Plinius (<hi rendition="#aq">H. N. XVI. c.</hi> 87.) die erkla&#x0364;rten<lb/>
Worte jener etruski&#x017F;chen In&#x017F;chrift gegeben welche, mit<lb/>
ehernen Buch&#x017F;taben an einer heiligen Eiche in der vatica-<lb/>
ni&#x017F;chen Feldmark befe&#x017F;tigt, a&#x0364;lter gewe&#x017F;en &#x017F;eyn &#x017F;oll als<lb/>
Roms Gru&#x0364;ndung!</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">Cascus,</hi> &#x017F;agt man, heißt alt, und daher <hi rendition="#aq">Casci po-<lb/>
puli,</hi> wie Ennius die a&#x0364;lte&#x017F;ten Bewohner Latiums nannte,<lb/>
nur &#x017F;o viel als die alten Vo&#x0364;lker. Er aber hat es offen-<lb/>
bar als einen eigenthu&#x0364;mlichen Nahmen der uralten Na-<lb/>
tion gebraucht (&#x017F;. die angefu&#x0364;hrten Stellen bey Columna<lb/><hi rendition="#aq">p. 14. ed. Hessel.</hi>) &#x2014; man vergleiche als Volksnahmen<lb/>
mit gleicher Endung Tusker, Casker, Osker &#x2014; und<lb/>
man benannte vielmehr das Uralte nach ihrer Zeit, wie<lb/>
wir das Altge&#x017F;taltete gothi&#x017F;ch oder altfra&#x0364;nki&#x017F;ch nennen.<lb/>
Wa&#x0364;re es nicht wohl angeme&#x017F;&#x017F;en jenes nahmenlo&#x017F;e ver&#x017F;chol-<lb/>
lene Volk &#x017F;o zu benennen welches die cyklopi&#x017F;chen Sta&#x0364;dte<lb/>
gru&#x0364;ndete, und die&#x017F;e caski&#x017F;ch?</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">3. Servius</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[528/0544] rechnung hinaus, und auf ein verſchwundenes Volk al- ter Einwohner. Nahe und fern um Rom hatte jede Feldmark ihren Nahmen von der Stadt der ſie angehoͤrte, ſo der ager Tusculanus, Lavicanus, Albanus. Wie dieſer letzte ſeine Benennung bewahrte obwohl die Stadt zerſtoͤrt war, und ihr Andenken erhielt, ſo deutet auch der Nahme des Ager Vaticanus auf eine Stadt Vaticum oder Vatica, die einſt in ſeinem Umfang geſtanden haben muß, deren laͤngſt vertilgtes Daſeyn keiner unſerer Autoren ahndet. Haͤtte doch Plinius (H. N. XVI. c. 87.) die erklaͤrten Worte jener etruskiſchen Inſchrift gegeben welche, mit ehernen Buchſtaben an einer heiligen Eiche in der vatica- niſchen Feldmark befeſtigt, aͤlter geweſen ſeyn ſoll als Roms Gruͤndung! Cascus, ſagt man, heißt alt, und daher Casci po- puli, wie Ennius die aͤlteſten Bewohner Latiums nannte, nur ſo viel als die alten Voͤlker. Er aber hat es offen- bar als einen eigenthuͤmlichen Nahmen der uralten Na- tion gebraucht (ſ. die angefuͤhrten Stellen bey Columna p. 14. ed. Hessel.) — man vergleiche als Volksnahmen mit gleicher Endung Tusker, Casker, Osker — und man benannte vielmehr das Uralte nach ihrer Zeit, wie wir das Altgeſtaltete gothiſch oder altfraͤnkiſch nennen. Waͤre es nicht wohl angemeſſen jenes nahmenloſe verſchol- lene Volk ſo zu benennen welches die cyklopiſchen Staͤdte gruͤndete, und dieſe caskiſch? 3. Servius

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/544
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/544>, abgerufen am 22.11.2024.