und strebenden Natur gethan? Und doch war es zuweilen Pflicht, in geringem Maaß wenigstens das zu leisten, was Jesus in einem so hohen Maaß leistete. Mir mußte es oft nicht darauf ankommen, ob ich diese und jene Bequemlichkeit des Lebens hatte oder nicht, sobald einem Dürstigen dadurch gehol- fen ward, wenn ich sie verläugnete! Mir mußte weniger Ruhe, weniger Wohlleben, weniger Genuß der Sinne Freude seyn, sobald ich dadurch mehr für meinen Geist, mehr für meine ewige Bostim- mung, mehr für meine Brüder that. Ich mußte mit Freuden entbehren, verläugnen, was so viele nicht einmal kennen, was dem, der es vor allen verdient hätte, niemals ward, sobald ich dadurch ein besserer, nützlicherer und gottgefälligerer Mensch wurde. O wie weit bin ich hinter ihm zurück! Wie wenig hab ich gegen ihn gethan! Wie nichts gegen das, was ich thun konnte! --
Aber ich will künftig mehr thun! So beschä- mend mir das Beyspiel meines Erlösers ist, so aufmunternd soll es mir werden! Hat er nicht eben darum mir so gleich werden, mein Bruder, Genoß und Theilnehmer meiner Natur seyn wollen, damit ich sähe, wie viel anhaltender Eifer, lange Uebung, ernste Wachsamkeit über sich selbst, steter
guter
und ſtrebenden Natur gethan? Und doch war es zuweilen Pflicht, in geringem Maaß wenigſtens das zu leiſten, was Jeſus in einem ſo hohen Maaß leiſtete. Mir mußte es oft nicht darauf ankommen, ob ich dieſe und jene Bequemlichkeit des Lebens hatte oder nicht, ſobald einem Dürſtigen dadurch gehol- fen ward, wenn ich ſie verläugnete! Mir mußte weniger Ruhe, weniger Wohlleben, weniger Genuß der Sinne Freude ſeyn, ſobald ich dadurch mehr für meinen Geiſt, mehr für meine ewige Boſtim- mung, mehr für meine Brüder that. Ich mußte mit Freuden entbehren, verläugnen, was ſo viele nicht einmal kennen, was dem, der es vor allen verdient hätte, niemals ward, ſobald ich dadurch ein beſſerer, nützlicherer und gottgefälligerer Menſch wurde. O wie weit bin ich hinter ihm zurück! Wie wenig hab ich gegen ihn gethan! Wie nichts gegen das, was ich thun konnte! —
Aber ich will künftig mehr thun! So beſchä- mend mir das Beyſpiel meines Erlöſers iſt, ſo aufmunternd ſoll es mir werden! Hat er nicht eben darum mir ſo gleich werden, mein Bruder, Genoß und Theilnehmer meiner Natur ſeyn wollen, damit ich ſähe, wie viel anhaltender Eifer, lange Uebung, ernſte Wachſamkeit über ſich ſelbſt, ſteter
guter
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[88[100]/0104]
und ſtrebenden Natur gethan? Und doch war es
zuweilen Pflicht, in geringem Maaß wenigſtens
das zu leiſten, was Jeſus in einem ſo hohen Maaß
leiſtete. Mir mußte es oft nicht darauf ankommen,
ob ich dieſe und jene Bequemlichkeit des Lebens hatte
oder nicht, ſobald einem Dürſtigen dadurch gehol-
fen ward, wenn ich ſie verläugnete! Mir mußte
weniger Ruhe, weniger Wohlleben, weniger Genuß
der Sinne Freude ſeyn, ſobald ich dadurch mehr
für meinen Geiſt, mehr für meine ewige Boſtim-
mung, mehr für meine Brüder that. Ich mußte mit
Freuden entbehren, verläugnen, was ſo viele nicht
einmal kennen, was dem, der es vor allen verdient
hätte, niemals ward, ſobald ich dadurch ein beſſerer,
nützlicherer und gottgefälligerer Menſch wurde. O
wie weit bin ich hinter ihm zurück! Wie wenig hab
ich gegen ihn gethan! Wie nichts gegen das, was
ich thun konnte! —
Aber ich will künftig mehr thun! So beſchä-
mend mir das Beyſpiel meines Erlöſers iſt, ſo
aufmunternd ſoll es mir werden! Hat er nicht
eben darum mir ſo gleich werden, mein Bruder,
Genoß und Theilnehmer meiner Natur ſeyn wollen,
damit ich ſähe, wie viel anhaltender Eifer, lange
Uebung, ernſte Wachſamkeit über ſich ſelbſt, ſteter
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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 88[100]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/104>, abgerufen am 16.02.2025.
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